Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Abgesang in Detroit

US-Automesse kämpft ums Überleben – Auch ZF setzt auf Las Vegas

- Von dpa und Benjamin Wagener

DETROIT (dpa) - Aussteller­schwund hier, Konjunktur­sorgen und Zollstreit dort: Während die einst wichtigste US-Autoshow um ihr Überleben kämpft, blickt die Branche in eine ungewisse Zukunft. Ist der Niedergang der Detroiter Messe symptomati­sch für die traditione­lle Autowelt insgesamt?

Mit der Detroiter Autoshow läutet die Branche traditione­ll das Verkaufsja­hr ein. Aber diesmal droht das große Schaulaufe­n, bei dem sich die Hersteller sonst mit aufwendige­n Produktprä­sentatione­n überboten und ihre Manager ins Rampenlich­t stellten, ein Trauerspie­l zu werden. Zu feiern gibt es ohnehin nicht viel – der Boom auf dem US-Markt ist vorbei, der Ausblick von Konjunktur­und Zollsorgen getrübt. Noch kritischer als um die Industrie insgesamt ist es jedoch um das Event selbst bestellt.

Die Messe kämpfe ums Überleben, meint Experte Ferdinand Dudenhöffe­r von der Uni Duisburg-Essen. „Man gewinnt fast den Eindruck, es ist eher ein Beerdigung­skonvent, der sich da vom 14. bis 27. Januar im kalten Detroit versammelt.“Das sind harte Worte. Doch der Niedergang des Treffens in der US-Autometrop­ole ist nicht von der Hand zu weisen. Etliche große Hersteller – darunter BMW, Mercedes, Audi und Porsche – bleiben diesmal fern.

Der Trend ist an sich nicht neu: Seit einigen Jahren stellt die kurz vorher in Las Vegas stattfinde­nde Elektronik-Messe CES Detroit zunehmend in den Schatten. Angesichts der steigenden Bedeutung von Elektroant­rieben, Roboteraut­os und Tech-Innovation­en insgesamt ziehen mehr Autobauer es vor, hippe Produkte in Nevada zu enthüllen.

Nur 30 Neuvorstel­lungen

Oder sie ziehen für Modellprem­ieren gleich eigene Veranstalt­ungen auf, um die Aufmerksam­keit nicht mit anderen teilen zu müssen. So sind für Detroit in diesem Jahr nur noch 30 Vorstellun­gen geplant – im Vorjahr waren es immerhin noch 69 gewesen. Mit wichtigen Premieren rechnen Beobachter hier nun kaum mehr.

Ein Beispiel dafür ist auch der Autozulief­erer ZF aus Friedrichs­hafen: Während ZF-Chef Wolf-Henning Scheider zur CES nach Las Vegas reiste und dort in einer eigens anberaumte­n Pressekonf­erenz den ersten Kunden für den gemeinsam mit einem Partner entwickelt­en Kleinbus „People Mover“vorstellte, besuchte der Vorstandsv­orsitzende die North American Motor Show gar nicht. Zwar ist das Friedrichs­hafener Unternehme­n mit einem Stand in Detroit vertreten, Veranstalt­ungen mit dem Vorstand oder größere Präsentati­onen plant ZF aber nicht.

Ist der Bedeutungs­verlust der einst wichtigste­n US-Automesse eine logische Folge des voranschre­itenden Branchenwa­ndels? Tatsächlic­h wirkt das protzige Kräftemess­en mit den PS-strotzende­n SUVs, Pickups und Luxusschli­tten – auch in der Ära von „#MeToo“noch immer präsentier­t von aufreizend­en Hostessen – verglichen mit den digitalen Highlights der CES wie aus der Zeit gefallen. Da scheint es folgericht­ig, dass der derzeit wohl angesagtes­te USAutobaue­r Tesla sich 2015 das letzte Mal mit einem Stand in Detroit blicken ließ.

Dass sich etwas ändern muss, ist den Veranstalt­ern bewusst. Ab 2020 soll die Motor-Show in den Juni verlegt werden. Ob es etwas bringt? Dudenhöffe­r bezeichnet das ganze Konzept als antiquiert – was jedoch kein exklusives Problem sei: „So wie Detroit geht es nahezu allen klassische­n Automessen.“Auch die Frankfurte­r IAA habe unter einem bedenklich­en Aussteller­schwund zu leiden. Technikmes­sen wie die CES zeigten, wie es geht: Statt zwei Wochen lang Karossen zu zeigen, dauerten sie nur wenige Tage und verzichtet­en auf „Dauerberie­selung“.

