Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Goldene Worte vom Silberrück­en

Uli Boettcher begeistert in der ausverkauf­ten Leutkirche­r Festhalle

- Von Rolf Schneider

LEUTKIRCH - „Kondome sind nicht mein Ding. Ich geh ja auch nicht mit dem Mantel schwimmen!“Das klingt nach Narhallama­rsch und Herrenwitz. Doch ist es nur ein klitzeklei­ner Gag eines groß angelegten und großartig konzipiert­en Abends, den der nicht nur in Oberschwab­en bekannte und beliebte Uli Boettcher drei Stunden lang zelebriert­e.

Boettcher zieht – die ausverkauf­te Festhalle ist ein Indiz dafür. Und er schlägt sein Publikum in Bann, auch wenn er so diffizile Themenbere­iche wie Vasektomie (Sterilisie­rung des Mannes), Erziehung und vor allem das Älterwerde­n behandelt.

„Ü 50 – Silberrück­en im Nebel“heißt sein Programm. Silberrück­en sind bekanntlic­h Gorillas, die einerseits Führungsfu­nktionen im Affenrudel einnehmen und anderersei­ts das Jugendzeit­alter unübersehb­ar hinter sich gelassen haben. Im Menschenbe­reich ist das die Ü-50-Phase, wenn die Kinder aus dem Haus sind und man sich irgendwann damit arrangiert, dass Jugendträu­me und ihre Realisieru­ng zumeist so unvereinba­r sind wie Ehepartner und Idealisier­ung: „Der Pfarrer fragt, willst du diesen Mann nehmen, und nicht, willst du diesen Traummann nehmen, weil er weiß, wenn das Realität wird, ist’s mit dem Traum vorbei.“

Traumhafte­r Umgang mit dem Thema Altwerden

Uli Boettchers Umgang mit dem Trauma des Altwerdens ist traumhaft gut, auch wenn er sich hin und wieder in den seicht-leichten Gag flüchtet, so wie jenen, dass die Verwandtsc­haft sich im Kindesalte­r frohgemut über das Säuglingsb­ettchen beugte – und wenn sie das heute noch macht, nicht mehr „dutzi, dutzi“sagt, sondern bloß „Schnauft er no?“

Uli Boettcher schnauft nicht bloß, er atmet Geistreich­tum und bittersüße Selbsterke­nntnis. „Schmerzen sind die Panini-Sammelbild­chen im Silberrück­end-Dasein.“

Es ist ein Markenzeic­hen des ehemaligen Spohn-Gymnasiast­en (Ravensburg), dass er sein Publikum nicht unbehellig­t lässt. Besagtes Publikum, zumeist in den vorderen Reihen, weiß, was auf es zukommt, und reagiert sehr humorig und manchmal auch sehr ehrlich, so wie die Damen, die sich als Chippendal­e-Fans zu erkennen geben, wobei es sich nicht um Möbel-Liebhaberi­nnen, sondern um Fans einer männlichen Stripperba­nd handelt. Und dass er Besucherin Luitgard humorig-sacht anhaut, weil sie während des laufenden Programms auf ihrem Smartphone daddelt, gehört einfach zu einem, zu seinem Abend.

Boettcher wandelt traumhaft sicher zwischen krachleder­nen Gags wie denen zum Themenbere­ich Vasektomie mit inkludiert­er Spermaprob­e und leichter Hand eingestreu­ten Aphorismen: „Seit es den Menschen gibt, haben viele eine Meinung, aber keine Ahnung“.

Boettcher hat sowohl als auch und die doppelte Portion der herkömmlic­hen Menge an Schlagfert­igkeit und Witz dazu, weshalb er auch zweischnei­dige Lebensweis­heiten leicht und locker an die Frau und den Mann bringt, wie jene, als ihn seine Gattin zum Doktorbesu­ch überredet und er, wenn auch widerstreb­end, zustimmt: „Wenn Frauen eine bestimmte Frequenz anstimmen, dann widerspric­ht man besser nicht.“

Wie ein Varietekün­stler jongliert Boettcher mit Selbsterke­nntnissen („Künstler können alles machen, bloß keine Gruppe anführen“) und halb-philosophi­schen Ausführung­en: „Ich bin ein Silberrück­en, aber ich hab’s unter Kontrolle. Wer alt isch, isch selber schuld, er hott’s ja it andersch wolla. Lebendig kommen wir aus diesem Leben sowieso nicht raus.“

Aber vielleicht gelassen und getröstet, vor allem, wenn man Böttchers Erkenntnis („Frauen sind besser im Lösen von Problemen“) traut und an seine Erkenntnis glaubt: „Ein güldenes Zeitalter liegt vor uns, den Männern Ü 50.“

Solange es Zeitgenoss­en wie den Silberrück­en Boettcher gibt, könnte es sogar stimmen, sogar weit jenseits der 50.

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FOTO: LILLI SCHNEIDER Ein Mann, ein Ein-Mann-Auftritt, ein Erlebnis: Uli Boettcher.

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