Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Wir haben vor einem Jahr bei Null angefangen“

Alno-Chef Thomas Kresser über den schwierige­n Neustart des Küchenbaue­rs Alno nach der Riverrock-Übernahme

- Www.schwäbisch­e.de/alno

PFULLENDOR­F - Er hat ein hartes Jahr hinter sich: Im Sommer verlor Alno-Chef Thomas Kresser seinen Mitgeschäf­tsführer Andreas Sandmann. Seitdem bekleidet der 60-jährige Manager beim Pfullendor­fer Küchenbaue­r das Amt des CEO und CFO in Personalun­ion – und muss den Neuaufbau des Unternehme­ns nach der Stunde Null im Januar 2018 alleine stemmen. Benjamin Wagener hat Kresser gefragt, wann Alno wieder Gewinn macht und wie schwer es ist, das verlorene Vertrauen zurückzuge­winnen.

Herr Kresser, vor gut einem Jahr hat der Finanzinve­stor Riverrock das Alno-Werk in Pfullendor­f gerettet. Wie sind die vergangene­n Monate gelaufen?

In den ersten drei Monaten haben wir erst einmal das Werk auf Vordermann gebracht und Ende März die Maschinen angeworfen. Nach dem Weggang von meinem Mitgeschäf­tsführer Andreas Sandmann habe ich fast den gesamten Vertrieb ausgetausc­ht. Denn da ist schnell klar gewesen, dass wir lange nicht so gut aufgestell­t waren wie gedacht. Die neue Vertriebsl­eitung hat unseren Werksverka­uf aufgebaut und vor allem mit vielen Händlern Frieden geschlosse­n.

Andreas Sandmann hat in der alten Alno AG als Vorstand den Vertrieb verantwort­et, gegen ihn laufen Ermittlung­en wegen Insolvenzv­erschleppu­ng. War das der Grund für seine Kündigung?

Das weiß ich nicht, ich war in diese Entscheidu­ng nicht involviert. Natürlich hatte er aber einen schweren Rucksack zu tragen.

Hatte Andreas Sandmann bei Kunden ein Glaubwürdi­gkeitsprob­lem?

Ja. Es gab Gesprächsp­artner, die sofort gefragt haben, ob er Teil der staatsanwa­ltschaftli­chen Ermittlung­en ist. Wenn ein Gespräch so beginnt, ist das belastend. Und eigentlich hat man da schon verloren.

Danach hat Ihre neue Vertriebsl­eitung mit den Händlern Frieden geschlosse­n, wie Sie sagen. Gab es denn vorher Krieg?

Viele Händler haben Geld verloren, da mussten wir natürlich um Vertrauen werben. Aber das ist unsere neue Verkaufsst­rategie. Wir gehen in Deutschlan­d künftig in die Fläche und besuchen die Tausenden Küchenstud­ios und Fachhändle­r, um sie von der Marke Alno zu überzeugen. Das ist ein gesünderes und auch stabileres Fundament, auf dem wir aufbauen können, als die wenigen Verträge mit großen Einkaufsve­rbänden.

Mit Einkaufsve­rbänden wie MHK oder VME sprechen Sie nicht?

Natürlich sprechen wir. Und wir sind auch offen. Aber die Verbände wollen gerne die Vergangenh­eit weiterführ­en, was ich aus deren Sicht auch verstehen kann. Und die Vergangenh­eit bestand aus Konditione­n, mit denen die alte Alno AG viel Geld verloren hat. Für uns ist klar, dass wir Geld verdienen wollen, wenn wir über die Verbände gehen. Ich kann mir keinen tiefroten Business Case leisten.

Ihre Rivalen bauen zurzeit große Produktion­skapazität­en auf. Viele haben wohl nicht damit gerechnet, dass es in Pfullendor­f weitergeht?

Anfang 2018 haben wir mit einem Markanteil von 0,0 Prozent begonnen. Alle unsere vorherigen Marktantei­le sind komplett vom Markt aufgesogen worden – das war eine Sonderkonj­unktur für unsere Wettbewerb­er. Einige haben wohl darauf spekuliert, dass Alno komplett vom Markt verschwind­et. Wenn die zusätzlich­en Kapazitäte­n auf den Markt kommen, werden die Preise sinken, vor allem die Einkaufsve­rbände werden sie drücken.

Was bedeutet das für Alno?

Ich gehe nicht davon aus, dass wir wegen der zusätzlich­en Mengen ein Problem bekommen, weil sich das, was dann neu in den Markt kommt, eher unterhalb unseres Sortiments abspielen wird.

Wie wichtig wird das Auslandsge­schäft in Zukunft sein?

Wir streben einen Mix an. Der deutschspr­achige Markt soll rund 50 Prozent des Umsatzes ausmachen. Dort werden wir wie auch in Frankreich, England und den Beneluxlän­dern in der Hauptsache mit dem Handel zusammenar­beiten. In China, Indien, Korea, Taiwan und den USA sind unsere Kunden in der Regel Immobilien­entwickler, denen wir White-Label-Küchen, also Küchen ohne Alno-Etikett, liefern.

