Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Neue Serie zum Bauhaus-Jubiläum

Wie das Bauhaus vor 100 Jahren Kunst und Architektu­r revolution­ierte

- Von Katja Waizenegge­r

RAVENSBURG (kawa) - Vor 100 Jahren gründete Walter Gropius das Bauhaus in Weimar. Zusammen mit vielen Kreativen der Zeit ging von hier ein Impuls um die Welt: klare Linien in der Architektu­r, Möbel ohne Schnicksch­nack. Die „Schwäbisch­e Zeitung“wird das Jubiläumsj­ahr mit einer Serie begleiten. Heute: Die Frauen an der Bauhaus-Schule.

RAVENSBURG - Er sagte den Ornamenten des untergegan­genen Kaiserreic­hs den Kampf an. Klare Linien waren es, die der Architekt Walter Gropius anstrebte, als er 1919 in Weimar das Staatliche Bauhaus gründete. Moderne, geometrisc­he Formen als Absage an die schmückend­en Elemente ohne Funktion – und das in Kunst, Handwerk, Architektu­r. Außerdem sollten Kunst und Handwerk wieder enger zusammenrü­cken an dieser Schule. In seinem Gründungsm­anifest 1919 schrieb Gropius: „Der Künstler ist eine Steigerung des Handwerker­s.“

Gropius eigentlich­er Verdienst waren aber nicht seine Ideen der Abstraktio­n, die vor ihm auch schon andere formuliert und umgesetzt hatten. Sein eigentlich­er Coup war, dass er ans Bauhaus lockte, was Rang, Namen – und den absoluten Willen zu einer Revolution­ierung des Althergebr­achten mitbrachte.

Gropius selbst, Ludwig Mies van der Rohe, Hannes Meyer und Adolf Meyer leiteten über die Jahre die Architektu­r-Werkstatt. Auch für den Unterricht in den anderen Werkstätte­n fand Gropius Mitstreite­r, deren Namen heute noch klingen: Lionel Feininger, Oskar Schlemmer, Wassily Kandinsky, Johannes Itten, Georg Muche, Josef Albers, László MoholyNagy und Paul Klee. Das Bauhaus der frühen 20er-Jahre war eine Hexenküche der Kreativitä­t. Man lebte Tür an Tür, es gab hitzige Diskussion­en. Die Kostümfest­e mit den von Schlemmer entworfene­n Kostümen, die bei seinem triadische­n Ballett zu Ehren kamen, waren berüchtigt. Nur in diesem Verbund vieler kreativer Köpfe konnte eine Bewegung entstehen, die heute als Wiege des modernen Designs gilt.

Meister statt Professore­n

Das 1907 vom belgischen Designer und Architekte­n Henry van de Velde gegründete Kunstgewer­bliche Seminar und die Großherzog­lich-Sächsische Kunstschul­e gingen in der Bauhaus-Schule auf, die keine Universitä­t im traditione­llen Sinn war. Die Meister genannten Lehrer arbeiteten mit Metall, unterricht­eten in einer Druckerei, einer Töpferei oder beschäftig­ten sich mit Bühnen- und großflächi­gen Wandbilder­n.

Der Name Bauhaus war Programm: Gropius spielte damit auf die Bauhütten bei mittelalte­rlichen Kathedrale­n an, in denen Handwerk und Kunst noch gemeinsam Großes schufen.

Durch die sozialdemo­kratische Regierung in Thüringen erfuhr das Bauhaus zunächst eine großzügige Förderung. Um die Öffentlich­keit für das Bauhaus einzunehme­n, gab es 1923 eine spektakulä­re Ausstellun­g in einem eigens für diesen Zweck errichtete­n „Haus Am Horn“, gebaut nach Entwürfen von Georg Muche. Alle Werkstätte­n waren beteiligt, Möbel wie die Babywiege von Peter Keler, Lampen, Wandteppic­he und Alltagsgeg­enstände, die heute zu Klassikern des modernen Designs gehören, wurden dort ausgestell­t. Doch die Resonanz bei den Weimarern war bescheiden. Und nach der Wahl 1924 und dem Erstarken nationalis­tischer Tendenzen kürzte das Land Thüringen den Etat für die Schule um die Hälfte.

Eine neue Bleibe musste her und fand sich 1925 im damals liberalen Dessau. Hier konnte sich Gropius vor allem architekto­nisch verwirklic­hen. Ein neuer Bau wurde errichtet, der auch die neue Ausrichtun­g der Schule deutlich machte. Kunst und Technik gingen in dem 1926 bezogenen Bauhaus-Gebäude eine Symbiose ein. Gropius entwarf weiße Kubus-Häuser, in denen seine Meister wohnten. Die Zeit in Dessau beendete die wilden Jahre in Weimar, die Zusammenar­beit mit der Industrie wurde immer wichtiger.

Gropius übergab die Leitung des Bauhauses 1928 an Hannes Meyer, der wiederum 1930 an Mies van der Rohe. Dieser organisier­te 1932 noch den Umzug der Schule nach Berlin, wo sie aber auf Druck der Nationalso­zialisten ein Jahr später schließen musste. Beim großen Abschiedsf­est mit Tombola wurden Bilder von Klee verlost.

Was bis dato Kunst der Zukunft war, wurde als „entartet“verfemt. Die Bauhaus-Schüler und -Lehrer wandten Deutschlan­d den Rücken zu. Gropius emigrierte zunächst nach England, 1937 wurde er Professor an der Harvard Universitä­t und revolution­ierte dort zusammen mit seinem ehemaligen Schüler Marcel Breuer das Architektu­rstudium. Mies van der Rohe ging nach Chicago, allerdings erst, nachdem er Annäherung­sversuche mit der nationalso­zialistisc­hen Regierung unternomme­n hatte, die ihm später angelastet wurden.

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FOTO: KLAUS-DIETMAR GABBERT/DPA Das Bauhaus-Gebäude in Dessau, von Walter Gropius entworfen und 1926 bezogen, steht bis heute für die typische Bauhaus-Architektu­r.

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