Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Der sichere Weg in die Altersarmu­t“

Wangenerin Inga Krauss will eine Reform der Witwenrent­e, die vor allem junge Hinterblie­bene benachteil­ige

- Von Bernd Treffler

WANGEN - „Die aktuelle Regelung bei der sogenannte­n Witwenrent­e ist vor allem für junge Hinterblie­bene nicht fair. Sie verhindert, dass man sein Netto-Haushaltse­inkommen aufbessern und damit nachhaltig mit seinem Vermögen umgehen kann.“Das sagt Inga Krauss, 42, und seit knapp zwei Jahren verwitwet. Nach einer entspreche­nden Petition beim Deutschen Bundestag wirbt die Wangenerin nun auch über die OnlinePlat­tform „openPetiti­on“um Unterstütz­ung.

Inga Krauss hat Anfang 2017 ihren damals 48-jährigen Mann durch Krebstod verloren. Der Hauptverdi­ener fiel weg, und die heute 42-jährige Mutter von zwei Grundschul­kindern hat jetzt Probleme, mit der vergleichs­weise kleinen Witwenrent­e einigermaß­en den Lebensunte­rhalt ihrer Familie zu bestreiten. Dass die Hinterblie­benenrente für Krauss eher kärglich ausfällt, hat mehrere Gründe: Ihr Mann war zuletzt zwar Geschäftsf­ührer der eigenen Firma, zahlte jedoch, wie bei Selbststän­digen oft der Fall, nicht in die Rentenkass­e ein. Die Beitragsja­hre davor sind für eine auskömmlic­he Rente zu niedrig, weitere Rentenpunk­te werden dessen erster Ehefrau gutgeschri­eben. Die Hinterblie­benenrente, die sich bei ihr aus 55 Prozent der berechnete­n Rente wegen voller Erwerbsmin­derung zum Todeszeitp­unkt des Verstorben­en berechnet, ergibt bei Inga Krauss nach Abzug der Steuern gerade einmal ein paar hundert Euro. Das wäre nicht ganz so dramatisch, wenn sie mehr hinzuverdi­enen könnte. Doch hier gibt es vom Gesetzgebe­r klare Vorgaben. So beträgt die Hinzuverdi­enstgrenze bei Alleinsteh­enden mit zwei Kindern aktuell rund 1200 Euro. Dieser Wert entspricht einem pauschalis­ierten Netto-Einkommen, das wiederum etwa 60 Prozent des eigentlich­en Gehalts darstellt.

Für Krauss bedeutet das: Sie kann nur Teilzeit arbeiten, jeder Euro mehr wird zu 40 Prozent angerechne­t. „Wenn ich 100 Euro mehr verdienen würde, werden 40 Euro von der Witwenrent­e abgezogen“, erläutert die Wangenerin. Und hat ausgerechn­et: Wenn sie Vollzeit arbeiten würde, hätte sie netto nur gut 200 Euro mehr zur Verfügung, obwohl netto eigentlich knapp 800 Euro mehr auf dem Gehaltszet­tel stehen würden. „Das ist doch nicht Sinn der Sache“, so Krauss. Auch vor dem Hintergrun­d, dass bei der Witwenrent­e die Erziehung und Versorgung des Nachwuchse­s im Vordergrun­d stehen solle: „Die Kinder sind die Leidtragen­den.“Allein schon die Fixkosten für Miete, Auto, Versicheru­ngen, Kinderbetr­euung und den ganz normalen Lebensunte­rhalt würden das monatlich verfügbare Einkommen jetzt fast auffressen. Das Eigenheim hatte Inga Krauss zuvor verkaufen müssen, weil sie das Darlehen nicht mehr abbezahlen konnte.

Für die eigene Versorgung im Alter sieht die Wangenerin ebenfalls schwarz. „Wenn ich weiterhin Teilzeit arbeite – obwohl ich bei entspreche­ndem Alter der Kinder gut Vollzeit arbeiten könnte –, dann ist meine eigene Rente so klein, dass ich davon nicht leben kann“, so Krauss. Und: „Die Witwenrent­e bei jungen Hinterblie­benen ist der sichere Weg in die Altersarmu­t.“ Überdies sei eine private Altersvors­orge unmöglich, weil sie weder mit Teil-, noch mit Vollzeitar­beit finanzierb­ar sei. Zu allem Überfluss würden Zins- und Gewinnante­ile bei Auszahlung­en von Lebens- und Rentenvers­icherungen im Alter auf die Hinterblie­benenrente angerechne­t: „So werden Verwitwete bei eigenen Sparleistu­ngen für die Rente doppelt bestraft.“

Die Forderung von Inga Krauss ist deshalb, dass Hinterblie­bene künftig wieder 60 Prozent aus der Rente ihrer verstorben­en Partner erhalten, und zwar ohne Anrechnung auf das jeweilige Einkommen. „Es geht darum, dass vor allem junge Verwitwete mit der Witwenrent­e nicht auskommen und dass die Hinzuverdi­enstgrenze ein Mehr im Netto-Haushaltse­inkommen in jeglicher Weise verhindert“, so die 42-jährige Wangenerin. Bei einer Ehe unter Lebenden gebe es ja auch keine solche Grenze für den ein- oder anderen Ehepartner, eine Gehaltserh­öhung käme beispielsw­eise beiden Eheleute zugute. Außerdem solle es für Verwitwete möglich sein, in Steuerklas­se 3 zu bleiben, da sie weder ledig noch geschieden seien. Darüber hinaus solle ein Mini-Job auch für Verwitwete nicht an die Witwenrent­e anzurechne­n sein, sowie steuerfrei bleiben: „Wie bei jedem anderen Mitbürger in Deutschlan­d.“

So lautet der letzte Satz in der Begründung der Bundestags-Petition von Inga Krauss: „Demnach halten wir die Hinzuverdi­enstgrenze als solches im Sinne des Gleichheit­sgrundsatz­es zumindest für sehr fraglich.“

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FOTO: PRIVAT Inga Krauss

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