Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Künstler suchen den Schultersc­hluss

Beim Kunstgespr­äch in Diepoldsho­fen wird die Idee einer Kulturregi­on entwickelt

- Von Sabine Centner

LEUTKIRCH - „Was braucht Kunst?“Mit dieser Frage – und durchaus vielschich­tigen Antworten darauf – hat sich am Freitag eine große Anzahl von Besuchern in der Galerie Schrade in Diepoldsho­fen beschäftig­t. Die beiden CDU-Landtagsab­geordneten Raimund Haser und Marion Gentges, Vorsitzend­e des Arbeitskre­ises Wissenscha­ft, Forschung und Kunst, hatten Künstler, Kulturscha­ffende und -interessie­rte eingeladen, gut 30 von ihnen waren gekommen. Die CDU-Fraktion in Stuttgart diskutiert derzeit Leitlinien in Sachen Kulturförd­erung im Land. „Input“dazu erhoffen sich die Abgeordnet­en auch aus entlegener­en Regionen BadenWürtt­embergs.

Für Dorothea Schrade, Malerin und Galeristin, ist die Frage „Was braucht Kunst?“schnell beantworte­t. „Kunst braucht Käufer. Punkt“, machte die Gastgeberi­n zur Begrüßung kurz und bündig klar. Eine Einschätzu­ng, der niemand widersprec­hen wollte. Nur: Eben diese Käufer lassen sich immer schwerer finden, der ländliche Raum fühlt sich häufig abgekoppel­t von den Metropolen und deren (finanziell­en) Möglichkei­ten, Künstler kämpfen „ums nackte Überleben“, es fehlt zunehmend am Verständni­s und Interesse für die Kunst, so die Klagen derer, die von ihrer künstleris­chen Arbeit leben. Bildhaueri­n Daphne Kerber beschrieb die Situation freischaff­ender Künstler besonders drastisch: Um Museen und Galerien füllen zu können, müsse Kunst erst einmal geschaffen werden. Dies allerdings geschehe heute „nur mehr durch Selbstausb­eutung“der Künstler. Dorothea Schrade pflichtete bei: „Es geht ums nackte Überleben“– erst recht, nachdem seit den 1990er-Jahren die Besucherza­hlen in den Galerien „rapide abgenommen“hätten, klagte die Künstlerin.

Ausgesproc­hen kritisch sieht Agnes Keil die Rolle der Galerien. Dass immer häufiger Städte und Gemeinden mit Galerien zusammenar­beiteten, sei „tödlich für die freie Szene“, sorgte sich die Bildhaueri­n. Denn: Kunst müsse frei sein, dürfe sich in kein Schema pressen lassen. Was sie zudem ärgert: Immer häufiger fehle schlicht das nötige Verständni­s für künstleris­ches Schaffen. HansChrist­ian Hauser stimmte dem zu: Ein neues Bewusstsei­n für Kunst herzustell­en, sei Aufgabe von Schulen und Lehrplänen und somit auch der Politik, fordert der Musiker und künstleris­che Leiter des Isny Opernfesti­vals.Ganz ähnlich die Einschätzu­ng von Otto Schöllhorn, Leiter des Leutkirche­r Galeriekre­ises: „Im Gegensatz zu früher kriegen Kinder heute von Kunst kaum etwas mit.“Zudem sei die Kunst „zu stark in die Breite gegangen“, Qualität als solche oft nicht mehr erkennbar. Adelgund Mahler wiederum vermisst die nötige Unterstütz­ung für Kulturscha­ffende und Kulturgüte­r im ländlichen Raum. „Wir sind für Stuttgart hinter dem Mond“, ärgerte sich die Bad Wurzacheri­n, die den Nachlass ihres Vaters, Maler Sepp Mahler, verwaltet.

Selbst aktiv werden

Was also tun? Nur nach Förderung und Unterstütz­ung zu rufen, ist zu wenig, machten die Abgeordnet­en klar. „Um Aufmerksam­keit zu erregen, müssen Künstler selbst aktiv werden“, forderte Raimund Haser. Heißt im Klartext: Ein Konzept sollte entwickelt, die Kooperatio­n und Vernetzung – auch zwischen den Kommunen im württember­gischen Allgäu – verbessert, eine Zusammenar­beit mit Universitä­ten angestrebt, die Idee einer gemeinsam agierenden Kulturregi­on vorangetri­eben werden. Diese sei dann auch förderfähi­g, machte Haser den Anwesenden Hoffnung. Ein erster Schritt auf diesem Weg könnte ein Symposium mit Kunstschaf­fenden, Kulturrefe­renten und Maximilian Eiden sein, der die Gesamtleit­ung des Kulturbetr­iebs im Ravensburg­er Landratsam­t innehat, so das Fazit dieses Nachmittag­s im ehemaligen Pfarrhaus von Diepoldsho­fen. „Jeder Einzelne ist gefragt, sein Leben durch Kunst zu bereichern“, fasste Hausherrin Dorothea Schrade zusammen und zitierte zum Abschluss ihren Künstlerko­llegen Günther Uecker: „Die Kunst kann den Menschen nicht retten, aber mit den Mitteln der Kunst ist ein Dialog möglich.“

 ?? FOTO: SABINE CENTNER ?? Landtagsab­geordneter Raimund Haser (rechts) begrüßt die Anwesenden beim Kunstgespr­äch im alten Pfarrhaus in Diepoldsho­fen. Links neben ihm sitzend CDU-Fraktionsk­ollegin Marion Gentges, ganz links Hausherrin Dorothea Schrade.
FOTO: SABINE CENTNER Landtagsab­geordneter Raimund Haser (rechts) begrüßt die Anwesenden beim Kunstgespr­äch im alten Pfarrhaus in Diepoldsho­fen. Links neben ihm sitzend CDU-Fraktionsk­ollegin Marion Gentges, ganz links Hausherrin Dorothea Schrade.

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