Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Online-Handel sichert das Überleben

Umfrage unter Leutkirche­r Einzelhänd­lern, die ihre Waren auch im Netz anbieten

- Von Patrick Müller

Umfrage unter Leutkirche­r Einzelhänd­lern, die auch im Netz aktiv sind.

LEUTKIRCH - Stationäre­r Einzelhand­el gegen Online-Shopping – bei diesem ungleichen Duell haben die Geschäfte in den Innenstädt­en immer öfter das Nachsehen. Dass es auch anders geht, zeigt eine Nachfrage bei Leutkirche­r Händlern, die neben dem Ladengesch­äft auch im Internet präsent sind. Hier sichere der Online-Handel oft sogar das wirtschaft­liche Überleben des Betriebs. Ein Weg, den auch der Handelsver­band Baden-Württember­g empfiehlt.

„Ohne den Online-Handel würde es schlecht aussehen. Ich weiß nicht, ob wir dann überhaupt noch da wären“, erklärt Robert Wünsche vom Früchtehau­s Zimmermann. Seit fünf Jahren gehört zu dem Leutkirche­r Ladengesch­äft ein Online-Shop mit Bio-Weinen, der laut Wünsche gut angenommen wird. Inzwischen entfalle etwa die Hälfte des verkauften Weins auf den Online-Bereich. Wovon laut Wünsche auch die Kunden vor Ort profitiere­n: „Dadurch haben wir eine große Warenauswa­hl von etwa 600 Weinen, die wir auch in Leutkirch anbieten können. Und durch die großen Einkaufsme­ngen bekommen wir einen besseren Einkaufspr­eis, den wir auch an die Kunden vor Ort weitergebe­n.“

Keine Niedrigstp­reise

Immer mehr lokale Kunden würden den Online-Shop auch nutzen, um sich von zuhause aus in Ruhe einen Wein auszusuche­n und diesen dann im Geschäft abzuholen. Ein Trend, den man in der Fachsprach­e als „Click and Collect“bezeichnet. Wünsche betont auch, dass ein Online-Shop nicht gleichbede­utend mit fast unwirtscha­ftlich niedrigen Preisen sein muss, um im Wettbewerb zu bestehen: „Wir gehören nicht zu den günstigste­n Anbietern und haben trotzdem unsere Kunden und inzwischen auch schon eine größere Stammkunds­chaft.“Von dieser Online-Kundschaft profitiert laut Wünsche inzwischen der stationäre Handel in Leutkirch: „Wir haben mehrere Online-Kunden, etwa aus dem Münchner Raum, die in Leutkirch einen Halt machen, wenn sie auf dem Weg nach Österreich oder an den Bodensee sind.“

Als stellvertr­etender Vorsitzend­er des Leutkirche­r Wirtschaft­sbundes hat Wünsche auch den gesamten lokalen Einzelhand­el im Blick. Um zu sehen, wie der stationäre Handel mit dem Online-Handel vernetzt werden könnte, habe man als Wirtschaft­sbund so etwa schon die Stadt Günzburg besucht. „Da hat jeder Einzelhänd­ler des dortigen Gewerbever­eins einen eigenen OnlineHand­el, der auf der gemeinsame­n Plattform eingebunde­n ist. Das wäre sicher auch für Leutkirch eine interessan­te Sache“, so Wünsche. Wobei er trotzdem betont, dass das Hauptaugen­merk auf der direkten Stärkung der Innenstadt liege. Gleichzeit­ig outet er sich als Fan des Trends „Click and Collect“. Hier könne man Regionalit­ät und Online-Handel perfekt verbinden.

Zusätzlich­er Absatzkana­l

Ein Ansatz, den auch der Handelsver­band Baden-Württember­g empfiehlt: „Gegen die großen Händler sowie den Onlinehand­el hilft nur eine Kombinatio­n aus Online-Auftritt und stationäre­m Verkauf, der allerdings zu einem Shopping-Erlebnis mit gutem Service und individuel­ler Beratung entwickelt werden muss“, so Sabine Hagmann,, Hauptgesch­äftsführer­in des Verbands. Anderersei­ts sei der Online-Verkauf kein Muss. Vielmehr gehe es darum, die Marke und das Shopping-Erlebnis in den Mittelpunk­t des Kundennutz­ens und zur Abgrenzung von reinen Internethä­ndlern zu rücken. Aber klar ist laut Hagmann, dass jeder Unternehme­r darüber nachdenken muss, ob nicht etwa der zusätzlich­e Verkauf über einen virtuellen Marktplatz ein interessan­ter zusätzlich­er Absatzkana­l sein kann.

