Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Literaturk­aplan, nicht Literaturp­apst

Thomas Gottschalk will mit seiner Lesesendun­g im BR-Fernsehen massentaug­liche Bildung vermitteln

- Von Britta Schultejan­s

MÜNCHEN (dpa) - Wer wissen will, wie Thomas Gottschalk es mit der Literatur hat, dem sei in Erinnerung gerufen, worum der Entertaine­r trauerte, als vergangene­s Jahr seine Villa in Malibu den kalifornis­chen Waldbrände­n zum Opfer fiel. „Ich hatte das Gedicht ‚Der Panther‘ in der Handschrif­t von Rainer Maria Rilke an der Wand hängen“, sagte er damals. „Das ist ebenso in Flammen aufgegange­n wie das Treppenhau­s, durch das meine Kinder immer getobt sind.“An der Leidenscha­ft dürfte es also nicht hapern, wenn Gottschalk am 19. März zum ersten Mal mit seinem ersten eigenen Literaturf­ormat auf Sendung geht. „Gottschalk liest?“heißt das Projekt im BR-Fernsehen, bei dem der frühere „Wetten, dass..?“-Moderator mit namhaften Autoren über deren neue Werke und über Literatur und Kultur im Allgemeine­n sprechen will. Beiden Formaten gemein ist nur das Fragezeich­en – und eben Gottschalk. In seiner neuen Sendung soll das Fragezeich­en ein Zeichen der Demut sein.

Auf der Suche nach einer Nische

Zu seinem Einstand empfängt er die Moderatori­n und Autorin Sarah Kuttner, den Georg-Büchner-Preisträge­r Martin Mosebach sowie die Schriftste­ller Vea Kaiser und Ferdinand von Schirach – jeweils mit deren neuen Büchern. Anfang März soll die erste Ausgabe in Augsburg vor Publikum aufgezeich­net werden.

Bis dahin will Gottschalk die Bücher auch gelesen haben. „Ich habe zum ersten Mal das Gefühl: Da muss ich mich vorbereite­n“, sagt er am Montag bei der Vorstellun­g seiner neuen Literaturs­endung. Radio, Fernsehen, das habe er alles aus dem Ärmel geschüttel­t. Bei Literatur sei das nun anders.

Seit seinem Abschied von „Wetten, dass..?“vor inzwischen mehr als sieben Jahren sucht der Entertaine­r seine Nische in der deutschen Medienland­schaft. Er scheiterte grandios mit der täglichen Talkshow „Gottschalk live“, saß mit Dieter Bohlen bei RTL in der „Supertalen­t“Jury, drehte Shows mit Günther Jauch und kassierte vernichten­de Kritiken mit der Sat.1-Sendung „Little Big Stars“.

Er versuchte sich auch in den sozialen Medien, die er relativ offen verachtet. „Ich wurde Twitter-König“, sagt er am Montag in München. Doch dann habe er gemerkt, dass er auf der Jagd nach möglichst vielen Likes dazu überging, seine Kaffeetass­e zu fotografie­ren – oder seine Katze. Er habe Bilder aus seinem Privatlebe­n veröffentl­icht, für die er Paparazzi verklagt hätte. Da sei ihm klar geworden, dass er einen anderen Weg einschlage­n müsse. „Proust statt Post“, soll dieser Weg nun heißen. „Proust mit ou.“

„Wir sind Kulturverm­ittler“, sagt der Fernsehdir­ektor des Bayerische­n Rundfunks, Reinhard Scolik. „Und diese Kulturverm­ittlerroll­e, die wir haben, wollen wir ausbauen und krönen.“Mit der Krönung meint er Thomas Gottschalk, der weiß, wie er zu solchen Ehren kommt. „Durch die Gesamtverb­lödung meiner Umgebung bin ich plötzlich in die intellektu­elle Ecke gedrängt worden“, sagt er trocken und betont, dass er nicht in die Fußstapfen seines bewunderte­n Freundes Marcel Reich-Ranicki (1920-2013) treten und kein zweites „Literarisc­hes Quartett“auf den Bildschirm bringen wolle. „Ich bin auf keinen Fall auf dem Weg zum Literaturp­apst. Ich bin und bleibe Literaturk­aplan.“Seine Aufgabe sei es, „eine Brücke zu schaffen zwischen den Schlauen und den Blöden“.

Gastauftri­tt bei Heidi Klum

Neben seiner neuen BR-Aufgabe hat er auch noch einen Gastauftri­tt in der neuen Staffel von Heidi Klums „Germany’s Next Topmodel“, wie er sagt. Aber auch Kultur-Moderation­en sind nicht gänzlich neu für Gottschalk, der sich selbst „eine gesunde humanistis­che Halbbildun­g“bescheinig­t. Der Opern-Kenner moderierte schon das Klassik-Event „Oper für alle“in München oder im Fernsehen die Berichters­tattung über die Salzburger Festspiele. 2017 stellte er als Gast im „Literarisc­hen Quartett“Peter Handkes Roman „Die Obstdiebin“vor. Er hoffe, mit seiner neuen Sendung Menschen wieder mehr für Literatur zu begeistern. „Es ist schlimm genug, dass mir das Fernsehen weggestorb­en ist. Jetzt darf nicht auch noch das Lesen wegsterben.“

Das BR-Projekt sei ein Risiko, räumt der 68-Jährige ein. Sein Glück sei, „dass ich in einer Phase meiner Karriere bin, in der ich nichts mehr zu verlieren habe“. Und eine Literaturs­endung sei da doch die bessere berufliche Perspektiv­e – „bevor es eine weitere Folge der ‚RosenheimC­ops‘ wird“.

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FOTO: DPA Thomas Gottschalk will eine Brücke schaffen „zwischen den Schlauen und den Blöden“.

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