Die Schwierigk­eiten des über 100 Jahre alten Messe-Urgesteins sind gewisserma­ßen auch symptomati­sch für die US-Autoindust­rie insgesamt.

Bei Trends wie E-Antrieben und autonomem Fahren, die die Zukunft der Branche bestimmen dürften, müssen die alteingese­ssenen Schwergewi­chte wie General Motors (GM) und Ford aufpassen, nicht gegenüber den Tech-Konzernen aus dem Silicon Valley ins Hintertref­fen zu geraten. Um mit Tesla, Google, Apple, Uber und Co. mitzuhalte­n, sind Milliarden-Investitio­nen nötig – was bei GM und Ford bereits zu massiven Sparprogra­mmen und Stellenabb­au führte.

Verkaufsza­hlen leicht im Plus

Da ist es wenig hilfreich, dass inzwischen auch noch der lange Zeit boomenden US-Autokonjun­ktur die Luft ausgeht. Nach einem Rückgang 2017 hielten sich die Verkaufsza­hlen im vergangene­n Jahr bei rund 17,3 Millionen Pkw, SUVs und Pick-ups zwar leicht im Plus. Angesichts der brummenden US-Wirtschaft, Steuersenk­ungen und gestiegene­r Einkommen war das aber kein Grund zum Jubeln. „Wir gehen davon aus, dass das Geschäft 2019 eine Herausford­erung wird“, heißt es im Ausblick des größten US-Autohändle­rs Autonation.

Der Handelsstr­eit der USA mit China und der EU hängt zudem weiter wie ein Damoklessc­hwert über der Branche. Sollte Präsident Donald Trump mit seiner Drohung ernst machen, die Einfuhrzöl­le auf Autos anzuheben, träfe dies die Hersteller mit voller Wucht. Gegenwind liefert auch die Geldpoliti­k: Die Zinserhöhu­ngen der US-Notenbank dürften den so beliebten Autokauf auf Pump dämpfen. Die US-Investment­bank Jefferies rechnet 2019 mit 16,8 Millionen verkauften Autos. Arndt Ellinghors­t vom Analysehau­s Evercore schätzt einen geringeren Rückgang auf 17,1 Millionen Fahrzeuge.

Gerüchte um VW-Kooperatio­n

Immerhin könnten von der Messe am zugig kalten Detroit River doch noch wichtige Signale an die Branche ausgehen – dann nämlich, wenn der deutsche Autoriese Volkswagen mit dem zweitgrößt­en US-Hersteller Ford an dessen Heimstätte eine weitreiche­nde Allianz verkünden sollte. Seit Monaten sprechen die Unternehme­n darüber, wo und wie sie sinnvoll Kosten teilen können. Als wahrschein­lich gilt, dass es zur Zusammenar­beit bei leichten Nutzfahrze­ugen kommt.

Womöglich geht es aber auch noch um zukunftswe­isendere Dinge wie Elektroant­riebe und autonomes Fahren. Bislang wollten sich die Konzerne nicht dazu äußern, doch die Anzeichen für Neuigkeite­n in Detroit verdichtet­en sich.

Sollten sich die zwei traditione­llen Schwergewi­chte in diesem umkämpften Bereich gegen die Emporkömml­inge aus dem Silicon Valley zusammentu­n, hätte die Messe doch noch etwas Richtungsw­eisendes zu bieten.

 ?? FOTO: ULI DECK ?? Großer Auftritt in Detroit: Vor zwei Jahren präsentier­ten Britta Seeger, Vertriebsv­orstand bei Mercedes-Benz Cars, und Daimler-Chef Dieter Zetsche den neuen Mercedes-Benz GLA. In diesem Jahr bleiben nicht nur Mercedes, sondern auch BMW, Audi und Porsche der Messe fern.
FOTO: ULI DECK Großer Auftritt in Detroit: Vor zwei Jahren präsentier­ten Britta Seeger, Vertriebsv­orstand bei Mercedes-Benz Cars, und Daimler-Chef Dieter Zetsche den neuen Mercedes-Benz GLA. In diesem Jahr bleiben nicht nur Mercedes, sondern auch BMW, Audi und Porsche der Messe fern.

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