Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Konsum als ständige Reproduktion
„Die große Mutter“: Anthimos Toupheksis erklärt seinen Beitrag zur Ausstellung „Shoppingmall“, die am Sonntag endet
ISNY - „Die große Mutter“hat Anthimos Toupheksis seine Installation genannt, die in der Espantorstraße vor der „Werkstatt für Schmuck“von Goldschmied Elmar Hermanutz bis zum 24. Februar ausgestellt ist. Dann endet die Ausstellung „Shoppingmall“in der Städtischen Galerie im Schloss, zu der – wie berichtet – auch Isnyer Künstler eingeladen waren. Sie konnten Ideen rund um eine „Ikone des Konsums“, den Einkaufswagen, in der Altstadt thematisieren.
Toupheksis, gelernter Buchhändler und studierter Kunstgeschichtler, erklärt, er habe sein Werk „hergeleitet“vom gleichlautenden Titel eines Buches, in dem der Tiefenpsychologe Erich Neumann, Schüler von C.G. Jung, im Jahr 1955 „Archetyp und Urbild als Komponente des kollektiven Unbewussten“beschrieb; konkret „weibliche Archetypen, die sich seit der Steinzeit im kollektiven Unterbewusstsein festgesetzt haben“.
Das habe er übertragen „auf den Einkaufswagen, der seit den 1950erJahren zu einem Urbild geworden ist und das Einkaufen im menschlichen Unterbewusstsein hinterlegt hat“, ist Toupheksis überzeugt. Wie auch, dass „Betrachter eines Kunstwerks einen Übersetzer brauchen“. Die könnten erklären, was ein Werk ausdrücke oder auszudrücken versuche. In Galerien können dies Führungen übernehmen, Toupheksis spielt die Rolle gerne selbst, er findet: „Wenn ein Künstler nicht in der Lage ist, zu beschreiben, was er macht, ist das schade.“Mit Kollegen habe er über diese Ansicht allerdings auch schon hitzige Diskussionen geführt.
Also ab in die Espantorstraße: In „Die große Mutter“– einem Einkaufswagen in handelsüblicher, vom konsumierenden Kollektiv der kaufenden Kunden gewohnter Dimensionierung – steht (liegt?) ein kleiner Wagen. Die Handgriffe seien bewusst „in derselben Farbe, in Rot gehalten“, erklärt Toupheksis: „Innendrin gibt es eine Gebärsituation.“Mit ihr deutet der Künstler „die ständige Reproduktion an – das Kaufen, das immer mehr Wollen, das zum Selbstzweck geworden ist“. Über Ketten sind vier kleine Einkaufswagen mit der „Mutter“verbunden – an sie gekettet? „Die Kleinen folgen dem Urbild, sie laufen den Großen nach“, beschreibt Toupheksis seine symbolhafte Darstellung modernen Konsumverhaltens.
Würde er sein eigenes Werk, unvorbelastet als Kunsthistoriker, deuten müssen, wären ihm wissenschaftlich zwei Seiten wichtig, fährt er fort: „Erstens ästhetisch-formal spricht das Kunstwerk das Unterbewusstsein an“– wie er es als Künstler mit Titel und tiefenpsychologischem Hintergrund beabsichtige.
Zweitens würde er eintreten in eine „intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Werk – beides ist mir wichtig“, unterstreicht Toupheksis. Aufgrund dieser Überlegungen habe er einen ursprünglichen Arbeitstitel auch verworfen, die Installation sollte zunächst „Rattenfänger heißen – aber das war mir zu platt“.
Seit dem Ausstellungsbeginn von „Shoppingmall“im November war „Die große Mutter“übrigens selbst ein Spielball des Einkaufens: Immer donnerstags, zum Wochenmarkt, musste sie Platz machen für einen Marktstand. Goldschmied Hermanutz habe den großen und die kleinen Wagen beiseite geräumt, wenn er selbst keine Zeit hatte, erzählt Toupheksis. Dem Ladeninhaber gefalle die Installation vor seinem Schaufenster.
Seine Intention als Künstler habe also mindestens bei einem Menschen verfangen: „Wenn es mir gelingt, den Finger in Wunden zu legen, Gefallen zu finden, den Betrachter zu umschmeicheln, sein Auge zu liebkosen – aber nicht nur –, dann ist es ein gutes Kunstwerk“, sagt Toupheksis.