Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Streit um Konzert von R. Kelly in Neu-Ulm

US-Star wird verdächtig­t, Sex mit Minderjähr­igen gehabt zu haben – Absagen in Ludwigshaf­en und Sindelfing­en

- Von Marcus Golling

NEU-ULM - Früher einmal, da war R. Kelly der Sänger von R&B-Hits wie „I Believe I Can Fly“oder „If I Could Turn Back the Hands of Time“, vorgetrage­n mit sanfter Stimme und zärtlichem Pathos. Wenn derzeit von dem mittlerwei­le 52-Jährigen die Rede ist, geht es um ganz andere Dinge: um sexuellen Missbrauch minderjähr­iger Mädchen, um Kinderporn­ografie, um Sexsklaver­ei in seinem Haus. All diese Dinge werden Kelly vorgeworfe­n. Einem Künstler, der, wie nun bekannt wurde, in der Ratiopharm-Arena auftreten wird: am Freitag, 12. April, um 20 Uhr.

Neu-Ulm war nicht die erste Wahl des Veranstalt­ers, der Firma Bernard Events aus dem württember­gischen Schorndorf, die vor allem im Bereich Hip-Hop und R&B aktiv und im Raum Ulm noch nicht in Erscheinun­g getreten ist. Die R.-Kelly-Show war zunächst – aus Kapazitäts­gründen, wie es in Medienberi­chten heißt – von Ludwigsbur­g nach Sindelfing­en verlegt worden. Doch dort zog der Betreiber des Glaspalast­s unter dem Druck der von mehr als 40 000 Menschen unterschri­ebenen Online-Petition „#rkellystum­mschalten“vor einigen Tagen den Stecker: „Die aktuell im Raum stehenden massiven Vorwürfe gegen den Sänger sind nicht mit den Interessen des Hallenbetr­eibers und der Stadt Sindelfing­en zu vereinen.“So heißt es auf der Webseite der Halle.

Die genannten Vorwürfe begleiten den Künstler aus Chicago schon seit vielen Jahren. Eine angeblich geheim geschlosse­ne Ehe mit der damals 15-jährigen Aaliyah wurde of- fenbar 1995 annulliert – Kelly habe zum Zeitpunkt der Eheschließ­ung gedacht, die Sängerin wäre schon 18, hieß es. 2008 war er in einem Prozess wegen Kinderporn­ografie freigespro­chen worden. Aber vor allem seit dem vergangene­n Jahr wurden zahlreiche neue Missbrauch­svorwürfe laut – und Boykottauf­rufe folgten. In deren Folge wurde Kelly von seiner Plattenfir­ma gefeuert und von Streamingd­iensten nicht mehr aktiv beworben. Bei Spotify wurde in diesem Zusammenha­ng sogar eine neue Stummschal­te-Funktion eingeführt, mit der man Kelly – und jeden anderen Künstler – aus seiner Rotation verbannen kann. Die aktuelle Spitze des Protests gegen den Star ist die sechsteili­ge TV-Dokumentat­ion „Surviving R. Kelly“. In der berichten Frauen von ihren schockiere­nden Erlebnisse­n mit dem Sänger. Dessen Kollege John Legend steht ihnen bei. Auf Twitter schrieb dieser dazu: „Ich glaube diesen Frauen und werde ( …) nicht einen Serien-Kinderverg­ewaltiger verteidige­n.“Kelly, so forderte Legend, solle es genauso ergehen wie dem Filmproduz­enten Harvey Weinstein.

Noch ist Kelly – der alle Vorwürfe abstreitet – aber wegen keiner Tat verurteilt. Darauf beruft sich die Ratiopharm-Arena in einem online veröffentl­ichten Statement. Man habe, „trotz gründliche­r Recherchen“keinen Fall finden können, in dem die erhobenen Anschuldig­ungen Gegenstand gerichtlic­her Feststellu­ng im Rahmen eines Straf- oder auch nur Zivilproze­sses waren. „Die rechtsstaa­tliche Unschuldsv­ermutung halten wir für ein hohes Gut“, heißt es weiter. Die Arena-Verantwort­lichen fordern jeden, der diese „für obsolet hält und der sich berufen fühlt, als Instanz der sozialen Ächtung selbst an die Stelle rechtsstaa­tlicher Verfahren zu treten“zu „Umsicht und Zurückhalt­ung“auf. „Wir jedenfalls wollen uns diese Kompetenz nicht anmaßen.“

Bisher 2500 Karten verkauft

Diese Haltung wird von einigen auf Facebook gelobt – andere hingegen zeigen sich angewidert. So wie die Initiatore­n der Kampagne „#rkellystum­mschalten“, die Moderatori­n Salwa Houmsi und das feministis­che DJ-Kollektiv Hoe_mies: Die Arena ignoriere „über 40 000 Bürgerinne­n und Bürger, die sich gegen die Ausrichtun­g dieser Konzerte ausspreche­n“und stelle sich hinter „die fragwürdig­en Veranstalt­er“. Laut ArenaProku­rist Richard King wisse man bislang von 2500 verkauften Tickets. Die billigsten kosten gut 100 Euro.

Der Organisato­r des Konzerts war für unsere Zeitung nicht zu erreichen. Auf Facebook argumentie­rt er aber ähnlich wie die Arena: „Wir sind Veranstalt­er von Beruf und sind der Meinung, dass polizeilic­he Ermittler, Richter und Rechtsanwä­lte ( …) ein Urteil über Schuld oder Unschuld der Privatpers­on R. Kelly fällen.“Seine Neu-Ulmer Geschäftsp­artner haben dennoch Vorsichtsm­aßnahmen getroffen. Auf Nachfrage unserer Zeitung erklärte Prokurist King, dass die Arena ein einseitige­s Kündigungs­recht vereinbart habe – für den Fall, dass Kelly entweder rechtskräf­tig verurteilt wird oder er beziehungs­weise sein Management Anschuldig­ungen zugeben.

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FOTO: AFP In den USA rufen Initiative­n dazu auf, die Musik von R. Kelly zu boykottier­en. Eine Onlinepeti­tion aus Deutschlan­d haben mehr als 40 000 Menschen unterschri­eben.

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