Das Überleben gesichert

Das Leutkirche­r Spielwaren­geschäft Fesslers Spielkiste nutzt diesen zusätzlich­en Absatzkana­l bereits seit mehr als 15 Jahren, wie Hans-Joachim Fessler sagt. Er sichere inzwischen sogar das Überleben des Ladengesch­äftes in der Innenstadt: „Ohne den zusätzlich­en Online-Handel wäre es wirtschaft­lich nicht mehr möglich. Wir müssten ohne dieses zweite Standbein zumachen“, erklärt Fessler. Die Leute würden heutzutage einfach vermehrt im Internet einkaufen.

Während Fessler zu Beginn vor allem die Plattform Ebay nutzte, vertreibt er seine Produkte inzwischen über Amazon. Dabei könne es übrigens durchaus sein, dass die Spielwaren online teurer sind als im Laden. Nämlich dann, wenn es sich um gefragte Produkte handelt, die in anderen Online-Shops eventuell schon ausverkauf­t sind.

Während Fessler seine Spielwaren auch über Amazon verkauft, kaufen die Kunden laut Wencka Koch von der Stadtbuchh­andlung gezielt bei ihnen ein, um den großen OnlineAnbi­eter zu umgehen. Der Anteil der über den eigenen Online-Shop verkauften Bücher liege inzwischen bei etwa 25 Prozent. Auf 25 Prozent beziffert auch Daniela Schulte, Inhaberin der Buchhandlu­ng Kappler, den Anteil der verkauften Bücher, die die Kunden im Online-Shop erwerben. Diesen bietet die Buchhandlu­ng seit Herbst 2015 an. „Seit etwa eineinhalb Jahren gibt es eine klar steigende Tendenz“, erklärt Schulte. Sehr stark gefragt sei dabei auch in der Buchhandlu­ng der Trend „Click and Collect“: „Die Leute stöbern nachmittag­s und abends in unserem OnlineShop, bestellen dort und holen die Bücher dann am nächsten Tag ab, wenn sie wieder in die Stadt kommen.“

Schulte ist überzeugt davon, dass man trotz eigenem Online-Shop der Konkurrenz im Internet nur über guten Service Paroli bieten kann. Deswegen funktionie­re die Verknüpfun­g zwischen Online und Offline in der Buchhandlu­ng auch in die andere Richtung: So kann man bei ihr zum Beispiel auch ein E-Book im Geschäft kaufen und bar bezahlen, erklärt Schulte schmunzeln­d.

Auch Jüngere kaufen vor Ort

Laut einer Mitteilung des Handelsver­bandes hat eine aktuelle Studie („Consumer Insights 2018 – was sich deutsche Verbrauche­r wünschen“) des Wirtschaft­sprüfungsu­nternehmen­s Pricewater­house Coopers (PWC) übrigens ergeben, dass insbesonde­re jüngere Konsumente­n trotz digitaler Vernetzung verstärkt wieder in den Geschäften vor Ort einkaufen. Allerdings haben sie laut der PWC-Studie an den stationäre­n Handel Wünsche, etwa eine bessere Verknüpfun­g zwischen Online und Offline in den jeweiligen Geschäften vor Ort.

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FOTO: PATRICK MÜLLER
 ?? FOTO: PATRICK MÜLLER ?? Hans-Joachim Fessler im Ladengesch­äft in der Innenstadt, das dank des zusätzlich­en Online-Handels erhalten bleiben konnte.
FOTO: PATRICK MÜLLER Hans-Joachim Fessler im Ladengesch­äft in der Innenstadt, das dank des zusätzlich­en Online-Handels erhalten bleiben konnte.

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