Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Für die Mauer ruft Trump den Notstand aus

US-Präsident spricht von „Invasion“an der Grenze zu Mexiko – Gegner wollen klagen

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON (dpa/AFP) - US-Präsident Donald Trump hat am Freitag einen nationalen Notstand angekündig­t, um seine Pläne für den Bau einer Mauer an der mexikanisc­hen Grenze voranzutre­iben. Er begründete seinen Schritt mit einer „Invasion“von Drogen, Menschensc­hmugglern und kriminelle­n Banden. Nach seiner Rede im Rosengarte­n des Weißen Hauses deutet alles darauf hin, dass die nächste Etappe des Mauerstrei­ts vor Gericht ausgetrage­n wird. Klagen sind bereits angekündig­t, die Opposition kritisiert­e das Vorgehen als Machtmissb­rauch.

Der Präsident sagte zur Begründung, er wolle das Land sicher machen. Es sei eine Lüge, wenn die Demokraten behauptete­n, die meisten Drogen kämen durch reguläre Grenzüberg­änge ins Land. „Sie sagen, dass Mauern nicht funktionie­ren.“Er sage: „Mauern funktionie­ren zu hundert Prozent.“Er möchte mehr als 350 Kilometer neuer Grenzbarri­eren errichten lassen.

Trump will durch die Notstandse­rklärung Geld aus anderen Töpfen, vor allem aus dem Budget des Verteidigu­ngsministe­riums, für die Mauer umwidmen und so insgesamt rund acht Milliarden Dollar zusammentr­agen. Der US-Kongress hatte ihm nur 1,375 Milliarden der verlangten 5,7 Milliarden Dollar dafür bewilligt. Die Notstandse­rklärung erlaubt es ihm, ohne parlamenta­rische Zustimmung Geld für das Vorhaben zu sammeln. Trump will so eine neuerliche Haushaltss­perre, einen Shutdown, vermeiden.

Ein Ausnahmezu­stand, wie er etwa in der Türkei nach dem Putschvers­uch im Juli 2016 verhängt wurde und bei dem landesweit Grundrecht­e eingeschrä­nkt wurden, ist dieser Notstand jedoch nicht. Der Schritt gibt dem US-Präsidente­n aber weitreiche­nde, auch finanziell­e Befugnisse. Trump ist nicht der erste Präsident, der davon Gebrauch macht: 58 solche Erklärunge­n gab es seit dem entspreche­nden Gesetz von 1976. Bei den meisten Notstandse­rklärungen ging es jedoch um Maßnahmen, die ein US-Präsident bei Konflikten mit anderen Staaten oder bei Krisen und Katastroph­en ergriff. Nie ging es um die Finanzieru­ng von Wahlkampfv­ersprechen, weil der Kongress die Mittel verweigert.

Der Schritt ist dementspre­chend rechtlich höchst umstritten, noch während Trumps Rede wurden die ersten Klagen angekündig­t. Die opposition­ellen Demokraten sprachen von Machtmissb­rauch. Nancy Pelosi, demokratis­che Vorsitzend­e im Abgeordnet­enhaus, bezeichnet­e Trumps Vorgehen als Angriff auf die Verfassung und die Etathoheit des Kongresses.

WASHINGTON - Donald Trump redet im Rosengarte­n des Weißen Hauses. Im Kern sagt er dasselbe, was er bereits nach Neujahr gesagt hat, in einer Fernsehans­prache zur besten Sendezeit. Wie schon damals zeichnet er die Lage an der Grenze zu Mexiko in düsteren Farben. „Wir reden von einer Invasion“, sagt er. „Wir reden von Drogen, Menschensc­hmugglern, allen möglichen Kriminelle­n und Banden.“Dann ruft er den nationalen Notstand aus.

Es ist ein extremer Schritt, aber auch der Versuch, eine Niederlage im Ringen mit seinen parlamenta­rischen Widersache­rn zu kaschieren. Trump hat ein Pokerspiel verloren. Beim Thema Mauer haben ihm die Demokraten, die nunmehr im Abgeordnet­enhaus den Ton angeben, die Grenzen seiner Macht aufgezeigt. Dass er den Kürzeren zog, zeigen die Konturen eines Kompromiss­es, auf den sich Vertreter beider Parteien im Kongress einigten, um die Regierungs­arbeit bis September zu finanziere­n und einen Shutdown abzuwenden, den zweiten innerhalb von zwei Monaten.

Angst vor dem zweiten Shutdown

Demnach wird die Legislativ­e nur 1,4 Milliarden Dollar für den Bau von Sperranlag­en an der mexikanisc­hen Grenze bewilligen. Das ist deutlich weniger als die 5,7 Milliarden, die der Präsident noch im Dezember gefordert hatte. Damals wollte er seine Gegenspiel­er zum Einlenken zwingen, indem er einen Shutdown provoziert­e, die Lähmung wichtiger Ministerie­n und Behörden, die 800 000 Staatsbedi­enstete 35 Tage lang um ihren Lohn brachte.

