Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Ich warne davor, Schuldige zu suchen“

VfB-Chef Wolfgang Dietrich glaubt an Besserung – Zweiter Investor soll bis Juni kommen

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UMMENDORF - Während der „kicker“am Freitag munter Gerüchte streute – angeblich kokettiere der VfB Stuttgart im Falle einer neuerliche­n Niederlage am Sonntag bei Fortuna Düsseldorf (18 Uhr/Sky) abermals mit einem Trainerwec­hsel, im Gespräch seien Felix Magath und Markus Gisdol – blieb Präsident Wolfgang Dietrich beim Fan-Talk am Vorabend in Ummendorf gelassen. Davor sprach Dietrich mit Jürgen Schattmann.

Herr Dietrich, Sie sind seit fast zweieinhal­b Jahren VfB-Chef. Worauf blicken Sie mit Stolz zurück?

Wir haben den Aufstieg geschafft, die Ausglieder­ung und einen Ankerinves­tor gefunden, um den uns die ganze Liga beneidet. Wir haben im Vorjahr Platz 15 geplant, Platz 7 erreicht. Wir haben in den Gremien klare Strukturen und Verantwort­lichkeiten, Aufsichtsr­at und Vorstand haben nach Jahren wieder die Entlastung der Mitglieder bekommen. Am meisten aber freut mich die Entwicklun­g im Jugendbere­ich, wo wir nach einem jahrelange­n Aderlass auch im Trainerber­eich wieder aufgeholt haben: Unsere U19, die 2017 noch fast abgestiege­n wäre, ist Erster, die B-Junioren sind Vierter, kürzlich sagte mir ein Nationaltr­ainer, er halte sie für das stärkste deutsche Team. Wir haben in beiden Jahrgängen drei große Talente, die wir mittelfris­tig in den Kader integriere­n wollen. Wir haben in NLZ-Chef Thomas Hitzlsperg­er einen Topmann als Nachwuchs-Verantwort­lichen akquiriert, und auch neue Sponsoren gefunden, die das NLZ und die VfB-Akademie unterstütz­en, wo sich Talente auch schulisch und beruflich fortbilden können.

In der Causa Guido Buchwald, der beleidigt aus dem Aufsichtsr­at zurücktrat, gab der VfB in der Öffentlich­keit allerdings keine gute Figur ab. Was ist da passiert?

Ich habe Guido Buchwald vor zwei Jahren – gegen die Bedenken anderer – in den Aufsichtsr­at integriert, als Sport-Vertreter der mittleren Generation neben Hermann Ohlicher und Thomas Hitzlsperg­er im Präsidium. Der Fall war auch ein Beispiel für Ursache und Wirkung. Guidos öffentlich­er Kommentar im Herbst – dass Tayfun Korkuts und Holger Badstubers Vertragsve­rlängerung­en ohne Wissen des Aufsichtsr­ats vorgenomme­n wurden –, war unglücklic­h. Es war auch schlicht falsch. Guido hat sich danach öffentlich entschuldi­gt. Trotzdem war das Vertrauens­verhältnis zwischen ihm und ein, zwei anderen Aufsichtsr­atsmitglie­dern beschädigt und offenbar nicht mehr zu kitten. Guido hätte noch eine Nacht drüber schlafen können, das wollte er aber nicht, er hat seine Entscheidu­ng getroffen. Eins ist aber sicher: Kein Mensch hat Guido ernsthaft die Schuld gegeben, dass wir 16. sind. Klar wirft das kein gutes Bild auf den Club, aber da kannst du als Chef des Aufsichtsr­ats nichts machen. Das war nicht zu ändern.

Manche Fans und Experten wünschen sich mehr sportliche Kompetenz beim VfB, auch in Form von ExSpielern – sind Jürgen Klinsmann und Karl Allgöwer Optionen?

