Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Corbyns Kurs spaltet Labour
Sieben Unterhaus-Abgeordnete verlassen Oppositionspartei – Kritik an antisemitischen Umtrieben und Haltung zum Brexit
LONDON - Die britische Labour-Partei spaltet sich. Eine Gruppe von sieben Abgeordneten des Unterhauses hat am Montag ihren Austritt aus der größten Oppositionspartei des Königreichs erklärt. Die drei Frauen und vier Männer wandten sich vor allem gegen die Führung des Parteivorsitzenden Jeremy Corbyn.
Die Gründe der dem moderaten Parteiflügel angehörigen Volksvertreter für die Abspaltung reichen von Corbyns Brexit-Politik über dessen Duldung von Antisemitismus in der Partei bis hin zur linksradikalen Agenda Labours in der Wirtschaftsund Sicherheitspolitik. Die sieben Abgeordneten werden sich fortan „Die unabhängige Gruppe“nennen und haben Abgeordnete aller Parteien eingeladen, sich ihnen anzuschließen.
Die Pressekonferenz der Rebellen am Montagmorgen löste in London große Aufregung aus. Zumal die kritischen Worte der Abgeordneten über ihre ehemalige politische Heimat vernichtend klangen. Luciana Berger, die hochschwangere, jüdische Abgeordnete für Liverpool, hatte in der Vergangenheit wegen ihrer Kritik an Corbyn massive judenfeindliche Angriffe erfahren. Und Chuka Umunna, der heimliche Anführer der Gruppe, erklärte: „Politik ist kaputt. Keine einzige Partei verdient es zu regieren.“Er strebt nichts weniger als einen Systemwechsel an.
Es hat schon lange bei Labour rumort. Die Fraktion ist unzufrieden mit Parteichef Corbyn, der andererseits große Unterstützung bei der Parteibasis findet. Seit Corbyns Amtsantritt 2015 ist Labour mit mittlerweile mehr als einer halben Million Mitgliedern zur größten Partei in Westeuropa angewachsen. Schon im Sommer 2016 kam es zu einem Putschversuch, als 172 Labour-Abgeordnete, mehr als 80 Prozent der Fraktion, dem Vorsitzenden das Misstrauen aussprachen. Doch Corbyn triumphierte bei der nachfolgenden Urwahl.
Seine Popularität litt aber unter dem Antisemitismus-Streit, der seit Anfang 2018 gärt. Aufgrund seiner pro-palästinensischen Einstellung hat sich Corbyn oft mit Anti-Zionisten solidarisiert, die offen judenfeindlich auftraten. Parteimitglieder hatten trotz antisemitischer Äußerungen keine Sanktionen zu fürchten.
Partei scharf auf Linkskurs
Auch Corbyns Brexit-Strategie hat viele an der Basis verstört. Eine große Mehrheit der neugewonnenen und zumeist jüngeren Parteimitglieder ist gegen den Brexit und will die „People’s Vote“, ein zweites Referendum über den Verbleib in der EU. Doch Corbyn sträubt sich dagegen.
Zudem hatten die sieben Rebellen schon lange keine politische Heimat mehr bei der unter Corbyn scharf nach links gerückten Labour-Partei. Das politische Programm hat sich radikal vom einst wirtschaftsfreundlichen Kurs unter Blair und Brown hin zu einer sozialistischen Agenda gewandelt. Eisenbahngesellschaften sollen ebenso wie Energiefirmen, Busunternehmen oder die Royal Mail verstaatlicht werden.
Der Parteichef selbst erklärte am Montag lediglich, dass er „enttäuscht“sei. Die Kommentare anderer Labour-Mitglieder klangen schriller. „Verräter“war eine der milderen Beschimpfungen.
Die Abweichler verstehen sich nicht als Partei. Man werde sich auch nicht, unterstrich Umunna, anderen Parteien wie den Liberaldemokraten anschließen. Stattdessen forderte der Sohn eines nigerianischen Einwanderers Volksvertreter aller Parteien auf: „Werdet unabhängig und schafft eine genuin neue Bewegung!“Die Anleihen an den französischen Präsidenten Emmanuel Macron sind offenkundig.