Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Islanders werden unberechenbarer
Nicht nur eitel Sonnenschein nach dem Fünf-Punkte-Wochenende in der Eishockey-Oberliga
LINDAU - Des einen Freud, des anderen Leid: So könnte man die Gemütslage der Verantwortlichen und Eishockeyfans in Lindau und Höchstadt nach dem Spielwochenende auf den Punkt bringen. Während im Kampf um die Play-off-Teilnahme in der Oberliga Süd die Islanders mit zwei Siegen einen Riesenschritt nach vorne machten, ist beim mittelfränkischen Konkurrenten Wunden lecken angesagt. Wobei sich, vor allem mit Blick auf den Sonntagabend, zumindest in der Führungsriege des Lindauer Eislaufvereins auch nachdenkliche Stimmen zu Wort melden.
Ein Stein des Anstoßes: die Spielszene, die zum 7:5-Siegtreffer gegen Höchstadt führte. Kleiner Rückblick: Exakt 45 Sekunden vor der Schlusssirene entscheidet das Schiedsrichtergespann auf Bully, rechts vor dem Kasten von EVL-Goalie David Zabolotny. Die Spielunterbrechung nutzen Islanders-Spielercoach Chris Stanley und EVL-Kontingentmann Fredrik Widen zu einem kurzen, jedoch folgenträchtigen Plausch.
Widen, erzählt Stanley später, habe ihn gefragt, ob er sich zutraue, auch dieses Bully zu gewinnen. Der Spielertrainer nickt ihm zu, woraufhin ihn Widen in seinen Plan einweiht, im Falle des Bully-Gewinns den Versuch zu wagen, die Scheibe direkt ins leere Höchstadter Gehäuse zu bugsieren. Gesagt, getan: Chris Stanley setzt sich wenig später am Bullypunkt durch und schiebt die Scheibe zurück zu seinem Teamkollegen. Der hält drauf und netzt zum Empty-net-Goal für Lindau ein. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn der Puck nicht seinen Weg ins gegnerische Tor gefunden hätte.
Zwar hätten die Islanders mit der erfolglosen Aktion geschätzte fünf Sekunden von der Uhr wegnehmen können. Doch hätte dies erneut Icing im eigenen Drittel bedeutet, bei noch rund 40 Sekunden Spieldauer. Besser, meinte Bernd Wucher am anderen Tag, wäre es gewesen, wie schon im Jugendeishockey beigebracht wird, das Spielgerät im hohen Bogen in die Nähe des Mittelkreises zu befördern und sich dabei sogleich entlang der eigenen blauen Linie zu positionieren, um den eigenen Rückraum zuzumachen. Die Aktion, die zum 7:5 führte, sei sehr risikobehaftet gewesen, so der EVL-Vorsitzende.
Immerhin kamen die weniger als 700 erschienenen Zuschauer am Sonntagabend nach langer Zeit wieder mal voll auf ihre Kosten, erlebten ein „Spektakel“(Wucher) auf dem Eis mit zwölf Toren, engem Spielverlauf, einem Happy End und dem eroberten achten Play-off-Rang. „Wir spielen oft kein euphorisches Eishockey. Es waren teils Auftritte mit wenig Emotionen“, wollte Bernd Wucher vor dem Wochenende einen der Gründe ausgemacht haben, warum die Zuschauerzahlen in der Lindauer Eissportarena während der laufenden Saison im Schnitt unterhalb der angepeilten 800er-Marke verharren.
„Zu viele Geschenke verteilt“
Das ist jedoch auch dem sogenannten „System“geschuldet, innerhalb dessen Chefcoach Chris Stanley mit seiner Mannschaft arbeitet – auf den Punkt gebracht: Möglichst wenig nach hinten zulassen, Defensive ist Trumpf. „Die ersten zwei Drittel waren eine Katastrophe. Da haben wir zu viele Fehler gemacht und Geschenke verteilt“, analysierte Stanley mit Blick auf die Gegentreffern durch Höchsttadt. Anders erlebten es die Zuschauer, die sich vom offenen Schlagabtausch beider Mannschaften mehr als angetan zeigten.
Im Ergebnis bleibt also festzuhalten: Die Islanders sind auf gutem Wege, den Sprung in die Play-offs der deutschen Eishockey-Oberliga zu schaffen – was der größte Erfolg in der Vereinsgeschichte überhaupt wäre. Sie sind jedoch auch unberechenbarer geworden, nicht zuletzt nach dem Derbysieg in Memmingen. Wenige Tore oder gar Auswärtsschwäche ist allerspätestens nach diesem Wochenende nicht mehr das Markenzeichen des EV Lindau.