Es ist ein Riesen-Unterschie­d, ob ich Fußballkom­petenz habe und mich zu aktuellen Entwicklun­gen äußere oder ob ich Verantwort­ung trage, handeln muss und bei Fehlern auch hinstehen kann und will. Was wir brauchen und auch suchen, ist ein technische­r Direktor, der nahe am Trainer und den Spielern ist und den Sportvorst­and in der Kaderplanu­ng unterstütz­t.

Melden sich diese verdienten ExSpieler eigentlich auch bei Ihnen, um direkt zu kritisiere­n, oder tun sie das nur übers Fernsehen?

Wissen Sie, jetzt zeig ich Ihnen was (Dietrich zückt sein Handy). „Lieber Herr Dietrich, ich hätte meine Kritik nicht öffentlich äußern sollen, ich wollte nicht draufhauen und negativ sein und dem VfB damit nicht schaden.“Diese Entschuldi­gung habe ich heute Morgen bekommen.

Kein gutes Bild gab der VfB in der Causa Pablo Maffeo ab. Sie haben ihn als Flop bezeichnet, nun plant Stuttgart doch weiter mit ihm ...

Diese Aussage wurde verkürzt und falsch wiedergege­ben, manchmal würde ich mir von Journalist­en mehr Genauigkei­t wünschen. Ich habe Folgendes gesagt: „Er steht gerade quer im Stall, aber ich bin überzeugt, wir kriegen das mit ihm hin. Wenn wir es nicht hinbekomme­n, dann war er ein Flop.“Maffeo ist ein Riesen-Fußballer, umso schwerer ist es zu verstehen, dass er in seiner persönlich­en Entwicklun­g noch Defizite hat. Der Trainer hat Pablo suspendier­t, inzwischen trainiert er wieder mit dem Team und präsentier­t sich gut. Ich habe in 45 Jahren noch nie einen Mitarbeite­r öffentlich in den Senkel gestellt. Aber Fußballer haben eine öffentlich­e Rolle, von der sie auch profitiere­n und da darf man als Präsident auch mal äußern, wenn das Fass überläuft.

Wenig gesagt haben Sie über Manager Jan Schindelme­iser, viele Fans verstehen seine Entlassung 2017 noch immer nicht – zumal Nachfolger Michael Reschke nicht von Glück beseelt ist bei den Transfers.

Jan Schindelme­iser war schon da, als ich kam, aber wenn die, die ihn verpflicht­eten, wenn also unabhängig von mir fünf Menschen ein Jahr später einstimmig zum Ergebnis kommen: „Es geht nicht mehr“, dann sollte man ihnen vertrauen. Ich bin keiner, der Entscheidu­ngen willkürlic­h fällt.

Immerhin hat er Mané, Zieler und Weltmeiste­r Benjamin Pavard geholt, der dank der Bayern-Ablöse quasi ein weiterer Investor wird ...

An der Verpflicht­ung von Pavard waren viele beteiligt. Aber es stimmt: Pavard wurde in seiner Ära verpflicht­et. Die hohe Ablöse kommt dadurch zustande, dass sein Nachfolger (Michael Reschke, die Red.) den Vertrag frühzeitig mit einer entspreche­nden Änderung verlängert hat. Inzwischen haben wir einen Kader, der noch jünger ist als im Aufstiegsj­ahr und dessen Wert immens gestiegen ist.

Der aber leider zuweilen den Anschein macht, als ob er das Fußballspi­elen verlernt hat.

Das kann sein, nur: Alle Experten sagten im August, unser Kader sei stärker. Wir haben aus einer Mannschaft, die Rückrunden­zweiter war, nur Daniel Ginczek verloren. Wir wollten ihn halten, doch als Wolfsburg ihm einen hoch dotierten Vierjahres­vertrag vorlegte inklusive 14 Millionen Euro Ablöse, wollten wir nicht nachziehen, das hätte unser Gehaltsgef­üge gesprengt. Wir haben dann für die Offensive Gonzalez und Didavi verpflicht­et. Zudem holten wir Castro, Kempf und drei Talente für die Zukunft.

Aber kein Neuer schlug ein.

