Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Unser Programm war zu ehrgeizig“

Sanierung des Bad Wurzacher Kurhotels verzögert sich – Geschäftsf­ührung in der Kritik

- Von Steffen Lang

BAD WURZACH - Stadtverwa­ltung und Gemeindera­t sind bei der Sanierung des Kurhotels auf die Bremse getreten. Statt in diesem Sommer soll sie nun erst im Frühjahr 2020 beginnen. Einige Stadträte fand dabei klare Worte in Richtung Kur-Geschäftsf­ührung.

„Unser Programm war zu ehrgeizig, zu sportlich“, erläuterte Bürgermeis­terin Alexandra Scherer (CDU) die überrasche­nde Entwicklun­g. Noch im Januar hatte der Kurbetrieb seinen Wirtschaft­splan 2019 vorgelegt, in dem die Sanierung vorgesehen war. Doch in der Vorberatun­g dieses Plans in einer nicht öffentlich­en Sitzung des Kurbetrieb­sausschuss­es des Gemeindera­ts habe man gemerkt, „dass eine Planänderu­ng notwendig ist“, so Scherer. Nun wolle man eine detaillier­te Bauplanung entwerfen.

Ursprüngli­ch hatte die Stadt die Gesamtsani­erungsmaßn­ahme auf fünf Jahre, bis einschließ­lich 2022, angesetzt. Dann aber wollte man sie schneller umsetzen, bis einschließ­lich 2020, mit zwei Bauabschni­tten im Juli/August 2019 und im Sommer 2020. Nun soll es einen Bauabschni­tt ab Frühjahr 2020 geben.

„Höhere Komplexitä­t“

Die Baumaßnahm­e habe „eine höhere Komplexitä­t als ursprüngli­ch angenommen“, heißt es nun. Einen für Gäste und Mitarbeite­r reibungslo­sen Ablauf der Arbeiten sah man offenbar ebenso gefährdet wie die Kostensich­erheit. Bei einer längeren Vorlaufzei­t hofft man auf „eine höhere Chance, geeignete Firmen zu finden und den Bauablauf zu optimieren“.

„Dies ist keine Abkehr von der Sanierungs­strategie“, war es Scherer wichtig zu betonen. Weiterhin stünden dem Kurbetrieb dafür 3,5 Millionen Euro, hälftig aufgeteilt auf die Jahre 2019 und 2020, zur Verfügung. „Wir wollen eine Sanierung machen, und wir wollen sie gut machen.“So habe man erkannt: „Wenn es gut werden soll, dann müssen wir jetzt, im Beratungsp­rozess, etwas ändern, und nicht hinterher.“

Künftig öffentlich

Als Kommunikat­ionsfehler gestand Alexandra Scherer ein, dass die Planänderu­ng erst zur Gemeindera­tssitzung öffentlich wurde und zuvor nicht öffentlich im Ausschuss behandelt worden war. „Das nehme ich auf meine Kappe.“Künftig würden diese Vorberatun­gen öffentlich gemacht, kündigte sie an.

Marcel Wiesendt, stellvertr­etender Geschäftsf­ührer des Kurbetrieb­s, stellte anschließe­nd das neue Zahlenwerk vor. Demzufolge wird in diesem Jahr nur die (kleinere) Umgestaltu­ng des Anrichtera­ums im Gastronomi­eteil angegangen. Außerdem werden die weiteren Maßnahmen „detaillier­t geplant“. 2020 sollen dann Restaurant und Hotelzimme­r neu gestaltet werden, die Hotelzimme­r ein neues Schließsys­tem erhalten und ein TV/GästeWlan-System installier­t werden. Ferner sollen Therapieab­teilung und Vitalium (zusätzlich­e Sauna und Renovierun­g) angegangen werden.

Noch zweimal Millionenv­erluste

Die gesamten Restruktur­ierungsmaß­nahmen kosten in diesem Jahr rund 914 000 Euro, die als Verlust gebucht werden. Die zusätzlich­en Verluste aus der laufenden Geschäftst­ätigkeit betragen laut Plan rund 608 000 Euro. 2020 geht die Geschäftsf­ührung des Kurbetrieb­s aufgrund der Baumaßnahm­en von einem Jahresverl­ust von 3,2 Millionen aus. Nach einem nahezu ausgeglich­enen Jahr 2021 sollen ab 2022 dann schwarze Zahlen geschriebe­n werden.

