Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Seit 1956 im Dienste der Sauberkeit
Das Allgäuer Familienunternehmen Sito produziert seit mehr als 60 Jahren Spülschwämme und Topfreiniger
HERGATZ - Als Erich Sickinger seinen ersten Topfreiniger aus Metall herstellte, war er noch ein kleiner Junge. An der Strickmaschine seines Vaters in Wigratzbad im Allgäu rollte er Metallgestrick auf und fixierte es zu kleinen Bündeln. „Weil ich noch so klein war, musste ich dafür auf eine Kiste stehen“, erzählt der 69-Jährige heute. Sein Vater Gottlob hatte im Jahr 1956 das Unternehmen Sito – der Name steht für Sickinger Topfreiniger – gegründet. 63 Jahre später produziert das Familienunternehmen neben Topfreinigern auch Reinigungstücher und vor allem Schwämme in allen Formen und Farben.
Rund 1400 Tonnen Schaum verarbeiteten 200 Mitarbeiter im vergangenen Jahr im tschechischen Pelhr imov zu Schwämmen. Damit gehört Sito im Bereich der Reinigungsschwämme zu den größten Unternehmen in Europa. Trotzdem: Das rote Sito-Logo mit dem kleinen weißen Männchen findet sich auf den wenigsten Produkten. Das Unternehmen produziert seine Putzschwämme, Tücher und Topfreiniger mittlerweile vor allem für große Discounter und Drogeriemärkte wie Lidl,
Müller und
Rossmann. In den Regalen landen die Sito-Produkte dann unter den Namen der jeweiligen Hausmarken. „Private Label“nennt sich das Geschäftsmodell, mit dem Sito rund zwei
Drittel seines Umsatzes generiert. „Wir sind damit europaweit auf Position drei bis fünf“, schätzt Geschäftsführer Christian Traut. Was nicht zur Hausmarke wird, verkauft Sito vom Haupt- und Logistiksitz, der sich mittlerweile in Hergatz bei Wangen im Allgäu befindet, aus an Profi-Reinigungsfirmen und Großküchen.
Sowohl der Standort in Tschechien als auch der in Hergatz sind zu 100 Prozent im Besitz der Familie. Die Sickingers sind stolz auf ihre Tradition. Denn dass fast überall auf der Welt mit Schwämmen, Spültüchern und Topfreinigern aus dem Allgäu geputzt wird, geht auf den Fleiß und den Pragmatismus des Firmengründers Gottlob Sickinger zurück. Der war eigentlich gelernter Wagner, konnte also Räder, Wagen und andere landwirtschaftliche Geräte aus Holz herstellen. Nach dem Krieg leitete er eine kleine Spedition. Doch mehrere Unfälle in seiner LkwFlotte zwangen Gottlob Sickinger im Jahr 1956 dazu, sein Speditionsunternehmen aufzugeben. An den Ruhestand dachte der damals 62-Jährige trotzdem noch nicht. Im Gegenteil. „Er wollte unbedingt noch was tun“, sagt sein Sohn Erich Sickinger.
Der Vater habe in der Zeitung vom Verkauf einer Metallstrickerei aus Meckenbeuren gelesen, daraufhin kurzerhand deren vier Strickmaschinen aufgekauft und in seiner Garage am Ortsende von Wigratzbad mit der Produktion
Erich Sickinger von Topfreinigern aus Metall begonnen.
Von diesem Tag an drehte sich bei Familie Sickinger alles nur noch um Reinigungsartikel. Auch der kleine Erich Sickinger musste schnell lernen, was die Entscheidung seines Vaters bedeutete. „Während ich dem Vater im Geschäft geholfen hab, haben meine Freunde draußen gekickt“, sagt Erich Sickinger. Es war die Zeit des deutschen Wirtschaftswunders und die Nachfrage nach den Topfreinigern stieg. „Mein Vater hat den kleinen Betrieb stetig weiterentwickelt. Wenn Konkurrenzunternehmen mit der Produktion aufgehört haben, konnte er deren Maschinen manchmal günstig aufkaufen.“So habe er schon 1966 anbauen und Personal einstellen müssen. 1977, zwei Monate vor seinem Tod, übergab der Firmengründer das Unternehmen schließlich offiziell an seinen Sohn Erich. Der erweiterte daraufhin das Portfolio: Zusätzlich zu den Topfreinigern produziert Sito seit 1981 auch Reinigungsschwämme aus Schaum in verschiedenen Varianten. Doch mit der Ausweitung des Angebots wuchs auch der Kostendruck. Anfang der Neunziger Jahre entschied Erich Sickinger, die Produktion sukzessive nach Tschechien zu verlagern. Es war eine pragmatische Entscheidung. „Aus der Not heraus“, sagt Sickinger. Er wundere sich heute manchmal selbst, dass er damals diesen Schritt gewagt habe. „Heute bin ich aber froh, dass ich so mutig war. Anders wäre die Firma nicht zu halten gewesen.“Parallel baute er das Sito-Portfolio immer weiter aus. 1100 verschiedene Produkte – vom Topfreiniger aus Edelstahl bis zum Massageschwamm aus Zellulose – vertreibt das Unternehmen heute insgesamt. „Es wird immer wichtiger, dem Kunden als Komplettanbieter gegenüberzutreten“, sagt Traut, der sich die Geschäftsführung mit dem Enkel des Firmengründers, Manfred Sickinger, teilt. Was nicht selbst produziert werden kann, kauft Sito deshalb bei einem chinesischen Partnerunternehmen ein und vertreibt es hier weiter.
So erreichte Sito im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 24 Millionen Euro – immerhin viermal so viel wie noch im Jahr 2000. Doch der Druck auf das Unternehmen wächst. „Wir sind profitabel, aber die Gewinnmarge wird immer kleiner“, gibt Traut zu. Das liege an der Entwicklung der Rohstoffpreise und an den steigenden Kosten für die Logistik, vor allem aber an den Lohnkosten in Tschechien. „Die Vorteile, die wir durch die Produktion in Tschechien mal hatten, verschwinden langsam“, sagt Traut und rechnet vor: „Das Lohnniveau in Tschechien hat sich in den vergangenen 20 Jahren verzehnfacht.“Dazu komme der Facharbeitermangel. „Tschechien gilt oft als die verlängerte Werkbank Deutschlands. Für uns heißt das aber auch: Solange die Wirtschaft in Deutschland brummt, gibt es auch in Tschechien nicht genug Facharbeiter.“
Zehn Mitarbeiter befassen sich in Tschechien deshalb mit der Entwicklung von Automatisierungsprozessen. Das heißt: Sie entwickeln Prozesse und Maschinen, die es ermöglichen, in Zukunft wieder günstiger zu produzieren. „Es heißt immer, durch die Automatisierung gehen Arbeitsplätze verloren“, sagt Erich Sickinger. In Wahrheit sei aber das Gegenteil der Fall: „Wir kriegen einfach kaum mehr Leute her.“
Erich Sickinger ist auch 63 Jahre nachdem er als kleiner Junge auf einer Kiste stand, um seinen ersten Topfreiniger aufzuwickeln, noch im Unternehmen aktiv. „Nicht im Tagesgeschäft, aber als Mann für alle Fälle“, sagt Geschäftsführer Traut. „Nach so langer Zeit will und kann ich einfach nicht ganz aufhören“, sagt Sickinger und blickt zufrieden zurück. „Die meisten Dinge würde ich wieder so machen.“