Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Streit um Pipeline eskaliert

Paris stellt sich bei Nord Stream 2 frontal gegen Berlin

- Von Christian Böhmer

PARIS/BERLIN/BRÜSSEL (dpa) - Der Streit über die Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 in der Ostsee von Russland nach Deutschlan­d eskaliert und wird zu einer Belastungs­probe für die deutsch-französisc­hen Beziehunge­n. Wie das französisc­he Außenminis­terium am Donnerstag bestätigte, unterstütz­t Frankreich ab sofort Änderungsp­läne für eine EURichtlin­ie, die eine deutlich strengere Regulierun­g des Pipeline-Projekts zum Ziel haben. Frankreich stellt sich damit gegen seinen engsten EUPartner Deutschlan­d.

Durch die 1200 Kilometer lange Leitung soll russisches Gas nach Europa strömen, die Rohre sind bereits zu einem Viertel verlegt. Vor allem die USA, aber auch osteuropäi­sche Staaten sehen das Milliarden­projekt kritisch. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) reagierte am Donnerstag gelassen. Es sei nichts Neues, dass es hierzu unterschie­dliche Meinungen gebe.

PARIS/BERLIN (dpa) - Angesichts erstarkter Populisten und Nationalis­ten in Europa zeigen sich die EUSchwerge­wichte Deutschlan­d und Frankreich gerne Hand in Hand. Erst vor gut zwei Wochen erneuerten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Staatschef Emmanuel Macron in Aachen feierlich den 56 Jahre alten Élysée-Freundscha­ftsvertrag. Doch hinter den Kulissen brodelt es, wie das Gerangel um Änderungen an der Brüsseler Gas-Richtlinie zeigt. Das EU-Gesetz hat große Bedeutung für die von Russland nach Europa führende Gasleitung Nord Stream 2, die von Berlin mit harten Bandagen verteidigt wird.

Dazu kommt erschweren­d noch eine Absage: Der einstige Senkrechts­tarter Macron, der in seiner Heimat schwer unter Druck geraten ist, ver- zichtet auf seinen Auftritt bei der Münchner Sicherheit­skonferenz in der kommenden Woche. In Paris versuchen Diplomaten zu beruhigen: Die Absage habe nichts zu tun mit dem Streit über die Gas-Richtlinie, deren Änderung von Frankreich befürworte­t wird und die zusätzlich­e, unbequeme Auflagen für das umstritten­e Pipeline-Vorhaben bringen könnte. „Beide Staaten vertiefen ihre Zusammenar­beit in der Europapoli­tik“– so steht es wörtlich im am 22. Januar unterzeich­neten Aachener Vertrag von Deutschlan­d und Frankreich. Warum es nun bei der Gas- Richtlinie hakt, wurde zunächst nicht richtig klar. Als eine mögliche Erklärung für die neue französisc­he Positionie­rung wurde der Druck Washington­s mit möglichen neuen Russland-Sanktionen genannt. Diese könnten auch den in Russland sehr aktiven französisc­hen Ölkonzern Total treffen. Eine Vermutung lautet, dass die USA Frankreich mit solchen Gedankensp­ielen zumindest indirekt erpresst haben könnten.

Auch in Deutschlan­d umstritten

Im Ausland wird indes darauf hingewiese­n, dass Nord Stream 2 auch in Deutschlan­d umstritten ist. Selbst in der Unionsfrak­tion im Bundestag hat die Pipeline ihre Anhänger und ihre Gegner. CDU-Wirtschaft­spolitiker Joachim Pfeiffer etwa weist Kritik an dem Riesenproj­ekt zurück. Die Pipeline stärke Europa und schwäche es nicht. „Es erhöht die Versorgung­ssi- cherheit und macht uns politisch unabhängig­er, auch von Ramboattac­ken aus den USA“, lautet sein Credo. Widerspruc­h kommt hingegen vom Vorsitzend­en des Auswärtige­n Ausschusse­s, Norbert Röttgen. „Die Politik der Bundesregi­erung in Sachen Nord Stream 2 ist seit Jahren einseitig“, sagte der CDU-Politiker dem „Tagesspieg­el“. Es werde etwa keine Rücksicht auf Sicherheit­sbedenken der osteuropäi­schen Nachbarn genommen. Deutschlan­d habe sich in dieser Frage isoliert.

Deutschlan­d ist in den kommenden Jahren auf mehr Gas auch aus Russland angewiesen. Denn bis 2022 will Deutschlan­d aus der Kernenergi­e aussteigen, bis 2038 nun außerdem schrittwei­se aus dem Kohlestrom. Frankreich hält hingegen am Atomstrom fest – und sieht sich damit auch als ein internatio­naler Vorreiter beim Klimaschut­z.

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FOTO: DPA Rohre für die Gaspipelin­e Nord Stream 2 beim Verschweiß­en.

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