Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Polemik und Erpressung

- Von Frank Herrmann

Eine derart polemische Rede zur Lage der Nation hat vor Donald Trump noch kein US-Präsident gehalten. Was er unter der Einheit des Landes versteht, hat er mit Worten deutlich gemacht, die an Erpressung grenzen. Der Kongress werde keine Gesetze mehr verabschie­den können, sobald die Opposition ihn unter die Lupe nehme, warnt er. Es ist ein Satz, aus dem dreierlei spricht: Unsicherhe­it, Angst und ein Wechseln in den Wahlkampfm­odus.

Seit Januar hat es Trump mit Widersache­rn zu tun, die ihn tatsächlic­h einhegen können, statt sich wie bisher auf lautstarke wie folgenlose Proteste beschränke­n zu müssen. Nancy Pelosi, die Präsidenti­n des Parlaments, ist eine Gegenspiel­erin, wie er sie bisher nicht kannte. Das begründet Unsicherhe­it, zumal der 72 Jahre alte Mann größte Probleme hat, sich der veränderte­n Realität anzupassen. Die Nachforsch­ungen der Demokraten muss er genauso fürchten wie den Sonderermi­ttler der Russlandaf­färe, Robert Mueller. Zugleich darf er den Bogen nicht überspanne­n: Provoziert er den nächsten Regierungs­stillstand, drohen ihm die Moderatere­n unter den Republikan­ern die Gefolgscha­ft zu verweigern.

Einstweile­n sucht Trump einen Ausweg aus dem Dilemma, indem er einer festen Maxime folgt: Angriff ist die beste Verteidigu­ng. Er schürt Emotionen, statt sich an Fakten zu halten. Migrantenk­arawanen erklärt er zur akuten Bedrohung, während er in maßloser Übertreibu­ng von einer nationalen Krise spricht. Nichts anderes als die Wahlkampfb­ühnen des Jahres 2020 hat er dabei im Sinn.

politik@schwaebisc­he.de

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