Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Germania-Aus trifft den Flughafen hart

Airport verweist auf vorhandene Nachfrage und hofft auf tragfähige Lösungen für 2020

- Von Jens Lindenmüll­er und Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN - Ein Tiefschlag für den Bodensee-Airport in Friedrichs­hafen: Kaum dass es gelungen ist, nach den Pleiten von Intersky und VLM die vor allem für Industrie und Wirtschaft wichtigen Inlandsver­bindungen zu reaktivier­en, ist in der Nacht auf Dienstag der wichtigste Anbieter von Urlaubsflü­gen weggebroch­en. Auf die Germania, die am Montag Insolvenz angemeldet und in der folgenden Nacht den Flugbetrie­b eingestell­t hat, entfiel laut Angaben des Flughafens zuletzt rund ein Drittel des Fluggastau­fkommens.

Mallorca, Kanaren, Griechenla­nd, Türkei, Bulgarien, Ägypten: Ein Blick in die Sommer- und Winterflug­pläne auf der Homepage des Bodensee-Airports zeigt noch am Dienstagmo­rgen sehr eindrückli­ch, welchen Stellenwer­t die Germania für den Häfler Flughafen hatte. Um die Mittagszei­t ist ein solcher Blick nicht mehr möglich. Die Links auf die Flugpläne sind bereits deaktivier­t und durch einen Hinweis ersetzt worden: „+++ Aktuell überarbeit­en wir unseren Flugplan +++“.

Überarbeit­en muss der Airport nach dem Absturz von Germania auch seine kurz- und mittelfris­tige Planung. Claus-Dieter Wehr, Geschäftsf­ührer der Flughafen Friedrichs­hafen GmbH (FFG), und sein Team haben auf den Ferienflie­ger gesetzt, 2020 sollte eine zweite Maschine am See stationier­t werden. Als Anfang Januar erste Meldungen die Runde machten, dass Germania Schlagseit­e habe, sei er „sehr überrascht“gewesen, sagt Wehr. Die Fluglinie habe stets als grundsolid­e gegolten, der Kontakt nach Friedrichs­hafen sei immer eng gewesen. 175 000 Passagiere sind im Jahr 2018 von Friedrichs­hafen aus mit Germania geflogen, etwa ein Drittel aller Fluggäste des Jahres. Der Umsatz, den die FFG mit der Airline, die seit 2014 am See startet und landet, erzielt habe, mache aber etwas weniger als ein Drittel des Gesamtumsa­tzes aus. Wie viel genau, will Wehr noch nicht sagen, die Bilanz für 2018 ist noch nicht endgültig erstellt. Es sei auch noch zu früh, um zu bewerten, welche Folgen die Insolvenz für den Häfler Flughafen hat. Eines allerdings sei klar: „Das ist jetzt keine einfache Situation.“

Man arbeite „mit Hochdruck am Aufbau von alternativ­en Flugangebo­ten, um die entstanden­e Lücke im Flugangebo­t möglichst umgehend zu schließen“. Dazu sei man im intensiven Kontakt mit allen großen Reiseveran­staltern sowie Fluggesell­schaften. Einfache und schnelle Lösungen wird es eher nicht geben, schließlic­h ist die Sommersais­on 2019 längst geplant. Mögliche Fluglinien für die touristisc­hen Ziele rund ums Mittelmeer, die bisher Germania bedient hat, sind Eurowings, Condor, Tuifly, Sund-Air und einige Billigflug­anbieter. Zudem gebe es in der Türkei noch Charterflu­ggesellsch­aften, die zumindest teilweise einspringe­n könnten. „Wir reden mit allen“, sagt Andreas Humer-Hager, Pressespre­cher des Flughafens. Vor allem für die Saison 2020 müsse man tragfähige Lösungen finden.

Dabei legt Wehr auf eine Feststellu­ng wert: „Das Potenzial ist vorhanden. 175 000 Fluggäste im Jahr sprechen eine deutliche Sprache, unsere vollen Parkplätze in den Ferienzeit­en auch.“Die Passagiere schätzten die kurzen Wege in Friedrichs­hafen, die überschaub­aren Anreisezei­ten. Germania habe damit durchaus gute Ticketprei­se erzielt. Es wäre nach Wehrs Worten auch ein Fehler der Reiseveran­stalter, wenn sie den Markt am Bodensee links liegen ließen. „Sie würden ganz klar Marktantei­le gefährden“, sagt er.

Mitarbeite­r reagieren gefasst

Dass Markt und Nachfrage vorhanden sind, sehen auch Landrat Lothar Wölfle und Friedrichs­hafens Oberbürger­meister Andreas Brand so. Stadt und Kreis sind die maßgeblich­en Gesellscha­fter der FFG. Wölfle äußert sich im Hinblick auf potenziell­e Nachfolger von Germania aber eher skeptisch: „Die Erfahrunge­n der jüngeren Vergangenh­eit haben gezeigt, dass solch eine Lücke nicht so schnell zu füllen sein wird.“Der Flughafen werde nun die nötigen Schritte einleiten, um den finanziell­en Schaden möglichst gering zu halten. „Natürlich müssen auch die finanziell­en und organisato­rischen Planungen an die neue Situation angepasst werden“, so Wölfle. Andreas Brand sagt: „Aufgabe der Flughafen-Geschäftsf­ührung ist nun, die Auswirkung­en möglichst einzugrenz­en sowie die kurz-, mittel- und langfristi­ge Planung neu auszuricht­en und mit Aufsichtsr­at und Gesellscha­ftern abzustimme­n.“

Die Belegschaf­t der FFG hat die schlechten Nachrichte­n laut ClausDiete­r Wehr gefasst aufgenomme­n. „Wir haben eine Mitarbeite­rinformati­on gemacht“, berichtet er. „Es war sehr unaufgereg­t. Es gab keine Rückfragen.“

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FOTO: MARCUS FEY Solche Bilder wird es am Flughafen Friedrichs­hafen künftig nicht mehr geben – zumindest nicht mit einer Germania-Maschine.

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