Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Streit um Pipeline eskaliert
Paris stellt sich bei Nord Stream 2 frontal gegen Berlin
PARIS/BERLIN/BRÜSSEL (dpa) - Der Streit über die Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 in der Ostsee von Russland nach Deutschland eskaliert und wird zu einer Belastungsprobe für die deutsch-französischen Beziehungen. Wie das französische Außenministerium am Donnerstag bestätigte, unterstützt Frankreich ab sofort Änderungspläne für eine EURichtlinie, die eine deutlich strengere Regulierung des Pipeline-Projekts zum Ziel haben. Frankreich stellt sich damit gegen seinen engsten EUPartner Deutschland.
Durch die 1200 Kilometer lange Leitung soll russisches Gas nach Europa strömen, die Rohre sind bereits zu einem Viertel verlegt. Vor allem die USA, aber auch osteuropäische Staaten sehen das Milliardenprojekt kritisch. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reagierte am Donnerstag gelassen. Es sei nichts Neues, dass es hierzu unterschiedliche Meinungen gebe.
PARIS/BERLIN (dpa) - Angesichts erstarkter Populisten und Nationalisten in Europa zeigen sich die EUSchwergewichte Deutschland und Frankreich gerne Hand in Hand. Erst vor gut zwei Wochen erneuerten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Staatschef Emmanuel Macron in Aachen feierlich den 56 Jahre alten Élysée-Freundschaftsvertrag. Doch hinter den Kulissen brodelt es, wie das Gerangel um Änderungen an der Brüsseler Gas-Richtlinie zeigt. Das EU-Gesetz hat große Bedeutung für die von Russland nach Europa führende Gasleitung Nord Stream 2, die von Berlin mit harten Bandagen verteidigt wird.
Dazu kommt erschwerend noch eine Absage: Der einstige Senkrechtstarter Macron, der in seiner Heimat schwer unter Druck geraten ist, ver- zichtet auf seinen Auftritt bei der Münchner Sicherheitskonferenz in der kommenden Woche. In Paris versuchen Diplomaten zu beruhigen: Die Absage habe nichts zu tun mit dem Streit über die Gas-Richtlinie, deren Änderung von Frankreich befürwortet wird und die zusätzliche, unbequeme Auflagen für das umstrittene Pipeline-Vorhaben bringen könnte. „Beide Staaten vertiefen ihre Zusammenarbeit in der Europapolitik“– so steht es wörtlich im am 22. Januar unterzeichneten Aachener Vertrag von Deutschland und Frankreich. Warum es nun bei der Gas- Richtlinie hakt, wurde zunächst nicht richtig klar. Als eine mögliche Erklärung für die neue französische Positionierung wurde der Druck Washingtons mit möglichen neuen Russland-Sanktionen genannt. Diese könnten auch den in Russland sehr aktiven französischen Ölkonzern Total treffen. Eine Vermutung lautet, dass die USA Frankreich mit solchen Gedankenspielen zumindest indirekt erpresst haben könnten.
Auch in Deutschland umstritten
Im Ausland wird indes darauf hingewiesen, dass Nord Stream 2 auch in Deutschland umstritten ist. Selbst in der Unionsfraktion im Bundestag hat die Pipeline ihre Anhänger und ihre Gegner. CDU-Wirtschaftspolitiker Joachim Pfeiffer etwa weist Kritik an dem Riesenprojekt zurück. Die Pipeline stärke Europa und schwäche es nicht. „Es erhöht die Versorgungssi- cherheit und macht uns politisch unabhängiger, auch von Ramboattacken aus den USA“, lautet sein Credo. Widerspruch kommt hingegen vom Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen. „Die Politik der Bundesregierung in Sachen Nord Stream 2 ist seit Jahren einseitig“, sagte der CDU-Politiker dem „Tagesspiegel“. Es werde etwa keine Rücksicht auf Sicherheitsbedenken der osteuropäischen Nachbarn genommen. Deutschland habe sich in dieser Frage isoliert.
Deutschland ist in den kommenden Jahren auf mehr Gas auch aus Russland angewiesen. Denn bis 2022 will Deutschland aus der Kernenergie aussteigen, bis 2038 nun außerdem schrittweise aus dem Kohlestrom. Frankreich hält hingegen am Atomstrom fest – und sieht sich damit auch als ein internationaler Vorreiter beim Klimaschutz.