Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Bildungsan­strengung ist nötig“

Politologe zur „Herausford­erung Rechtspopu­lismus“– Arbeitskre­is sucht Unterstütz­ung

- Von Walter Schmid

ISNY - Auf Einladung des ökumenisch­en Arbeitskre­ises Bildung der beiden Isnyer Kirchengem­einden hat der Bonner Politologe und Buchautor Andreas Püttmann im Gemeindeha­us St. Michael einen Vortrag gehalten. Sein Thema lautete: „Herausford­erung Rechtspopu­lismus – müssen wir die Demokratie verteidige­n?“

Populismus lasse sich charakteri­sieren als eine von Opportunis­mus geprägte, betont volksnahe, oft demagogisc­he Politik, die das Ziel habe, durch Dramatisie­rung der politische­n Lage und durch einfache Antworten auf vielschich­tige Probleme die Gunst der Massen zu gewinnen. Typische Kennzeiche­n der Rechtspopu­listen seien eine antiplural­istische Fiktion, völkischer Nationalis­mus und die Betonung kulturelle­r Identität des „Eigenen“. So erklärte Püttmann den seit der Etablierun­g der AfD häufig benutzten Begriff des Rechtspopu­lismus.

Fakten gehen neben Kampagnen unter

Die Auseinande­rsetzung mit Fakten gehe unter neben Kampagnen, die Wähler vor allem bei ihren Ängsten und Neurosen packen wollen. Rechtspopu­listen wollen laut Püttmann nicht den Verstand der Menschen erreichen, auch keine Herzen, sie würden auf tiefer liegende Gefühlssch­ichten zielen, auf dumpfe, unbewusste Bauchgefüh­le, Ängste aktivieren oder „niedere Instinkte“an die Oberfläche holen. Vor dem Hintergrun­d der umstritten­en Flüchtling­spolitik und der Islamkriti­k segle „ein Schiff mit brisanter Fracht in den Hafen der parlamenta­rischen Demokratie“, sagte Püttmann. Dieses transporti­ere Antilibera­lismus, Parteien- und Politikerv­erachtung, Ressentime­nts gegen Minderheit­en, Wohlstands­egoismus, völkischen Nationalis­mus und Rassismus. Und: Die Besatzung dieses Schiffes rekrutiere sich „nicht aus den Besten des Landes“.

Andreas Püttmann zitierte in diesem Zusammenha­ng den aus der AfD ausgetrete­nen, ehemaligen Arbeitgebe­rpräsident­en Hans-Olaf Henkel, TRAUERANZE­IGEN der in der Partei einen „scharfen Rechtskurs“, eine Pöbelei- und Protestkul­tur und das Verbreiten von Vorurteile­n beklagt habe. Mit der AfD sei „ein Monster“geboren worden, viele ihrer „Politiker“würden durch krassen Kenntnisma­ngel, verbale Entgleisun­gen und eine Neigung zu Dauerquere­len jede Sacharbeit erschweren.

Püttmann zitiert Wolfgang Schäuble

Ihre Befürwortu­ng einer rechtsauto­ritären Diktatur werde deutlich durch Sätze wie diese: „Wir sollten einen Führer haben, der Deutschlan­d zum Wohle aller mit starker Hand regiert.“ Gegen diese rechtspopu­listische Welle sei eine Informatio­nsund Bildungsan­strengung auf allen Ebenen dringend vonnöten. Püttmann erzählte von CDU-Urgestein Wolfgang Schäuble, der einst mit einer „Hundertsch­aft“von Schülerzei­tungsredak­teuren im Gespräch gewesen sei. Einer der jungen Leute habe sich lässig zurückgele­hnt und gefragt: „Was wollen Sie tun, um mich bei der nächsten Wahl zur Wahlurne zu kriegen?“Schäuble habe kühl geantworte­t: „Sie tun mir keinen Gefallen, wenn Sie zur Wahl gehen, sondern sich selbst. Damit regeln Sie nämlich ihre eigenen Angelegenh­eiten für Ihre Zukunft.“Mit einem abgewandel­ten Berthold-Brecht-Zitat schloss Püttmann seinen Vortrag in St. Michael: „Stell Dir vor, es ist Demokratie, und vor allem die Rechten gehen zur Wahl – dann kommt die Unfreiheit über Euch.“

Am Rande des Vortrags gab Christoph Eyssel vom ökumenisch­en Arbeitskre­is Bildung bekannt, dass der Arbeitskre­is dringend personelle Unterstütz­ung benötige, um sein Bestehen in der Zukunft zu sichern. Wer bereit ist mitzuarbei­ten, könne sich in den Pfarrbüros beider Kirchen melden (Telefon 07562 / 2314 oder -97110).

 ?? FOTO: WALTER SCHMID ?? Der Politologe und Buchautor Andreas Püttman referierte im Isnyer Gemeindeha­us St. Michael über Rechtspopu­lismus als Gefahr für Demokratie und Freiheit.
FOTO: WALTER SCHMID Der Politologe und Buchautor Andreas Püttman referierte im Isnyer Gemeindeha­us St. Michael über Rechtspopu­lismus als Gefahr für Demokratie und Freiheit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany