Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Online-Handel sichert das Überleben
Umfrage unter Leutkircher Einzelhändlern, die ihre Waren auch im Netz anbieten
Umfrage unter Leutkircher Einzelhändlern, die auch im Netz aktiv sind.
LEUTKIRCH - Stationärer Einzelhandel gegen Online-Shopping – bei diesem ungleichen Duell haben die Geschäfte in den Innenstädten immer öfter das Nachsehen. Dass es auch anders geht, zeigt eine Nachfrage bei Leutkircher Händlern, die neben dem Ladengeschäft auch im Internet präsent sind. Hier sichere der Online-Handel oft sogar das wirtschaftliche Überleben des Betriebs. Ein Weg, den auch der Handelsverband Baden-Württemberg empfiehlt.
„Ohne den Online-Handel würde es schlecht aussehen. Ich weiß nicht, ob wir dann überhaupt noch da wären“, erklärt Robert Wünsche vom Früchtehaus Zimmermann. Seit fünf Jahren gehört zu dem Leutkircher Ladengeschäft ein Online-Shop mit Bio-Weinen, der laut Wünsche gut angenommen wird. Inzwischen entfalle etwa die Hälfte des verkauften Weins auf den Online-Bereich. Wovon laut Wünsche auch die Kunden vor Ort profitieren: „Dadurch haben wir eine große Warenauswahl von etwa 600 Weinen, die wir auch in Leutkirch anbieten können. Und durch die großen Einkaufsmengen bekommen wir einen besseren Einkaufspreis, den wir auch an die Kunden vor Ort weitergeben.“
Keine Niedrigstpreise
Immer mehr lokale Kunden würden den Online-Shop auch nutzen, um sich von zuhause aus in Ruhe einen Wein auszusuchen und diesen dann im Geschäft abzuholen. Ein Trend, den man in der Fachsprache als „Click and Collect“bezeichnet. Wünsche betont auch, dass ein Online-Shop nicht gleichbedeutend mit fast unwirtschaftlich niedrigen Preisen sein muss, um im Wettbewerb zu bestehen: „Wir gehören nicht zu den günstigsten Anbietern und haben trotzdem unsere Kunden und inzwischen auch schon eine größere Stammkundschaft.“Von dieser Online-Kundschaft profitiert laut Wünsche inzwischen der stationäre Handel in Leutkirch: „Wir haben mehrere Online-Kunden, etwa aus dem Münchner Raum, die in Leutkirch einen Halt machen, wenn sie auf dem Weg nach Österreich oder an den Bodensee sind.“
Als stellvertretender Vorsitzender des Leutkircher Wirtschaftsbundes hat Wünsche auch den gesamten lokalen Einzelhandel im Blick. Um zu sehen, wie der stationäre Handel mit dem Online-Handel vernetzt werden könnte, habe man als Wirtschaftsbund so etwa schon die Stadt Günzburg besucht. „Da hat jeder Einzelhändler des dortigen Gewerbevereins einen eigenen OnlineHandel, der auf der gemeinsamen Plattform eingebunden ist. Das wäre sicher auch für Leutkirch eine interessante Sache“, so Wünsche. Wobei er trotzdem betont, dass das Hauptaugenmerk auf der direkten Stärkung der Innenstadt liege. Gleichzeitig outet er sich als Fan des Trends „Click and Collect“. Hier könne man Regionalität und Online-Handel perfekt verbinden.
Zusätzlicher Absatzkanal
Ein Ansatz, den auch der Handelsverband Baden-Württemberg empfiehlt: „Gegen die großen Händler sowie den Onlinehandel hilft nur eine Kombination aus Online-Auftritt und stationärem Verkauf, der allerdings zu einem Shopping-Erlebnis mit gutem Service und individueller Beratung entwickelt werden muss“, so Sabine Hagmann,, Hauptgeschäftsführerin des Verbands. Andererseits sei der Online-Verkauf kein Muss. Vielmehr gehe es darum, die Marke und das Shopping-Erlebnis in den Mittelpunkt des Kundennutzens und zur Abgrenzung von reinen Internethändlern zu rücken. Aber klar ist laut Hagmann, dass jeder Unternehmer darüber nachdenken muss, ob nicht etwa der zusätzliche Verkauf über einen virtuellen Marktplatz ein interessanter zusätzlicher Absatzkanal sein kann.
Das Überleben gesichert
Das Leutkircher Spielwarengeschäft Fesslers Spielkiste nutzt diesen zusätzlichen Absatzkanal bereits seit mehr als 15 Jahren, wie Hans-Joachim Fessler sagt. Er sichere inzwischen sogar das Überleben des Ladengeschäftes in der Innenstadt: „Ohne den zusätzlichen Online-Handel wäre es wirtschaftlich nicht mehr möglich. Wir müssten ohne dieses zweite Standbein zumachen“, erklärt Fessler. Die Leute würden heutzutage einfach vermehrt im Internet einkaufen.
Während Fessler zu Beginn vor allem die Plattform Ebay nutzte, vertreibt er seine Produkte inzwischen über Amazon. Dabei könne es übrigens durchaus sein, dass die Spielwaren online teurer sind als im Laden. Nämlich dann, wenn es sich um gefragte Produkte handelt, die in anderen Online-Shops eventuell schon ausverkauft sind.
Während Fessler seine Spielwaren auch über Amazon verkauft, kaufen die Kunden laut Wencka Koch von der Stadtbuchhandlung gezielt bei ihnen ein, um den großen OnlineAnbieter zu umgehen. Der Anteil der über den eigenen Online-Shop verkauften Bücher liege inzwischen bei etwa 25 Prozent. Auf 25 Prozent beziffert auch Daniela Schulte, Inhaberin der Buchhandlung Kappler, den Anteil der verkauften Bücher, die die Kunden im Online-Shop erwerben. Diesen bietet die Buchhandlung seit Herbst 2015 an. „Seit etwa eineinhalb Jahren gibt es eine klar steigende Tendenz“, erklärt Schulte. Sehr stark gefragt sei dabei auch in der Buchhandlung der Trend „Click and Collect“: „Die Leute stöbern nachmittags und abends in unserem OnlineShop, bestellen dort und holen die Bücher dann am nächsten Tag ab, wenn sie wieder in die Stadt kommen.“
Schulte ist überzeugt davon, dass man trotz eigenem Online-Shop der Konkurrenz im Internet nur über guten Service Paroli bieten kann. Deswegen funktioniere die Verknüpfung zwischen Online und Offline in der Buchhandlung auch in die andere Richtung: So kann man bei ihr zum Beispiel auch ein E-Book im Geschäft kaufen und bar bezahlen, erklärt Schulte schmunzelnd.
Auch Jüngere kaufen vor Ort
Laut einer Mitteilung des Handelsverbandes hat eine aktuelle Studie („Consumer Insights 2018 – was sich deutsche Verbraucher wünschen“) des Wirtschaftsprüfungsunternehmens Pricewaterhouse Coopers (PWC) übrigens ergeben, dass insbesondere jüngere Konsumenten trotz digitaler Vernetzung verstärkt wieder in den Geschäften vor Ort einkaufen. Allerdings haben sie laut der PWC-Studie an den stationären Handel Wünsche, etwa eine bessere Verknüpfung zwischen Online und Offline in den jeweiligen Geschäften vor Ort.