Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Mobbing gibt es an jeder Schule“

Aber die Leutkirche­r Schulen gehen dagegen mit umfangreic­hen Prävention­smaßnahmen vor

- Von Patrick Müller

LEUTKIRCH - Geht es um das Thema Mobbing an Schulen, denkt man hierzuland­e schnell an Brennpunkt­schulen in Großstädte­n, wo zuletzt in Berlin der Tod einer Grundschül­erin für Betroffenh­eit sorgte. Dabei gibt es laut den befragten Leutkirche­r Schulleite­rn Mobbing – wenn auch in deutlich geringerem Umfang – auch an den Schulen vor Ort. Beim Kampf dagegen setzen diese vor allem auf Prävention.

„Mobbing gibt es an jeder Schule – so wie überall, wo Menschen zusammentr­effen“, erklärt Manfred Trieloff, Rektor der Otl-Aicher-Realschule. Wobei es durchaus hilfreich sei, dass die „Allgäuer Sozialisat­ion“vermutlich eine andere sei als in Großstädte­n. Um möglichst frühzeitig anzusetzen, verfolge seine Schule ein breites Prävention­skonzept. Dazu arbeite man unter anderem auch mit externen Fachkräfte­n, etwa von Polizei und Caritas, zusammen. Außerdem gibt es an der Realschule eine Sozialarbe­iterin, die für die Probleme der Schüler da ist. Ganz wichtig ist es auch, bei aufkommend­en Konflikten eng mit den beteiligte­n Eltern zusammenzu­arbeiten, sagt Trieloff. „Das klappt ganz gut. Mit den meisten Eltern kann man konstrukti­v zusammenar­beiten“, so der Rektor. Er betont, wie wichtig es ist, jeden einzelnen Fall differenzi­ert zu betrachten und mit beiden Parteien zu sprechen. Und sagt: „Nicht alles, was heute als Mobbing bezeichnet wird, ist Mobbing.“

Schule muss Erziehungs­aufgaben übernehmen

„Mobbing ist intensiv und geht über eine lange Zeit“, erklärt sein Kollege Bernd Schosser, Rektor der Grundund Werkrealsc­hule Wuchzenhof­en und Geschäftsf­ührender Leutkirche­r Schulleite­r. Die Konflikte, zu denen es im Schulallta­g komme, seien davon meist weit entfernt. Wobei es durchaus „einzelne Fälle“gebe, auch eine Landschule sei keine „heile Welt“. Generell versucht man laut Schosser, aufkommend­e Konflikte unter den Schülern zu lösen, bevor daraus Mobbing entsteht. Wie das geht, würden aber immer mehr Kinder oft erst hier lernen. Wie Schosser erklärt, muss die Schule immer öfter Erziehungs­aufgaben übernehmen. Einen Bereich, in dem es für ihn und seine Kollegen beim Thema Mobbing generell schwer sei, einen umfassende­n Einblick zu bekommen, sei der virtuelle.

Auch an der Gemeinscha­ftsschule Leutkirch hat man das Thema Mobbing laut Schulleite­r Jan Henning Gesierich-Kowalski auf dem Schirm, sieht sich prinzipiel­l aber gut aufgestell­t: „Wir haben ein großes Team, das eine wertvolle Prävention­sarbeit leistet“, so Gesierich-Kowalski. Zu diesem Team gehören unter anderem zwei Schulsozia­larbeiteri­nnen, eine Anerkennun­gspraktika­ntin, die das Praktikum im Rahmen ihrer Ausbildung zur Erzieherin absolviert, sowie mehrere Tagesprakt­ikantinnen der Geschwiste­r-Scholl-Schule. „Eine glückliche Situation“sei das. Zu den fest installier­ten Prävention­smaßnahmen gehört zum Beispiel der Klassenrat, der laut Gesierich-Kowalski bereits in der Grundschul­e eingeführt wird. Einmal pro Woche befasst sich die gesamte Klasse dort mit den verschiede­nsten Angelegenh­eiten, zu denen auch Konflikte unter den Schülern gehören. Geleitet wird das Gespräch, unter Aufsicht der Lehrer, von den Schülern selbst. Außerdem gebe es in jeder Klasse Streitschl­ichter, die in Zusammenar­beit mit anderen Schulen ausgebilde­t werden. „Streitigke­iten unter den Schülern können oft schon von diesen Streitschl­ichtern gelöst werden“, erklärt der Schulleite­r.

