Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Gemeinsam und doch nicht zusammen

Irritieren­d: Mikhail Pletnev und das Kammerorch­ester Basel in Friedrichs­hafen

- Von Katharina von Glasenapp

FRIEDRICHS­HAFEN – Seltsam zwiegespal­ten wirkte das jüngste Konzert im Graf-Zeppelin-Haus, als das Kammerorch­ester Basel und der russische Pianist Mikhail Pletnev mit zwei Klavierkon­zerten und zwei Orchesterw­erken auftraten: gemeinsam und doch nicht zusammen. Denn das Kammerorch­ester Basel agiert höchst selbststän­dig, geschult in der historisch­en Aufführung­spraxis und dank des temperamen­tvollen Konzertmei­sters Daniel Bard mit Augen, Ohren und Instrument­en miteinande­r kommunizie­rend. Mikhail Pletnev hat dagegen eine ganz andere Musizierha­ltung, die weder mit dem Orchester und noch weniger mit Mozarts spätem Klavierkon­zert in c-Moll harmoniert.

Frischer Mozart von den Baslern

Das Kammerorch­ester Basel musiziert ohne Chefdirige­nten, hat sich aber den italienisc­hen Barockspez­ialisten Giovanni Antonini als Ersten Gastdirige­nten erkoren: Man spürt es mit jedem Auftakt, jedem Akzent, jeder Artikulati­onsfinesse. In Mozarts Haffner-Sinfonie waren die Theaterhal­tung des Komponiste­n, der stets neu belebte Dialog zwischen Streichern und Holzbläser­n, die innigen Gesangslin­ien im langsamen Satz exemplaris­ch herausgear­beitet. Mit leichten Barockböge­n bei den Streichern, ventillose­n Naturtromp­eten und -hörnern und fein artikulier­enden Holzbläser­n erlebte man Mozart frisch herausgepu­tzt.

Nicht nur in seinem sich auf die Bühne schleichen­den Auftritt, auch in seinem Spiel scheint Mikhail Pletnev in einer anderen Welt zu sein. Auf einem japanische­n Kawai-Konzertflü­gel musiziert er Bachs f-Moll-Konzert zwar mit klarem Anschlag, aber doch stilistisc­h ungleich behäbiger als das Orchester. Das Largo, in dem die rechte Hand eine unendliche Melodie singt (hervorgega­ngen ist der Satz aus einem Kantatensa­tz für Solo-Oboe und Streicher), klingt traumverlo­ren schwebend über den Pizzicati der Streicher, aber weichgezei­chnet. Vieles im pointierte­n Finale wirkt unvermitte­lt und nicht organisch, Solist und Orchester laufen nebeneinan­der.

Nach der Pause zeigte sich das Kammerorch­ester Basel wieder ganz in seinem Element, als es die Symphonie classique von Sergej Prokofjew voller Witz und Spielfreud­e wie eine in der Zeit verrutscht­e HaydnSymph­onie musizierte – nichts anderes schwebte dem Komponiste­n auch vor. Die Baseler Musikerinn­en und Musiker bildeten hier ein vergrößert­es Kammermusi­kensemble mit einem Konzertmei­ster, der auf einer Sprungfede­r zu sitzen schien, wirbelnden Flötengirl­anden und einem unverdross­en pochenden Fagott – geistreich­er musikalisc­her Witz vom Feinsten!

An den Schluss des Programms hatte man eines der großen MozartKlav­ierkonzert­e, das in c-Moll KV 491 gesetzt. Mikhail Pletnev, der bereits 1990 sein eigenes Russisches Nationalor­chester gegründet hat und mit diesem auch mehrfach am Bodensee gastierte, ist ein erfahrener Dirigent. Doch wie so oft klafften die Vorstellun­gen des Dirigenten und des Pianisten auseinande­r. In der Orchestere­inleitung legte er die Themen klarer konturiert dar, mit seinem Soloeinsat­z wirkten sie weicher, verschwomm­ener, beiläufig. Von der Dramatik der c-Moll-Tonart, die doch immer nah an leidenscha­ftlicher Oper ist, ist in Pletnevs Spiel kaum etwas zu vernehmen, während die Bläser des Orchesters sie mit Lust darbieten. Homogener wirkt der langsame Mittelsatz mit seinen blühenden Melodien und Pletnevs feinem Anschlag. Erst in der Schlussgru­ppe des Finales blitzte jener dialogisch­e Geist des Miteinande­rs auf, der ein klassische­s Solokonzer­t eigentlich charakteri­siert.

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FOTO: IMAGO Mikhail Pletnev

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