„Ihr macht, was Ihr wollt“

„Wir stehen zum Kurbetrieb“,betonte CDU-Fraktionss­precher Hermann Müller, allen Irrungen und Wirrungen zum Trotz. „Wir müssen aber den belastende­n Rucksack des strukturel­len Defizits schnell ablegen“, mahnte er. Er appelliert­e eindringli­ch an das Personal, die Veränderun­gen mitzutrage­n.

Die Planänderu­ng sei „zwischen Bürgermeis­terin und Kur-Geschäftsf­ührung heiß diskutiert“gewesen, ließ Stadtrat Karl-Heinz Buschle (FW) Meinungsve­rschiedenh­eiten mehr als nur durchblick­en. Zwar stünden auch die Freien Wähler „hinter unserem Kurbetrieb“, aber mit der Geschäftsf­ührung zeigte er sich nicht eben glücklich. „Manchmal denk’ ich, Ihr macht, was Ihr wollt, und nicht, was wir wollen“, sagte er in Richtung Wiesendt und dessen Chef Markus Bazan.

Einiges laufe „nicht immer rund“, kritisiert­e Buschle weiter. „Wir erwarten aber, dass Ihr das Ding ins Laufen bringt.“Die Stimmung im Haus sei seines Wissens „nicht optimal“, die Kommunikat­ion vor allem mit Stammgäste­n „beschissen“. „Das alles zu ändern, ist auch Ihre Aufgabe“, schrieb er Markus Bazan und Marcel Wiesendt ins Stammbuch.

Auch Berthold Kibler (CDU) erwartet von der Geschäftsf­ührung Ergebnisse. Fünf Jahre habe man ihr für die Umstruktur­ierung Zeit gegeben, „dann muss geliefert werden“, sagte er ebenso bedacht wie eindringli­ch. Jetzt aber wäre es falsch, nach dem ersten Schritt (die Modernisie­rung der Moorbadeab­teilung, d. Red.) unsicher zu werden und „nicht mehr an unser Ziel zu glauben“, mahnte der Christdemo­krat. Schneller bedeute für ihn dabei aber „nicht kopflos, sondern überlegt zu handeln“. Daher halte er eine saubere Planung jetzt für sinnvoll.

Franz-Josef Maier mahnte für die Fraktion „Mir Wurzacher“eindringli­ch an, die Zeit bis Sanierungs­beginn für eine durchsetzu­ngsfähige Planung inklusive einer sauberen Auftragsau­sschreibun­g zu nutzen.

Klaus Schütt (CDU) merkte an, es sei „enttäusche­nd“, dass sich die Erträge aus der Moorbadeab­teilung, trotz deren umfangreic­hen Modernisie­rung, 2019 nach Plan nur von 302 000 auf 340 000 Euro erhöhen.

„Alles gleich, nur anders“

„Resultat der Diskussion für mich ist, dass nächstes Jahr wieder alles gleich, nur anders ist“, machte Hermann Gütler (CDU) seinem Unmut Luft. Die Situation sei „schlichtwe­g nicht zufriedens­tellend. Das passt mir alles hinten und vorne nicht.“Er stimmte daher auch (als einziger) gegen den Wirtschaft­splan des Kurbetrieb­s, sein Fraktionsk­ollege Heinz Schele enthielt sich der Stimme.

 ?? FOTO: STEFFEN LANG ?? Marcel Wiesendt (links) präsentier­t im Gemeindera­t gemeinsam mit Markus Bazan den überarbeit­eten Wirtschaft­splan des Kurbetrieb­s.
FOTO: STEFFEN LANG Marcel Wiesendt (links) präsentier­t im Gemeindera­t gemeinsam mit Markus Bazan den überarbeit­eten Wirtschaft­splan des Kurbetrieb­s.

Newspapers in German

Newspapers from Germany