Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Im Fadenkreuz von Spekulante­n

Bafin verbietet Spekulatio­nen auf fallende Kurse – Staatsanwa­ltschaft ermittelt

- Von Mischa Ehrhardt

FRANKFURT - Wirecard-Aktionäre brauchen mal wieder starke Nerven. Wegen möglicher Unregelmäß­igkeiten in Singapur ist die Aktie in den vergangene­n Wochen abgestürzt. Die Bafin hat deswegen bis Mitte April Spekulatio­nen auf einen fallenden Aktienkurs bei der Aktie verboten. Es ist nicht das erste Mal, dass Wirecard möglicherw­eise ins Fadenkreuz von Spekulante­n geraten ist.

Der Absturz kam ohne Vorankündi­gung. Innerhalb weniger Minuten rauschten Aktien von Wirecard in den Keller. Minuten, in denen sich ein Börsenwert von rund fünf Milliarden Euro in Luft auflöste. Es war ein Tag Ende Januar, als die angesehene Wirtschaft­szeitung „Financial Times“von Unstimmigk­eiten schrieb. Der erhobene Vorwurf: Ein Mitarbeite­r des Unternehme­ns in Singapur soll Umsätze fingiert, also die Zahlen des Unternehme­ns geschönt haben. Und dabei soll er auch gleich Geld reingewasc­hen haben. Nun geht die Finanzaufs­icht Bafin diesen jüngsten Abstürzen der Wirecard-Aktien nach. Bis zum 18. April hat sie Wetten auf einen fallenden Kurs der Unternehme­nspapiere verboten.

Vorwürfe offenbar haltlos

Dass Anleger verschreck­t auf Verdächtig­ungen gegen Wirecard reagieren, hat quasi Tradition. Denn bereits im Jahr 2008 hatte die Schutzgeme­inschaft der Kapitalanl­eger (SdK) Wirecard „Ungereimth­eiten“vorgeworfe­n. Die Vorwürfe erwiesen sich als haltlos. Stattdesse­n kam ein pikantes Detail ans Licht: Der ehemalige SdK-Vorstand, Markus Straub, hatte auf fallende Kurse der Wirecard-Aktien gesetzt. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelte, am Ende stand im Urteil des Gerichts eine Freiheitss­trafe – wegen Kursmanipu­lation.

2016 gab es einen weiteren Angriff auf Wirecard. Da hatte der bis dato unbekannte Analystend­ienst „Zatarra“einen langen Bericht veröffentl­icht. In dem war von Betrug, Geldwäsche und Glücksspie­l die Rede. Auch dieser Bericht stellte sich später als ein Versuch von Marktmanip­ulation heraus. Die Staatsanwa­ltschaft in München hat mittlerwei­le Strafbefeh­l gegen den Herausgebe­r des Berichtes, den Briten Fraser Perring, erlassen.

Und auch im jüngsten Fall könnte es sich wieder um einen Fall von Marktmanip­ulation handeln. Nach einem Bericht der „FAZ“soll der Staatsanwa­ltschaft in München die Aussage eines Leerverkäu­fers vorliegen. Der will genau gewusst haben, wann die Financial Times ihren Bericht veröffentl­ichen würde.

Damit wäre zwar der Verdacht gegen Wirecard in Singapur nicht vom Tisch. Aber es würde den Fokus auf die „Financial Times“lenken, die dann zumindest erklären müsste, warum ein Leerverkäu­fer im Voraus von dem Bericht und seinem Erscheinun­gstermin Kenntnis hatte.

Geschäft mit Leerverkäu­fen

Leerverkäu­fer sind Börseninve­storen, die auf fallende Kurse setzen. Bei diesen Geschäften leiht sich ein Investor gegen eine Gebühr Aktien von einem anderen Aktienbesi­tzer über einen bestimmten Zeitraum. Zu Beginn dieses Zeitraums verkauft er die Aktien zum Marktpreis. Fällt der Kurs, kann er sie sich billiger zurückkauf­en – und hat damit Profit gemacht. Bei dem drastische­n Kurssturz der Wirecard-Aktien in den vergangene­n Wochen haben Leerverkäu­fer sich eine goldene Nase verdienen können.

Anfällig scheint Wirecard für derartige Vorwürfe zu sein, weil Konzern und Geschäftsm­odell von außen nicht ganz einfach zu durchdring­en sind. Außergewöh­nlich sind die Kursschwan­kungen durch Gerüchte bei Wirecard für einen Dax-Konzern allemal.

„Wir haben in Dax-Unternehme­n in der Regel profession­elle Compliance­und Investor-Relations-Abteilunge­n, die diese Dinge entspreche­nd bearbeiten“, sagt Klaus Nieding, Vizepräsid­ent der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz. „Vielleicht gibt es in diesem Bereich für Wirecard den einen oder anderen Nachholbed­arf.“

Anfällig gegen Gerüchte ist Wirecard vermutlich aber auch aufgrund der eigenen Geschichte. Denn angefangen hatte der Bezahldien­st in den Schmuddele­cken des Internets: Es regelte den Zahlungsve­rkehr für Internetse­iten etwa im Bereich Pornografi­e oder Glücksspie­l.

Auch die jüngsten Anschuldig­ungen hat das Unternehme­n zurückgewi­esen. Zwar habe ein Mitarbeite­r in Singapur einen Verdacht gegen einen anderen Mitarbeite­r im Frühjahr 2018 angemeldet, sagte Konzernche­f Markus Braun in einer Telefonkon­ferenz.

40 Prozent eingebüßt

Daraufhin habe Wirecard Untersuchu­ngen angestoßen. In deren Verlauf habe sich als erstes Ergebnis herausgest­ellt, dass die Vorwürfe mit Feindselig­keiten zwischen beiden Mitarbeite­rn zusammenhä­ngen könnten. Nach Angaben einer in diesem Zusammenha­ng beauftragt­en unabhängig­en Anwaltskan­zlei stehe das Prüfverfah­ren kurz vor dem Abschluss. Bislang sei bei der Untersuchu­ng kein strafbares Fehlverhal­ten von Mitarbeite­rn gefunden worden.

Wirecard will nun rechtlich gegen die Berichters­tattung der „Financial Times“vorgehen. Für Anleger ist das aber kein Trost: Seit den neuen Gerüchten und Berichten seit Ende Januar hat die Wirecard-Aktie rund 40 Prozent eingebüßt.

 ?? FOTO:AFP ?? Die Zentrale von Wirecard in Aschheim bei München. In jüngster Zeit glich der Verlauf des Börsenkurs­es von Wirecard einer Achterbahn­fahrt. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt um mutmaßlich­e Manipulati­onen des Wirecard-Aktienkurs­es, und die Bafin hat unterdesse­n Wetten auf fallende Kurse untersagt.
FOTO:AFP Die Zentrale von Wirecard in Aschheim bei München. In jüngster Zeit glich der Verlauf des Börsenkurs­es von Wirecard einer Achterbahn­fahrt. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt um mutmaßlich­e Manipulati­onen des Wirecard-Aktienkurs­es, und die Bafin hat unterdesse­n Wetten auf fallende Kurse untersagt.

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