Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Zu kleine Renten, zu wenig Wohnungen
Senioren haben es oft schwer, günstig und barrierefrei unterzukommen
KEMPTEN/OBERALLGÄU - Dieser Fall steht exemplarisch für viele in der Region: Ein Mann, 77 Jahre alt, geschieden, kein Kontakt zu den Kindern, sucht eine Unterkunft. Er ist selbstständig, braucht wegen einer Lungenerkrankung und eines Herzschrittmachers aber hin und wieder Unterstützung. Mit einer Rente von 1040 Euro monatlich liegt er knapp unter dem Kemptener Durchschnitt – und 31 Euro über dem Satz für die Grundsicherung. Dass er deshalb keine staatliche Hilfe bekommt, daran können die zuständigen Behörden nichts ändern und in Sachen Wohnungssuche lediglich auf Anbieter wie die Bau- und Siedlungsgenossenschaft Allgäu (BSG) und die Sozialbau verweisen. Deren Wartelisten sind aber voll.
Laut der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Schwaben bezieht ein Mann in Kempten durchschnittlich 1099 Euro Rente, im Oberallgäu 1088 Euro. Gemäß einer Überschlagsberechnung des Amts für soziale Leistungen und Hilfen hätte der 77-jährige Rentner einen Bedarf an Grundsicherung in Höhe von 1009 Euro. Einen Anspruch darauf hat er nicht, seine Rente ist zu hoch. Betreutes Wohnen oder vergleichbare Angebote kommen für ihn nicht infrage, weil die Kosten sein Mietbudget sprengen.
„Solche Fälle gibt es wahrscheinlich tausende“, sagt Ottmar Heumann, Leiter der Bürgerberatung in der Sozialverwaltung des Bezirks Schwaben. Es tue ihm immer leid, wenn er die Personen fortschicken müsse. „Es gibt halt eine Grenze, die kann man nicht verschieben.“Die Bürgerberatung ist neben den Seniorenberatungen der Stadt Kempten und des Landkreises eine der Stellen, an die sich Senioren wenden können.
Der Kemptener Sozialreferent Thomas Baier-Regnery spricht von einer Grauzone: Grob geschätzt lägen zehn Prozent knapp über dem Grundsicherungssatz. Er rät, in jedem Fall zur Beratung zu gehen und prüfen zu lassen, was es noch für Möglichkeiten gibt – die Beantragung eines Pflegegrades oder eines Mietzuschusses etwa. Er macht aber deutlich: „Die Grenzen liegen knapp über dem Existenzminimum.“
Für den 77-jährigen Rentner aus Kempten wäre eine Alternative zum Betreuten Wohnen eine möglichst günstige, barrierefreie Mietwohnung. Doch dass bezahlbarer Wohnraum fehlt, ist nichts Neues. Die Vormerkungslisten bei BSG und Sozialbau sind übervoll, nur wenige Wohnungen werden im Laufe eines Jahres frei (siehe Kasten). Zwar werden derzeit neue Wohnungen gebaut, aber das sei „ein langwieriger Prozess“, sagt BSG-Vorstand Ralf Kehrer. „Wir sind beim Bau von bezahlbarem Wohnraum auf bezahlbare Grundstücke angewiesen.“Doch da tue sich die BSG aufgrund der Konkurrenz mit den freien Bauträgern momentan schwer. „Wir sind auf die Bereitschaft der Kommunen angewiesen, ihre Grundstücke nicht an den Meistbietenden zu verkaufen.“