Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Sie will zu einer schönen Geburt beitragen
Dorothea Polster aus Vogt begleitet Schwangere – Der besondere Beruf der „Doula“
VOGT - „Oft kommen zu mir Frauen, deren erste Geburt schrecklich war“, sagt Dorothea Polster. Die 55-Jährige aus Vogt ist weder Hebamme noch Ärztin. Trotzdem wollen sie viele Frauen dabei haben, wenn sie ihr Kind bekommen. Denn Polster ist eine Doula, eine professionelle Geburtsbegleiterin. „Doula“kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet „Dienerin der Frau“. Es ist ein altes und traditionsreiches Konzept: Erfahrene Frauen stehen werdenden Müttern mit ihrem Wissen bei – vor, während und nach der Geburt. Hierfür lassen sie sich ganz auf die Schwangere ein, hören zu, teilen ihre eigenen Erfahrungen und gibt Ratschläge, erzählt Polster.
„Es gibt so wenige Frauen, die einfach gebären. Die meisten erzählen Horrorgeschichten“, sagt Polster. An solche Erlebnisse knüpfe sie in der Beratung an und vermittle, worauf es ihrer Meinung nach bei der Geburt ankommt. Zum Beispiel, dass man keine Angst vor Wehen haben müsse. „Wehe ist ein bescheuertes Wort“, findet die Doula. Man bringe es automatisch mit Schmerzen in Verbindung. Dabei sei eine Wehe nichts weiter als eine Dehnung – und ohne diese Dehnung gebe es keine Geburt. Wenn die Frauen das wüssten, könnten sie viel einfacher loslassen und hätten dann auch weniger Schmerzen.
„Frauen gehen oft zu früh ins Krankenhaus“
Polster spricht aus Erfahrung. Sie hat selbst vier Kinder und habe „nur schöne Geburten“erlebt. Vor allem die Geburt ihres letzten Kindes sei ihr im Gedächtnis geblieben. Damals lebte sie mit ihrer Familie in den USA. „Am Tag der Geburt habe ich noch Suppe gekocht und Kostüme genäht – es war der Tag vor Halloween“, erzählt sie. Ablenkung sei wichtig, erklärt die Geburtsbegleiterin, denn so könne der Körper besser arbeiten. „Ich glaube, Frauen gehen oft viel zu früh ins Krankenhaus“, so Polster.
Sie hingegen habe den Tag ganz normal verbracht: die Kinder in die Schule bringen, den Haushalt machen, spazieren gehen. Erst abends habe sie die Hebamme angerufen. „Die nächsten Wehen waren die Presswehen – und schon war das Kind da“, erzählt sie strahlend. Nach der Geburt seien die anderen Kinder mit ins Bett gekommen und gemeinsam hätten sie alle geschlafen. „Es war so besonders“, freut sich die Doula.
Von positiven Geschichten wie dieser hat Polster viele auf Lager. Sie erzählt sie den Frauen, um ihnen die Furcht vor der Geburt zu nehmen. „Wenn man heute schwanger ist, dreht sich alles nur um Ängste“, sagt Polster. Sie aber wolle erreichen, dass die Frau Freude und Neugier angesichts ihrer Schwangerschaft empfinde.
Ärzte sind nicht immer erfreut
Sie kennt aber auch viele praktische Maßnahmen, die bei der Entspannung helfen. Wenn eine Frau sich bei der Geburt verkrampfe, helfe es zum Beispiel, den Oberschenkel zu schütteln. So könne er nach einer Wehe wieder entkrampft werden. Auch mit speziellen Tüchern könne man die Oberschenkel oder das Becken der Schwangeren sanft schütteln. Alles mit dem Ziel, „den Menschen weich“zu machen, erklärt Polster.
Für gewöhnlich begleitet eine Doula eine Schwangere über vier Wochen – zwei Wochen vor dem berechneten Geburtstermin und zwei Wochen danach. Von einer solchen Terminierung hält Dorothea Polster jedoch nichts. Sie sei so lange für die Frauen da, wie diese es möchten. Bei der Entbindung achtet die Doula dann vor allem darauf, Ruhe in den Raum zu bringen. Das stößt im gehetzten Krankenhausbetrieb nicht immer auf Gegenliebe: Es habe schon Ärzte gegeben, die pampig wurden, erzählt sie. „Die meiste Zeit sind sie in den Krankenhäusern aber wahnsinnig dankbar dafür, dass ich dabei bin“, so Polster weiter. Immerhin nehme sie ihnen eine Menge Arbeit ab. Denn Ärzte und Hebammen hätten oft mehrere Patientinnen gleichzeitig zu versorgen, während sie sich voll und ganz um eine Frau kümmert. Komplett ohne die anderen gehe es aber nicht: „Doula, Hebamme und Ärztin – das ist das beste Geburtsteam, das man sich wünschen kann“, findet sie.
Schon als Kind umsorgte sie Babys
Seit sechs Jahren arbeitet Dorothea Polster als Doula. Doch schön früh zeichnete sich ab, dass sie einmal viel mit Kindern zu tun haben werde. Aufgewachsen ist sie mit zehn Geschwistern in Indien als Tochter von deutschen Entwicklungshelfern. Schon damals habe sie immer ein Baby auf dem Arm gehabt, hat die anderen Kinder gewickelt und gefüttert.
Mit fünf Jahren kamen sie auf ein britisches Internat und waren mehrere Monate am Stück über 2000 Kilometer von ihren Eltern entfernt. „Wir haben das gehasst. Es war echt schrecklich“, sagt Polster.
Im Internat habe sie, als älteste Schwester, dann vollends die Mutterrolle übernommen. „Meine Schwester hat mir jetzt als Erwachsene erzählt, dass ich für sie mehr Mutter war als unsere eigene Mutter.“Bei der Geburt ihres jüngsten Geschwisterchens sei sie als 15-Jährige sogar schon als Geburtshelferin dabei gewesen: Sie habe die Nabelschnur durchgeschnitten und das Baby danach gebadet.
Bevor sie Doula wurde, war Polster Mütterpflegerin. Sie kümmerte sich um Mütter mit Neugeborenen, hat Kinder betreut, im Haushalt geholfen und gekocht. „Als ich von der Ausbildung zur Doula erfuhr, habe ich sofort gewusst: das ist mein Beruf“, sagt Polster. Reich wird sie mit ihrer Tätigkeit nicht. Sie verlangt für die Begleitung einer Geburt 200 Euro. Die Kosten müssen die Schwangeren privat bezahlen, die Krankenkasse steuert nichts für eine Doula bei. Wenn die Frau arm sei, nehme sie auch deutlich weniger – oder überhaupt nichts. „Geld spielt gar keine Rolle für mich.“Der Beruf gebe ihr auch so schon unglaublich viel.