Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Kartellamt zeigt Facebook Grenzen auf
Wettbewerbshüter schränken Datensammlung durch Internet-Riesen ein – Lob von Experten
BONN/RAVENSBURG - Das Bundeskartellamt will Facebook bei der Verarbeitung und Nutzung von Daten anderer Internetseiten einschränken. „Wir nehmen bei Facebook für die Zukunft eine Art innere Entflechtung bei den Daten vor“, sagte der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, am Donnerstag in Bonn. Das US-Unternehmen dürfe „seine Nutzer künftig nicht mehr zwingen, einer faktisch grenzenlosen Sammlung und Zuordnung von Nicht-Facebook-Daten zu ihrem Nutzerkonto zuzustimmen“, sagte der Chef der Wettbewerbsbehörde. Der Umfang, mit dem Facebook Daten ohne Einwilligung der Nutzer sammelt, sei „missbräuchlich“. Facebook kündigte an, juristisch gegen diese Auflagen vorzugehen.
Die Datensammlung betrifft nicht nur konzerneigene Dienste wie WhatsApp oder Instagram, sondern alle Internetseiten, die einen Gefälltmir-Button von Facebook integriert haben. Daten würden schon dann übermittelt, wenn Facebook-Nutzer diese Internetseite nur aufriefen, erklärte Mundt. Diese Kombination der Datenquellen habe maßgeblich zu Facebooks Marktmacht geführt. Laut Kartellamt hatte Facebook im Dezember 2018 weltweit täglich 1,52 Milliarden und monatlich 2,32 Milliarden aktive Nutzer, in Deutschland waren es 23 Millionen täglich und 32 Millionen monatlich. Damit habe Facebook einen täglichen Marktanteil von mehr als 95 Prozent.
Lob kommt von Experten. Rupprecht Podszun, Professor des Instituts für Kartellrecht der Uni Düsseldorf, sagte der „Schwäbischen Zeitung“, die Entscheidung treffe „einen Silicon-Valley-Giganten ins Herz sei- nes Geschäftsmodells“. Mundt und Kollegen befänden sich auf „juristischem Neuland“. Das Kartellrecht verbiete, dass ein marktmächtiges Unternehmen seine Kunden ausbeutet. Normalerweise kämen solche Fälle jedoch eher im Energiebereich vor, „etwa wenn ein Stromanbieter, der Monopolist ist, zu hohe Preise nimmt“. Nun argumentiere das Kartellamt mit einer Ausbeutung durch das Abgreifen zu vieler Daten. „Diese Verzahnung von Datenschutz und Wettbewerb ist etwas wirklich Neues, aber es ist konsequent“, sagte Podszun.
BERLIN - Das Bundeskartellamt macht Ernst: Das soziale Netzwerk Facebook missbrauche mit der Sammlung von Daten, die das Unternehmen von anderen Webseiten oder von zum Konzern gehördenden Plattformen bezieht, seine marktbeherrschende Stellung. Facebook wehrt sich – und geht wohl vor Gericht.
Was genau hat das Bundeskartellamt entschieden?
Das Kartellamt verbietet Facebook nicht, Daten zu sammeln. Internetnutzer müssen Facebook jedoch ausdrücklich erlauben, persönlichen Nutzungsdaten aus unterschiedlichen Diensten und Webseiten zusammenzuführen. Das gilt auch für Tochterunternehmen wie Whatsapp und Instagram. Geben Nutzer eine solche Erlaubnis nicht ab, müssen sie nach dem Willen der Wettbewerbshüter die Dienste weiterhin nutzen dürfen.
Wieso die Auflagen?
Aus Sicht des Kartellamts hat Facebook eine marktbeherrschende Stellung in Deutschland. Diese Dominanz werde mit der Verknüpfung der Daten von externen Webseiten missbraucht. Facebook ist für Nutzer und Werbekunden unersetzlich, argumentiert das Kartellamt. Darunter leide auch der Wettbewerb, weil Konkurrenten gar nicht erst die Chance bekämen, sich zu etablieren. Die Nutzer wiederum könnten nicht auf andere Netzwerke ausweichen, weil es keine Alternative gebe.
Was wird sich verändern?
Zunächst gar nichts, denn das USUnternehmen hat ein Jahr Zeit, die Vorgaben umzusetzen. Außerdem hat Facebook bereits Beschwerde angekündigt. Langwierige Gerichtsverfahren sind zu erwarten. Sollte das Kartellamt sich aber durchsetzen, müsste Facebook jedes Mal um Erlaubnis bitten, wenn es Daten verknüpfen will. Denkbar wäre beispielsweise eine Lösung zum Klicken, wie sie viele Internetseiten bereits für Cookies eingeführt haben. Die Kontrolle der Nutzer über ihre Daten wächst also.
Um welche Daten geht es?
Bei jeder Anmeldung bei einem der Facebook-Dienste hinterlassen Nutzer Namen, Telefonnummern und EMail-Adressen. Außerdem analysiert das Netzwerk jeden „Gefällt mir“-Klick, jedes Foto und jeden Kommentar, den die Nutzer hinterlassen. Schon das erlaubt Facebook, ein ziemlich genaues Profil seiner Nutzer anzulegen. Das Netzwerk weiß etwa, welche Stars und Marken ein Nutzer mag, welchen politischen Parteien er nahe steht und wo er sich aufhält. Dazu kommen die Daten, die Facebook von anderen Webseiten erhält. Wer sich etwa bei anderen Diensten über sein Facebook-Konto einloggt, auf Shopping-Seiten surft, die den „Gefällt mir“-Button eingebunden haben, oder Internetseiten besucht, die mittels der Software „Facebook Analytics“das Verhalten der Nutzer ausleuchtet, der gibt Facebook weitere Informationen über sich preis. So kann der Konzern auch Menschen durchs Netz verfolgen, die gar kein Facebook-Konto haben. Aus der Analyse des Nutzungsverhaltens soll Facebook sogar Informationen wie sexuelle Orientierung, Krankheiten oder die Neigung zu Drogenkonsum ableiten können.
Drohen Nutzern wegen der Vorgaben Einschränkungen?
Weil die Regelungen nur in Deutschland gelten, befürchtet der Digitalverband Bitkom, dass die Bundesrepublik zur „Sonderzone“werden könnte. Die Vorgaben zur Einwilligung durch die Nutzer könnten Dienstleistungen für andere Webseiten wie die Login-Funktion via Facebook oder den „Gefällt mir“-Button unattraktiv machen. Sollte Facebook diese Funktionen in Deutschland abschalten, könnte das dann vor allem kleinere Unternehmen, Verlage und Blogger treffen, die über diese Instrumente im Netz leichter aufzufinden sind und dadurch zusätzliche Reichweite bekommen. Die USDenkfabrik ITIF warnt sogar, deutsche Internetnutzer könnten bei einer zu strengen Regulierung der großen Internetfirmen von künftigen Neuerungen komplett ausgeschlossen werden.