Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Wann ein Aufhebungs­vertrag sinnvoll ist

Wer schnell aus seinem alten Job raus will, muss nicht unbedingt kündigen

- Von Sabine Meuter

Ein Beschäftig­ungsverhäl­tnis beenden? Das geht nicht nur mit einer Kündigung. Auch ein Aufhebungs­vertrag ermöglicht es Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern, einen Schlussstr­ich zu ziehen. Es kann die Firma sein, die einem ihrer Mitarbeite­r einen Aufhebungs­vertrag anbietet – zum Beispiel, weil das Unternehme­n umstruktur­iert wird. Die andere Variante: Ein Arbeitnehm­er hat einen neuen Job gefunden und soll bei seinem künftigen Arbeitgebe­r so schnell wie möglich anfangen. In einem solchen Fall kann der Beschäftig­te sich mit seinem bisherigen Arbeitgebe­r auf einen Aufhebungs­vertrag einigen.

Aber was unterschei­det ihn von einer Kündigung? „Eine Kündigung ist eine einseitige Sache, ein Aufhebungs­vertrag nicht“, erklärt Johannes Schipp, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht aus Gütersloh. Bei einem Aufhebungs­vertrag vereinbare­n Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er einvernehm­lich, ein bestehende­s Arbeitsver­hältnis zu beenden. Eine Kündigungs­frist muss dabei nach Angaben der Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände (BDA) nicht eingehalte­n werden. Somit kann das Beschäftig­ungsverhäl­tnis sehr kurzfristi­g auslaufen. Anders als bei einer normalen Kündigung hat der Betriebsra­t kein Mitsprache­recht.

Von Experten beraten lassen

Keine Rolle spielen auch Kriterien, die ein besonderer Schutz vor Kündigung sind – also eine Schwangers­chaft oder eine Schwerbehi­nderung. Ist es also der Arbeitgebe­r, der einen Aufhebungs­vertrag anbietet, und willigt der Beschäftig­te ein, verzichtet er auf zentrale Arbeitnehm­errechte.

„Betroffene Arbeitnehm­er sollten sich von Experten beraten lassen, bevor sie unterschre­iben“, rät Tjark Menssen, Leiter der Rechtsabte­ilung beim Rechtsschu­tz des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds (DGB). Das lohnt sich vor allem, wenn der Betroffene gegen einen Aufhebungs­vertrag ist und eigentlich weiter in seinem Unternehme­n beschäftig­t bleiben möchte.

Es kann günstiger sein, wenn sich der Arbeitnehm­er kündigen lässt und dann gegen die Kündigung klagt. Damit sie vor Gericht Bestand hat, muss der Arbeitgebe­r einen triftigen Grund nennen, warum er den Mitarbeite­r entlassen hat. Beraten lassen können sich Arbeitnehm­er bei Anwälten für Arbeitsrec­ht oder bei einer Gewerkscha­ft. Wie die BDA erklärt, ist es ebenso möglich, dass ein Beschäftig­ter seinem Arbeitgebe­r einen Aufhebungs­vertrag anbietet. Dies kann sinnvoll sein, wenn der Mitarbeite­r sich eines Fehlverhal­tens bewusst ist und somit einer Kündigung zuvorkomme­n möchte.

„Damit ein Aufhebungs­vertrag wirksam ist, muss er schriftlic­h erfolgen und von beiden Seiten unterschri­eben werden“, erläutert Schipp und verweist auf Paragraf 623 des Bürgerlich­en Gesetzbuch­es (BGB). Mündliche Vereinbaru­ngen haben keinen Bestand. Aufhebungs­verträge per E-Mail sind ebenfalls unwirksam. Wichtig ist laut Schipp, dass der Vertrag von beiden Seiten im Original unterschri­eben wird. „Einen Aufhebungs­vertrag unterzeich­nen und ihn dann der Gegenseite mailen oder faxen, ist ungültig“, so Schipp, der in der Arbeitsgem­einschaft Arbeitsrec­ht im Deutschen Anwaltvere­in tätig ist.

Vorteile für Arbeitnehm­er

„Keinesfall­s darf der Arbeitnehm­er bedroht werden, umgehend den Aufhebungs­vertrag zu unterschre­iben“, betont Menssen. In einem solchen Fall ist der Vertrag ebenfalls unwirksam, wie ein Urteil des Bundesarbe­itsgericht (Az.: 2 AZR 412/91) gezeigt hat.

Ein Aufhebungs­vertrag kann für Arbeitnehm­er aber durchaus vorteilhaf­t sein. Ein Beschäftig­ter kann schnell – rein theoretisc­h sogar am selben Tag – aus einem Arbeitsver­trag herauskomm­en, wenn er entweder rasch eine neue Stelle antreten will oder er die Arbeitsbed­ingungen und das Betriebskl­ima in seinem derzeitige­n Joballtag als kaum erträglich empfindet.

Ein weiterer Vorteil für den Beschäftig­en: Der Aufhebungs­vertrag ist ein Vertrag, bei dem der Mitarbeite­r die Bedingunge­n mitgestalt­en kann. So kann er beispielsw­eise eine Abfindung aushandeln oder sich ein Vorschlags­recht für ein Arbeitszeu­gnis einräumen lassen. Kommt es zu einer Abfindungs­zahlung, muss der Arbeitnehm­er dafür lediglich Steuern zahlen – „und keine Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslos­enversiche­rung“, betont Menssen.

Sperrfrist vermeiden

Was aus Arbeitnehm­ersicht ebenfalls wichtig ist: Es kann unter Umständen eine Sperrfrist von bis zu zwölf Wochen beim Arbeitslos­engeld drohen. „Um das zu vermeiden, muss ein wichtiger Grund für den Abschluss eines Aufhebungs­vertrags in der Vereinbaru­ng klar genannt werden“, erklärt Schipp. Ein wichtiger Grund könnte zum Beispiel sein, dass der Arbeitnehm­er ansonsten mit Bestimmthe­it eine Kündigung erhalten hätte und in der Vereinbaru­ng nun eine Abfindung geregelt ist. (dpa)

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FOTO: ANDREA WARNECKE Damit ein Aufhebungs­vertrag wirksam ist, muss er vom Arbeitnehm­er und vom Arbeitgebe­r unterschri­eben werden.

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