Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Bildungsanstrengung ist nötig“
Politologe zur „Herausforderung Rechtspopulismus“– Arbeitskreis sucht Unterstützung
ISNY - Auf Einladung des ökumenischen Arbeitskreises Bildung der beiden Isnyer Kirchengemeinden hat der Bonner Politologe und Buchautor Andreas Püttmann im Gemeindehaus St. Michael einen Vortrag gehalten. Sein Thema lautete: „Herausforderung Rechtspopulismus – müssen wir die Demokratie verteidigen?“
Populismus lasse sich charakterisieren als eine von Opportunismus geprägte, betont volksnahe, oft demagogische Politik, die das Ziel habe, durch Dramatisierung der politischen Lage und durch einfache Antworten auf vielschichtige Probleme die Gunst der Massen zu gewinnen. Typische Kennzeichen der Rechtspopulisten seien eine antipluralistische Fiktion, völkischer Nationalismus und die Betonung kultureller Identität des „Eigenen“. So erklärte Püttmann den seit der Etablierung der AfD häufig benutzten Begriff des Rechtspopulismus.
Fakten gehen neben Kampagnen unter
Die Auseinandersetzung mit Fakten gehe unter neben Kampagnen, die Wähler vor allem bei ihren Ängsten und Neurosen packen wollen. Rechtspopulisten wollen laut Püttmann nicht den Verstand der Menschen erreichen, auch keine Herzen, sie würden auf tiefer liegende Gefühlsschichten zielen, auf dumpfe, unbewusste Bauchgefühle, Ängste aktivieren oder „niedere Instinkte“an die Oberfläche holen. Vor dem Hintergrund der umstrittenen Flüchtlingspolitik und der Islamkritik segle „ein Schiff mit brisanter Fracht in den Hafen der parlamentarischen Demokratie“, sagte Püttmann. Dieses transportiere Antiliberalismus, Parteien- und Politikerverachtung, Ressentiments gegen Minderheiten, Wohlstandsegoismus, völkischen Nationalismus und Rassismus. Und: Die Besatzung dieses Schiffes rekrutiere sich „nicht aus den Besten des Landes“.
Andreas Püttmann zitierte in diesem Zusammenhang den aus der AfD ausgetretenen, ehemaligen Arbeitgeberpräsidenten Hans-Olaf Henkel, TRAUERANZEIGEN der in der Partei einen „scharfen Rechtskurs“, eine Pöbelei- und Protestkultur und das Verbreiten von Vorurteilen beklagt habe. Mit der AfD sei „ein Monster“geboren worden, viele ihrer „Politiker“würden durch krassen Kenntnismangel, verbale Entgleisungen und eine Neigung zu Dauerquerelen jede Sacharbeit erschweren.
Püttmann zitiert Wolfgang Schäuble
Ihre Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur werde deutlich durch Sätze wie diese: „Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert.“ Gegen diese rechtspopulistische Welle sei eine Informationsund Bildungsanstrengung auf allen Ebenen dringend vonnöten. Püttmann erzählte von CDU-Urgestein Wolfgang Schäuble, der einst mit einer „Hundertschaft“von Schülerzeitungsredakteuren im Gespräch gewesen sei. Einer der jungen Leute habe sich lässig zurückgelehnt und gefragt: „Was wollen Sie tun, um mich bei der nächsten Wahl zur Wahlurne zu kriegen?“Schäuble habe kühl geantwortet: „Sie tun mir keinen Gefallen, wenn Sie zur Wahl gehen, sondern sich selbst. Damit regeln Sie nämlich ihre eigenen Angelegenheiten für Ihre Zukunft.“Mit einem abgewandelten Berthold-Brecht-Zitat schloss Püttmann seinen Vortrag in St. Michael: „Stell Dir vor, es ist Demokratie, und vor allem die Rechten gehen zur Wahl – dann kommt die Unfreiheit über Euch.“
Am Rande des Vortrags gab Christoph Eyssel vom ökumenischen Arbeitskreis Bildung bekannt, dass der Arbeitskreis dringend personelle Unterstützung benötige, um sein Bestehen in der Zukunft zu sichern. Wer bereit ist mitzuarbeiten, könne sich in den Pfarrbüros beider Kirchen melden (Telefon 07562 / 2314 oder -97110).