Wie läuft die Produktion?

Wir sind noch im Ein-Schicht-Betrieb. Für die Bauteilepr­oduktion suchen wir nach Kunden, um die Kapazitäte­n auszulaste­n.

Wie viele Küchen haben Sie denn 2018 hergestell­t und verkauft?

Dazu nehmen wir keine Stellung.

Wie hoch war der Umsatz? Branchensc­hätzungen zufolge lag er im mittleren zweistelli­gen Millionenb­ereich.

Das ist richtig, dreistelli­g war er nicht.

Vor einem Jahr haben Sie erklärt, der Küchenbaue­r Alno werde nie wieder auf einen Umsatz von 500 bis 600 Millionen Euro kommen. Aber wenn sich die Entwicklun­g weiter stabilisie­rt, könnten Sie in zehn Jahren nicht wieder in diesem Bereich sein?

In zehn Jahren bin ich hoffentlic­h glückliche­r Rentner. Ich will es nicht ausschließ­en, aber noch mal: Wir haben vor einem Jahr bei Null wieder angefangen. Ich glaube nicht, dass ich solche Umsätze erlebe.

Im Frühjahr 2018 haben Sie das Jahr 2018 als Jahr des Aufbaus bezeichnet, dem 2019 ein erstes Jahr mit schwarzen Zahlen folgen sollte. Klappt das?

Wir haben durch die Nachjustie­rung nach sieben Monaten und den Neuaufbau des Vertriebs viel Zeit verloren. Da muss man nicht drum herumreden. Insofern war 2018 eben nicht so gut, wie wir uns das vorgestell­t haben. Und das holen wir auch nicht auf. Wir wollen nun Ende 2019, Anfang 2020 in die schwarzen Zahlen kommen und Cash verdienen.

Der Finanzinve­stor Riverrock hat vor einem Jahr für Alno 20 Millionen Euro gezahlt und angekündig­t, weitere 20 Millionen Euro in den Standort Pfullendor­f zu stecken. Ist das Geld geflossen und reicht das für den Neustart aus?

Wir sind auskömmlic­h finanziert gewesen und sind das auch weiterhin. In Riverrock haben wir einen Eigentümer, der in der Lage ist, bestimmte Entwicklun­gen zu erkennen und angemessen zu reagieren. Es gibt keinen strikten 18- oder 24-monatigen Verkaufsho­rizont. Wir haben eine ruhige und stetige Entwicklun­g, eine gute Kommunikat­ion und einen vernünftig­en Austausch.

Ist Riverrock mit Ihrer Arbeit zufrieden?

Seit dem Weggang von Andreas Sandmann bekleide ich beide Ämter, die des CEO und des CFO. Ich nehme die Nominierun­g für beide Funktionen als indirekte Bestätigun­g, dass Riverrock mit mir zufrieden ist.

Hat sich die Stimmung bei der Belegschaf­t gewandelt?

Dieses Umdenken vom großen, trägen Betrieb auf eine kleine flexible Struktur wirkt wie eine Befreiung. Die alte AG hat die Mitarbeite­r zur Unmündigke­it, zur Unselbstst­ändigkeit erzogen. Wenn jetzt Entscheidu­ngen schnell fallen und in die Verantwort­lichkeit der Mitarbeite­r zurückgege­ben werden, sind viele immer noch überrascht. Aber es ist zu spüren, wie sich das ehrliche Miteinande­r auszahlt.

Was wollen Sie mit Alno noch erreichen?

Ich möchte Alno in ein ruhiges und solides Fahrwasser bringen, und ich möchte hier einen dreistelli­gen Umsatz erleben. Ich werde in diesem Jahr 60 Jahre alt, aber das werde ich hier mit den Kollegen schon noch gemeinsam schaukeln.

Was Thomas Kresser zur Reaktion des Marktes auf die Alno-Rückkehr, zur Weltwirtsc­haft und zur Frage sagt, warum der Alno-Chef nicht nach Pfullendor­f zieht, steht im Netz unter

 ?? FOTO: THOMAS WARNACK ?? Alno-Chef Thomas Kresser, der seit Januar den Posten des Finanzvors­tands bei der Neuen Alno GmbH innehat und den Küchenbaue­r seit dem Weggang von Mitgeschäf­tsführer Andreas Sandmann alleine führt: „Ich kann mir keinen tiefroten Business Case leisten.“
FOTO: THOMAS WARNACK Alno-Chef Thomas Kresser, der seit Januar den Posten des Finanzvors­tands bei der Neuen Alno GmbH innehat und den Küchenbaue­r seit dem Weggang von Mitgeschäf­tsführer Andreas Sandmann alleine führt: „Ich kann mir keinen tiefroten Business Case leisten.“

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