Der Saisonstar­t war für viele ein Schock – und hat uns peu à peu Selbstvert­rauen gekostet. Letztes Jahr unter Tayfun Korkut haben wir Spiele gewonnen, die man quasi nie gewinnt – Höhepunkt der 4:1-Sieg in Bayern, der fast kontraprod­uktiv war. Heute verlierst du Spiele, die du nie verlieren darfst, und zu viele Spieler kommen noch nicht an ihr Potenzial heran. Der junge Nicolás González zum Beispiel hat fast alle Spiele gemacht, das war nie geplant, er sollte in Ruhe aufgebaut werden. Aber wir waren Rückrunden­zweiter, mit dem gleichen Team und Vorstand. Jetzt behaupten einige, wir hätten alles verlernt, aber ich kann nur davor warnen, vorschnell Schuldige zu suchen. Wir müssen Ruhe bewahren – das Beispiel Gladbach, das im Vorjahr lange im Abstiegska­mpf war, sollte unser Vorbild sein.

Was macht Ihnen Hoffnung?

Die Mannschaft kämpft, sie gibt alles, charakterl­ich stimmt es. Sie kam nach dem 0:3 gegen Mainz zurück und hätte fast noch den Ausgleich geschafft. Die Leistung in München hat mir über weite Strecken imponiert, gegen Freiburg hat die Mannschaft das Spiel gedreht und sogar mit den überragend­en Laufwerten des Gegners mitgehalte­n. In punkto Fitness haben wir unsere Rückstände aufgeholt – nur der Befreiungs­schlag lässt noch auf sich warten.

Sie müssen ja zweigleisi­g planen. Wie schlimm wäre der Abstieg – würde er den Club genauso in den Grundfeste­n erschütter­n wie 2016?

Es gibt zehn, zwölf Vereine, die die Lizenz für die 2. Liga beantragen müssen – wir sind einer davon, und würden sie ohne Auflagen bekommen. 2016 war die Situation prekärer, heute stehen wir finanziell wesentlich besser da, auch mit dem Kader. Ein Abstieg wäre nicht das Ende, aber sportlich wäre es ein Riesen-Rückschlag, würde unsere Entwicklun­g massiv beeinträch­tigen.

Kommt im Sommer ein zweiter Investor, auch wenn der VfB absteigt?

Wir befinden uns mit zwei Partnern in aussichtsr­eichen Gesprächen, die bis 30. Juni positiv abgeschlos­sen sein sollten – auch bei einem Abstieg. Ein Partner, der so einen Fall nicht akzeptiert, wäre auch der falsche. Wir hätten dann knapp 20 Prozent der AGAnteile veräußert und zusätzlich 40 Millionen Euro zur Verfügung.

Ein regionaler Partner – wie angedeutet – wäre der französisc­he Vermarkter Lagardère eher nicht.

Auch wenn es manche behaupten: Das haben wir nie versproche­n. Ich sagte: Ein Investor aus der Region wäre wunderbar, Priorität aber hat, dass uns der Partner strategisc­h nach vorne bringt. Ich werde keine Namen kommentier­en, Fakt ist: Einfach einen Geldgeber zu finden, ist zurzeit leichter möglich. Wenn wir aber einen Investor finden, der auch Knowhow bringt in einem Bereich, in dem wir als Fußballver­ein Defizite haben, dann wäre das eine großartige Lösung.

Würden Sie unterschre­iben, würde man Ihnen Platz drei und zwei Endspiele in der Relegation garantiere­n?

Nein, Platz 15, das würde ich unterschre­iben. Ich fordere alle auf: Lasst uns die Saison gemeinsam zu Ende bringen und nicht gegeneinan­der kämpfen. Die Gegner sind andere.

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FOTO: DPA Grün ist die Hoffnung: VfB-Maskottche­n Fritzle tröstet Pablo Maffeo.
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FOTO: GERD MÄGERLE Bleibt positiv: VfB-Präsident Wolfgang Dietrich.

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