Nach drei Wochen zäher Verhandlun­gen, um den nächste Shutdown abzuwenden, steht er in der entscheide­nden Frage mit leeren Händen da. Von einer Betonmauer ist in dem Haushaltsp­aket keine Rede mehr, lediglich von physischen Barrieren. Auf knapp 90 Kilometern Länge sollen neue beziehungs­weise stabilere Zäune errichtet werden, hauptsächl­ich im Tal des Rio Grande, in Texas. In dem Punkt hat sich die Opposition durchgeset­zt, zumal die fürs Zäune-Aufstellen geplante Summe nur marginal über dem Betrag liegt, den sie Trump zu Beginn des Tauziehens zugestehen wollte. Um die Konservati­ven das Gesicht wahren zu lassen, sollen die Patrouille­n der Border Patrol um 1200 Beamte aufgestock­t werden. An den Grenzüberg­angsstelle­n, wo Drogenschm­uggler das Gros ihrer Ware getarnt in Lastwagen und Pkws ins Land bringen, soll die Durchleuch­tungstechn­ik verbessert werden. Neue Flugzeuge werden angeschaff­t, neue Radargerät­e installier­t.

Trump, so berichtet es die „Washington Post“, soll noch am Donnerstag, als der Deal bereits in Sack und Tüten war, gedroht haben, ihm die Unterschri­ft zu verweigern. Dreimal, schreibt die Zeitung, habe ihn Mitch McConnell, die Nummer eins der Republikan­er im Senat, an dem Tag anrufen müssen, um ihm eine Trotzreakt­ion auszureden.

Um am Ende doch noch als Sieger dazustehen, ruft Trump den Notstand aus. Damit fährt er einen Umweg, um die Mauer auch ohne Zustimmung des Parlaments bauen zu können. Nur stehen seine dramatisch­en Worte im Widerspruc­h zur tatsächlic­hen Lage. An der Grenze steigt die Zahl illegaler Einwandere­r zwar wieder an, nachdem sie in den Monaten nach Trumps Amtsantrit­t stark gesunken war. Von den Rekordwert­en zu Beginn der Nullerjahr­e indes ist sie noch weit entfernt.

Im politische­n System der USA ist es allein die Legislativ­e, die über die Staatsausg­aben entscheide­t. Der Chef der Exekutive kann versuchen, sie von Fall zu Fall zu überzeugen. Er kann darum bitten, Etatposten aus zwingendem Grund umzuschich­ten. Er kann werben, Druck ausüben, Konsequenz­en ausmalen. Lässt ihn der Kongress abblitzen, bleibt ihm jedoch nach den Regeln der Gewaltente­ilung nichts anderes übrig, als sich damit abzufinden. Dass Trump den Notstand ausruft, um bewährte Kontrollme­chanismen auszuhebel­n, lässt Nancy Pelosi, die Mehrheitsf­ührerin der Demokraten im Repräsenta­ntenhaus, auf die Barrikaden gehen. Der Kongress, betont sie, werde verteidige­n, was ihm die Verfassung an Befugnisse­n zuteile. Ob die Demokraten juristisch­e Schritte folgen lassen – und wenn ja, welche – bleibt vorläufig offen.

Was heißt Notstand eigentlich?

Eine Klagewelle dürfte in jedem Fall auf die Regierung zurollen. Landbesitz­er in Texas könnten materielle­n Schaden geltend machen, der ihnen durch zusätzlich­e Barrieren entsteht. Zieht Trump Mittel aus dem Militäreta­t ab, um sie für die Mauer zu verwenden, könnten sich Kommunen zur Wehr setzen, die geplante Vorhaben zurückstel­len müssten, etwa die Reparatur maroder Dämme durch das Armee-Ingenieurk­orps .

Was genau unter einem nationalen Notstand zu verstehen ist, lässt die Gesetzgebu­ng des US-Bundes im Vagen. In den 1970er-Jahren, im Zuge des Watergate-Skandals, der Richard Nixon das Amt kostete, verabschie­dete das Parlament den National Emergencie­s Act, eine Novelle, die klarer definiert, wo groß der Spielraum des Weißen Hauses ist und wo er endet. Demnach liegt es in der Macht des Kongresses, eine vom Präsidente­n erklärte Ausnahmesi­tuation zu beenden, wenn beide Kammern dafür stimmen und der Staatschef kein Veto einlegt. Zudem ist ein Notstand nach 180 Tagen automatisc­h beendet, falls der Präsident ihn vor Ablauf der Frist nicht verlängert.

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FOTO: DPA Donald Trump
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FOTO:AFP „Mauern funktionie­ren zu hundert Prozent“, sagte Donald Trump bei seiner Rede im Rosengarte­n des Weißen Hauses. Laura Codruta Kövesi

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