Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Amt berät vor Rückkehr ins Herkunftsland
Fehlende Perspektive ist für Geflüchtete im Landkreis oft Grund für freiwillige Ausreise
RAVENSBURG - Geflüchtete Menschen haben Hoffnung im Gepäck, wenn sie in Deutschland ankommen. Hoffnung auf ein Leben in Frieden, manche auch auf Arbeit, auf einen guten Verdienst und vor allem die Hoffnung, bleiben zu dürfen. Viele Geflüchtete reisen aber auch jedes Jahr freiwillig in ihr Herkunftsland zurück. Aber was sind die Gründe dafür?
Im Jahr 2018 sind 33 Menschen aus dem Landkreis Ravensburg freiwillig in ihr Heimatland zurückgekehrt – 29 Männer, 2 Frauen und 2 Kinder. Die meisten sind nach Mazedonien ausgereist (6). Jeweils vier Personen sind nach Gambia, Indien und Syrien zurückgekehrt. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der freiwilligen Rückreisen um knapp 55 Prozent zurückgegangen – 2017 waren noch 73 Menschen ausgereist. 2016 waren es sogar 154. Der starke Rückgang der freiwilligen Rückreisen ist nicht nur im Landkreis Ravensburg, sondern in ähnlich starkem Maß in ganz Baden-Württemberg festzustellen.
Das Landratsamt Ravensburg bietet eine Rückkehrberatung an und kommt dort mit den Menschen und ihren Motiven für den Wunsch, in die Heimat zurückzukehren, in Berührung. Für das sinkende Interesse sieht die Behörde mehrere Gründe.
Einen großen Anteil an der Gruppe der freiwilligen Rückkehrer machten in den Vorjahren die Menschen aus Westbalkanländern aus, teilte Sprecher Franz Hirth mit. Jetzt gebe es nur noch wenige Ausreisen dorthin, weil sich nur noch vergleichsweise wenige Geflüchtete aus dem Westbalkan in Deutschland aufhielten. Und ihre Zahl dürfte wohl auch auf niedrigem Niveau bleiben: Inzwischen müssen laut Landratsamt Asylsuchende aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien und Montenegro – allesamt als sichere Herkunftsländer klassifiziert – während ihres Asylverfahrens in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen bleiben. Sie werden nicht mehr an die Landkreise weiterverwiesen.
Bis zu 2200 Euro Unterstützung
Zu den weiteren Gründen für den Rückgang der freiwilligen Rückreisen zähle die nach wie vor hohe Anzahl an Klageverfahren von abgelehnten Asylbewerbern. Solange die Menschen noch auf einen Aufenthaltstitel hoffen, entscheiden sie sich offenbar eher nicht für die freiwillige Ausreise.
Derweil hat es eine gewisse Verschiebung unter den Interessenten der Rückkehrberatung gegeben. „Tendenziell kommen mittlerweile mehr Afrikaner in die Rückkehrberatung, vor allem Gambier, deren Asylanträge bereits abgelehnt wurden“, teilte Franz Hirth, mit. Für sie ergebe sich eine „zunehmende Perspektivlosigkeit“in Deutschland.
Allerdings sind viele Afrikaner vor Jahren wegen Perspektivlosigkeit in ihrer Heimat Richtung Europa aufgebrochen. „Die Rückkehr ist für die Menschen ein Gesichtsverlust“, sagt der Leiter der Ausländerbehörde des Landkreises, Klaus Preisinger. Eine Rückkehr sei für die Betroffenen dann möglich, wenn über Beziehungen ins Heimatland dabei geholfen wird, dass sie dort wieder Fuß fassen. Die Organisation der Rückkehr ist die Aufgabe sogenannter Reintegrations-Scouts, die in deutschen Behörden sitzen.
Und: Wer freiwillig zurückgeht, bekommt Geld. Ein freiwillig Ausreisender kann aktuell bis zu 2200 Euro an finanzieller Unterstützung bekommen. Der Betrag sei zum einen für die Kosten der Rückreise gedacht, zum anderen als Starthilfe. Je nach Herkunftsland und Fördertöpfen, die zur Verfügung stehen, könnte auch Geld für eine Existenzgründung zur Verfügung gestellt werden, sagt Preisinger.
Die Asylverfahren der freiwilligen Rückkehrer befinden sich in unterschiedlichsten Stadien. Auch wenn das Verfahren noch läuft oder bereits eine Anerkennung vorhanden ist, wollten manche aber aus freien Stücken zurückkehren, so Preisinger. Meist gebe es dafür gravierende persönliche Gründe.
„Im Einzelfall kann das sein, dass ein Angehöriger im Sterben liegt oder Hilfe braucht“, so Preisinger. Die meisten freiwilligen Rückkehrer hätten allerdings lediglich eine Duldung erhalten, das heißt, dass vorübergehend auf ihre Abschiebung verzichtet wird, sie aber nicht dauerhaft bleiben dürfen.
Die Rückkehrberatung ist freiwillig. Die Ausländerbehörde wirbt gewissermaßen dafür. „Wir schauen schon, wo sind Kandidaten, auf die wir mal zugehen“, sagt Preisinger. Im Jahr 2018 wurden in der Rückkehrberatung 208 Beratungsgespräche mit 80 Personen durchgeführt. Etwas weniger als die Hälfte hat sich daraufhin auch für die Ausreise entschieden.