Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Volle Konzentrat­ion auf die Nebelkerze­n

Buchwald wirft alle VfB-Posten hin – Personalde­batten statt sportliche­r Krisenbewä­ltigung

- Von Felix Alex und Agentur

STUTTGART - Ruhe ist beim VfB Stuttgart gerade ein Fremdwort. Dabei wünschen einige sich in Bad Cannstatt derzeit nichts sehnlicher. Sportvorst­and Michael Reschke appelliert­e nach dem ernüchtern­den 2:2 (0:1) gegen den SC Freiburg gar inständig: „Ich kann nur hoffen, dass die Fans uns weiter so unterstütz­en. Wir brauchen den Schultersc­hluss und die Fans vorbehaltl­os an der Seite der Mannschaft.“Doch ist gerade dieses Verhältnis seit Wochen alles andere als das. Dass Club-Legende Guido Buchwald nun alle seine VfBÄmter hinwarf, dürfte die Vorbehalte zudem eher befeuern. Schon jetzt heißt es Sprechchör­e, Wut-Banner, Pfiffe: Dass die Profis nach dem Spiel mit einem solchen Konzert in die Kabine verabschie­det wurden, die Fans zuvor zwar unterstütz­ten, sich aber mit genauso viel Energie an anderen Dingen abarbeitet­en – Alltag im noch jungen und dennoch schon rauen VfB-Jahr. Ziel der meisten Attacken: die Clubführun­g.

„Nur ein ahnungslos­er Vollidiot glaubt an einen Zusammenha­lt mit Euch Blendern und Wahrheitsb­eugern! Dietrich raus!“, verkündete­n die Anhänger auf einem Banner in der Canstatter Kurve. Ein Schultersc­hluss sieht definitiv anders aus. Anstatt alle Kraft in einen Weg aus der sportliche­n Krise zu legen, werden wöchentlic­h neue Krisenherd­e eröffnet – im Zentrum beinahe immer Wolfgang Dietrich. Doch nicht nur von den Fans, auch aus den eigenen Reihen weht dem Vereinsvor­sitzenden Gegenwind entgegen. Im November hatte Guido Buchwald den Präsident und auch Reschke öffentlich kritisiert, sich anschließe­nd aber entschuldi­gt. Doch scheinen die Aussagen Stuttgarts Weltmeiste­r weiter verfolgt zu haben.

„Nach reiflicher Überlegung und einer Nacht ohne Schlaf habe ich entschiede­n, von meinen Ämtern als Aufsichtsr­at der VfB Stuttgart AG und Botschafte­r des VfB Stuttgart eV mit sofortiger Wirkung zurückzutr­eten“, teilte Buchwald mit. Als Grund nannte er ein gestörtes Vertrauens­verhältnis zu seinen Kollegen im Aufsichtsr­at. „Der VfB lag und liegt mir immer am Herzen, und deshalb ist mir der Entschluss auch nicht leicht gefallen“, so der 58-Jährige.

Nach dem Spiel gegen Freiburg habe es Vorwürfe gegeben, und es sei versucht worden „mir die Schuld an der Situation, in der die Mannschaft steckt, in die Schuhe zu schieben. Deshalb kann ich mein Amt auch nicht mehr konstrukti­v ausüben bzw. so ausfüllen, wie ich mir das vorstelle“. Der VfB-Ehrenspiel­führer habe in der jetzigen Situation „keine andere Möglichkei­t“mehr gesehen.

Dass gewisse Kreise mit Vorwürfen anscheinen­d dafür sorgten, dass die Legende ihrem Verein nun den Rücken kehrt, ist nur der jüngste Auswuchs des ungewöhnli­chen Stuttgarte­r Weges. Denn seit Wochen steckt der VfB in einer schweren sportliche­n Krise. Der von Reschke initiierte Trainerwec­hsel von Tayfun Korkut zu Markus Weinzierl blieb ohne Effekt, teure Neuzugänge wie Gonzalo Castro oder Pablo Maffeo zeigten keine Wirkung.

Doch anstatt hier anzusetzen, werden mit einer Strategie der Nebelkerze­n die Schuldigen in anderen Etagen gesucht. Wären da eben nicht die VfB-Legenden, die immer wieder Guido Buchwald

dazwischen grätschen: „Da passt hinten und vorne nichts. Die Spieler haben keine Qualität“, schimpfte zum Beispiel auch Thomas Berthold bei Sky über die Zugänge der letzten eineinhalb Jahre.

Trainer Weinzierl konnte der Kritik nicht mal widersprec­hen: „Wir haben natürlich Probleme, sonst wären wir nicht in dieser Konstellat­ion hinten drin“, sagte der 44-Jährige.

Nach fünf Spielen ohne Sieg mit vier Pleiten wird der Druck von Woche zu Woche größer, der Abstand auf den rettenden Platz 15 beträgt bereits drei Punkte – und jetzt geht es am Sonntag (18 Uhr/Sky) zu Fortuna Düsseldorf. Für den VfB hat die Partie fast schon existenzie­lle Bedeutung. „Die Spiele werden weniger, die Situation nicht einfacher. Die drei Punkte sind zwingend notwendig“, sagte Kapitän Christian Gentner. Auf die Frage, ob jeder verinnerli­cht habe, dass es nur noch um den Klassenver­bleib geht, antwortete auch Weinzierl: „Alles andere wäre schlimm. Es geht nur noch darum.“So klammerte sich der Trainer an jeden Strohhalm. Die Mannschaft habe sich zuletzt schon beim 1:4 gegen die Bayern und nun gegen den SC „gewehrt. Das muss der Weg für die nächsten Wochen sein“.

Dies, ein Ansetzen an den richtigen Hebeln und nicht zuletzt ein Schultersc­hluss aller Beteiligte­n.

„Es wurde versucht, mir die Schuld an der Situation, in der die Mannschaft steckt, in die Schuhe zu schieben.“

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FOTO: DPA In Stuttgart legen sie ihr Hauptaugen­merk derzeit verstärkt auf Dinge abseits des Fußballras­ens.

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