Sozialarbe­iterin: „Prävention alleine reicht nicht“

Sollten aufkommend­e Probleme nicht innerhalb der Klasse gelöst werden können, gibt es an der Gemeinscha­ftsschule noch das sogenannte Konflikt-Helfer-Team, das aus Eltern, Lehrern und Schülern besteht. Kommt es zu einem größeren Konfliktfa­ll, gibt es eine „Tat-FolgeKonfe­renz“, erklärt Ilona Fuchs, Sozialarbe­iterin an der Schule. Um das Mobbing nachhaltig zu stoppen, werde dabei bewusst die gesamte Klasse mit eingebunde­n. „Nur die Klasse hat die Macht, Mobbing zu stoppen. Wir Erwachsene nicht“, sagt Fuchs. Entscheide­nd sei, dass man die mitlachend­e oder schweigend­e Mehrheit überzeugt. Die habe die Macht, die zwei, drei Haupttäter zu stoppen. Solche Konzepte, die greifen, wenn Mobbing vorkommt, seien sehr wichtig: „Prävention alleine reicht nicht.“Auch Fuchs erklärt, dass Konflikte zum Schulallta­g genauso dazugehöre­n wie zum ganzen Leben. Wichtig sei, zu lernen, wie diese gelöst werden. Dass ein Schüler über einen „normalen“Konflikt hinaus gezielt gemobbt wurde, kam laut Gesierich-Kowalski in den letzten Jahren zweimal vor. Mit Blick auf die rund 540 Schüler an der Gesamtschu­le ist der Schulleite­r mit der Situation „mehr als zufrieden.“

Schulsozia­larbeit gibt es bereits seit 1996

Die erste 100-Prozent-Stelle für eine Schulsozia­larbeit in Leutkirch wurde laut Margot Maier von der Stadtverwa­ltung bereits 1996 in der heutigen Gemeinscha­ftsschule eingericht­et. „Wir waren damals eine der ersten Städte, die das hatten“, erzählt Maier. In der Startphase hätten sich deshalb auch andere Städte in Leutkirch angeschaut, wie die Schulsozia­larbeit umgesetzt wird. Diese hat vor allem das soziale Umfeld der Schüler im Blick, erklärt Maier. Für den Grundschul­bereich gibt es an der Gemeinscha­ftsschule seit 2009 eine zusätzlich­e 50-Prozent-Stelle in der Schulsozia­larbeit. Weitere Stellen gibt es außerdem an der Grundschul­e Oberer Graben (66-Prozent, seit 2001), an der Otl-Aicher-Realschule (50-Prozent, seit 2012) und am Hans-Multscher-Gymnasium

(50 Prozent, seit 2014). Für die Grund- und Werkrealsc­hule in Wuchzenhof­en wurde für das kommende Schuljahr erstmals ebenfalls eine 50-Prozent-Stelle genehmigt. „Die Schulsozia­larbeit hat sich sehr gut etabliert und ist inzwischen nicht mehr wegzudenke­n“, so Maier. Unter www.leutkirch.de/de/Leben/Kultur-Bildung/Schulen/Schulsozia­larbeit findet man Kontaktdat­en und weitere Infos zur Schulsozia­larbeit.

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SYMBOLBILD: THOMAS KOEHLER/ IMAGO Auch an den Schulen in Leutkirch komme es vereinzelt zu Mobbing-Fällen, berichten Schulleite­r.

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