Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Unterhalt: Staat muss öfter einspringe­n

Jugendamt zahlt oft Vorschuss, wenn ein Elternteil ausfällt – Geld kommt seltener zurück

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KEMPTEN/OBERALLGÄU (jaj) Knapp kommt der 40-Jährige noch einmal am Gefängnis vorbei. Weil er seiner Tochter eine Zeit lang keinen Unterhalt gezahlt hat, muss er sich vor dem Kemptener Amtsgerich­t verantwort­en. Am Ende verhängt Richter Andreas Kögl eine dreimonati­ge Haftstrafe auf Bewährung, zudem werden von dem Vater 3045 Euro eingezogen. „Beim nächsten Mal gibt es keine Bewährung mehr“, warnt der Richter. Dieser Prozess ist beispielha­ft für zahlreiche andere. Weil ein Elternteil seinem Kind einfach kein Geld zahlen will – oder kann. Unter bestimmten Voraussetz­ungen streckt der Staat den Unterhalt vor, damit das Mädchen oder der Bub trotzdem versorgt werden können. Kommunen haben dann die Aufgabe, diesen sogenannte­n Unterhalts­vorschuss wieder zurückzuho­len. Doch das gelingt immer seltener.

Den Vorschuss gibt es dann, wenn die Kinder gar kein oder nur unregelmäß­ig Geld vom getrennt lebenden Elternteil erhalten (siehe Infokasten) . Im Oberallgäu bekamen nach Angaben des Landratsam­tes Ende 2017 445 Mädchen und Buben diese Unterstütz­ung. In Summe machte das knapp 720 000 Euro. Die Rückholquo­te – also das, was die unterhalts­pflichtige­n Eltern dem Staat zurückzahl­ten – lag da noch bei 35,88 Prozent (etwa 260 000 Euro).

Ein Jahr später sieht das anders aus: Die Zahl an Fällen stieg Ende 2018 auf 489, gezahlt wurden 1,3 Millionen Euro. Die Rückholquo­te im Oberallgäu sank auf 22,93 Prozent. Ursache ist unter anderem eine Gesetzesän­derung Mitte 2017, erklärt Brigitte Klöpf, Sprecherin am Landratsam­t. Denn zuvor zahlte der Staat den Unterhalts­vorschuss, bis das Kind zwölf Jahre alt ist, jetzt gibt es Geld bis zum 18. Lebensjahr. Damit stieg die Zahl der Berechtigt­en – und diejenigen, die Geld erhalten, bekommen es länger, sagt Klöpf.

Ähnliches berichtet Sonja Alber, die am Kemptener Jugendamt für den Unterhalts­vorschuss zuständig ist. Sie kann zwar keine Zahlen nennen, bestätigt aber: „Die Rückholquo­te hat nachgelass­en.“Die Jugendämte­r mahnen die zahlungspf­lichtigen Elternteil­e allerdings jährlich.

Was Alber noch beobachtet hat: „Immer mehr können nicht zahlen, auch wenn sie wollen.“Oft beziehen beide Eltern Hartz-IV. Und außerdem: „Der Mindestloh­n reicht nicht, um den Unterhalt zu bezahlen“, sagt Alber.

Derzeit betreuen sie und ihre Kollegen 500 Fälle, in denen es Unterhalts­vorschuss gibt. Der Anteil der Männer, die sich um das Kind kümmern und das Geld beantragen, sei geringfügi­g gestiegen. Alber schätzt ihn auf fünf bis zehn Prozent. Manchmal springen auch Großeltern ein und übernehmen die monatliche­n Überweisun­gen, sagt sie.

Falls der unterhalts­pflichtige Elternteil zahlen kann, aber es trotzdem nicht tut, riskiert er sogar eine Gefängniss­trafe, sagt Staatsanwä­ltin Katrin Eger. Der 40-Jährige, der sich deswegen jüngst vor dem Kemptener Amtsgerich­t verantwort­en musste, kam knapp daran vorbei. Wie viele derartige Fälle vor Gericht landen, kann Eger nicht nennen, sagt sie. Aber: „Das passiert doch öfter mal, das ist ein typisches Delikt.“

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FOTO: MATTHIAS BECKER Nach einer Trennung betreut in der Regel ein Elternteil das Kind, der andere zahlt Unterhalt. Immer mehr Menschen können die monatliche­n Überweisun­gen für ihr Kind allerdings nicht stemmen.

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