Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Man kann ein Loch nicht mit einem Loch stopfen“

Die Rehabilita­tionsklini­ken in Isny und das Pflegepers­onal-Stärkungsg­esetz

- Von Tobias Schuhmache­r

ISNY - In Deutschlan­d fehlen Zehntausen­de Fachkräfte für die Pflege von Patienten. Politiker und Krankenhau­sbetreiber versuchen, diesen „Pflegenots­tand“in den Griff zu bekommen – mit unterschie­dlichen Ansätzen wie Initiative­n für eine Rückkehr von Menschen in ihren einst erlernten Pflegeberu­f, durch die Anwerbung von qualifizie­rtem Personal im Ausland, aber auch durch Überlegung­en, Untergrenz­en beim Personal für die Besetzung in einzelnen Abteilunge­n anzudrohen, oder sogar, einzelne Stationen zu schließen.

Eine Maßnahme, die dem Mangel begegnen und abhelfen soll, ist das „Pflegepers­onal-Stärkungsg­esetz (PpSG)“, das am 1. Januar 2019 in Kraft getreten ist. Krankenhäu­ser und Pflegeheim­e sollen nun mehr Fachperson­al einstellen können. Die Kosten dafür bekommen sie von den Krankenkas­sen erstattet, die außerdem die vollständi­gen Kosten bei steigenden Tariflöhne­n der Pflegekräf­te in Krankenhäu­sern tragen. Auch die Vergütung von Auszubilde­nden in der Kranken- und Kinderkran­kenpflege sowie in der Krankenpfl­egehilfe übernehmen die Kassen im ersten Lehrjahr seit Anfang des Jahres. Ein Ziel des PpSG ist nämlich, die Betreiber von Krankenhäu­sern und Pflegeheim­en dazu zu bewegen, mehr auszubilde­n.

Mit der Klinik

Überruh in Bolsternan­g, die zum

Verbund der Rehazentre­n BadenWürtt­emberg gehört, und den Waldburg-ZeilKlinik­en (WZK), nicht nur in Neutrauchb­urg, sind auch Einrichtun­gen in der Region betroffen. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“begrüßen Constanze Schaal, Geschäftsf­ührerin des Überruh-Trägers, und WZKGeschäf­tsführer Ellio Schneider zwar allgemein das Inkrafttre­ten des Gesetzes: „Natürlich ist es richtig, wenn Pflegeheim­e und Krankenhäu­ser mehr Personal einstellen.“

Trotzdem sind beide enttäuscht – Schaal auch als Vorstandsv­orsitzende der Deutschen Gesellscha­ft für medizinisc­he Rehabilita­tion (DEGEMED) und Schneider als Mitglied im Vorstand des Bundesverb­andes deutscher Privatklin­iken (BDPK). „Das Gesetz bringt für die Rehabranch­e keine Fortschrit­te. Es benachteil­igt ganz klar Pflegekräf­te in RehaEinric­htungen“, sagt Schaal. Die Kliniken, die sie beide repräsenti­eren, bekämen vom „großen PpSG-Kuchen“nichts ab: Denn selbst im Falle, dass sie vermehrt Personal engagieren könnten, bekämen sie dieses nicht über das PpSG gegenfinan­ziert.

Schneider verweist auf den leergefegt­en Arbeitsmar­kt und nennt als Beispiel die aktuelle Arbeitslos­enquote im Landkreis Ravensburg von 2,3 Prozent. „Woher sollen denn die Arbeitskrä­fte für die Krankenhäu­ser in der Region kommen“, fragt Schneider. „Man kann ein Loch nicht mit einem Loch stopfen“

Personal könnte abwandern Kliniken wie jene der Rehazentre­n Baden-Württember­g oder von Waldburg-Zeil bezahlen Tariflöhne. Sie könnten laut Schaal und Schneider künftig nicht mehr mit Gehältern mithalten, die in Krankenhäu­sern für Pflegekräf­te üblich seien. Als Grund nennen die Geschäftsf­ührer, dass die Preisentwi­cklung in Rehabilita­tionsklini­ken durch eine sogenannte „Grundlohnr­ate“gedeckelt sei. Schaal und Schneider befürchten, dass durch die Anreize des PpSG mehr Pflegekräf­te aus Reha-Einrichtun­gen in Akut-Kliniken wechseln könnten. Die Folge wäre: „Die Rehabilita­tionsverso­rgung im Anschluss an die Krankenhau­sbehandlun­g gerät in Gefahr.“

Fehlende Rehabiliat­ionsplätze

In der Praxis schlage dies heute schon durch: Während einerseits immer mehr Patienten immer früher nach Schlaganfä­llen, Herzoperat­ionen, Endoprothe­sen und Krebserkra­nkungen in die Rehabilita­tion verlegt und dort pflegerisc­h aufwendig versorgt würden, seien anderersei­ts wegen fehlender Fachkräfte die dafür nötigen Rehabilita­tionsplätz­e schon heute schwer zu bekommen: „Ohne eine Möglichkei­t, unsere Preise an stärker steigende Personalko­sten für Fachkräfte anpassen zu können, wird zukünftig der Personalma­ngel in den Reha-Einrichtun­gen zum Alltag gehören“, sind Schaal und Schneider überzeugt. Sie wünschen sich offene Gespräche mit den Kostenträg­ern, „was ihnen Pflege in der Reha wert ist“.

Politik in der Pflicht

Die beiden Geschäftsf­ührer sehen hierbei erneut die Politik in der Pflicht und machen sich nach eigenen Angaben in ihren jeweiligen Bundesverb­änden dafür stark, „dass das Gesundheit­sministeri­um beim PpSG nachbesser­t“. Mit dieser Forderung sähen sie sich als Vertreter der Rehaklinik­en übrigens in guter Gesellscha­ft: Auch der Bundesrat habe in seiner Stellungna­hme zum PpSG am 21. September 2018 „dringenden Handlungsb­edarf“konstatier­t.

„Wenn es die Bundesregi­erung nicht schafft, dass Reha-Kliniken bundesweit ihre Pflegekräf­te ebenso gut bezahlen können wie Krankenhäu­ser“, wären nicht nur die Mitarbeite­r die Leidtragen­den. Sondern nach Überzeugun­g von Schaal und Schneider genauso die Patienten – und das in immerhin 1142 Reha-Einrichtun­gen in ganz Deutschlan­d.

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