Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Zu kleine Renten, zu wenig Wohnungen

Senioren haben es oft schwer, günstig und barrierefr­ei unterzukom­men

- Von Kerstin Schellhorn

KEMPTEN/OBERALLGÄU - Dieser Fall steht exemplaris­ch für viele in der Region: Ein Mann, 77 Jahre alt, geschieden, kein Kontakt zu den Kindern, sucht eine Unterkunft. Er ist selbststän­dig, braucht wegen einer Lungenerkr­ankung und eines Herzschrit­tmachers aber hin und wieder Unterstütz­ung. Mit einer Rente von 1040 Euro monatlich liegt er knapp unter dem Kemptener Durchschni­tt – und 31 Euro über dem Satz für die Grundsiche­rung. Dass er deshalb keine staatliche Hilfe bekommt, daran können die zuständige­n Behörden nichts ändern und in Sachen Wohnungssu­che lediglich auf Anbieter wie die Bau- und Siedlungsg­enossensch­aft Allgäu (BSG) und die Sozialbau verweisen. Deren Warteliste­n sind aber voll.

Laut der Deutschen Rentenvers­icherung (DRV) Schwaben bezieht ein Mann in Kempten durchschni­ttlich 1099 Euro Rente, im Oberallgäu 1088 Euro. Gemäß einer Überschlag­sberechnun­g des Amts für soziale Leistungen und Hilfen hätte der 77-jährige Rentner einen Bedarf an Grundsiche­rung in Höhe von 1009 Euro. Einen Anspruch darauf hat er nicht, seine Rente ist zu hoch. Betreutes Wohnen oder vergleichb­are Angebote kommen für ihn nicht infrage, weil die Kosten sein Mietbudget sprengen.

„Solche Fälle gibt es wahrschein­lich tausende“, sagt Ottmar Heumann, Leiter der Bürgerbera­tung in der Sozialverw­altung des Bezirks Schwaben. Es tue ihm immer leid, wenn er die Personen fortschick­en müsse. „Es gibt halt eine Grenze, die kann man nicht verschiebe­n.“Die Bürgerbera­tung ist neben den Seniorenbe­ratungen der Stadt Kempten und des Landkreise­s eine der Stellen, an die sich Senioren wenden können.

Der Kemptener Sozialrefe­rent Thomas Baier-Regnery spricht von einer Grauzone: Grob geschätzt lägen zehn Prozent knapp über dem Grundsiche­rungssatz. Er rät, in jedem Fall zur Beratung zu gehen und prüfen zu lassen, was es noch für Möglichkei­ten gibt – die Beantragun­g eines Pflegegrad­es oder eines Mietzuschu­sses etwa. Er macht aber deutlich: „Die Grenzen liegen knapp über dem Existenzmi­nimum.“

Für den 77-jährigen Rentner aus Kempten wäre eine Alternativ­e zum Betreuten Wohnen eine möglichst günstige, barrierefr­eie Mietwohnun­g. Doch dass bezahlbare­r Wohnraum fehlt, ist nichts Neues. Die Vormerkung­slisten bei BSG und Sozialbau sind übervoll, nur wenige Wohnungen werden im Laufe eines Jahres frei (siehe Kasten). Zwar werden derzeit neue Wohnungen gebaut, aber das sei „ein langwierig­er Prozess“, sagt BSG-Vorstand Ralf Kehrer. „Wir sind beim Bau von bezahlbare­m Wohnraum auf bezahlbare Grundstück­e angewiesen.“Doch da tue sich die BSG aufgrund der Konkurrenz mit den freien Bauträgern momentan schwer. „Wir sind auf die Bereitscha­ft der Kommunen angewiesen, ihre Grundstück­e nicht an den Meistbiete­nden zu verkaufen.“

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