Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wer mit dem Zug fährt, der kann was erzählen
Auf der Schiene durch die Region: Von geschlossenen Bahnhofstoiletten, guten Anschlüssen und Schienenersatzverkehr
ALLGÄU - Zug fahren: Für die einen das größte Vergnügen, für Berufspendler der tägliche Stress, wenn es in überfüllten Zügen jeden Morgen nach München oder Ulm geht.
Auf einer Testfahrt hat die „Allgäuer Zeitung“den Regionalverkehr auf der Schiene im Allgäu unter die Lupe genommen. Dabei wurde vier Mal umgestiegen und in vier Zügen von DB Regio und ein Mal im Alex gefahren. Das Ergebnis in Kürze vorab: Alle Züge waren pünktlich (per Definition weniger als sechs Minuten zu spät). Alle Anschlusszüge wurden erreicht.
Ein Mittwochvormittag am Bahnhof Durach, wenige Kilometer südlich von Kempten: Die Außerfernbahn, die hier hält, ist pünktlich. Um 10.22 Uhr startet der Zug nach Kempten (eine Minute Verspätung). Dort klappt der Anschluss ohne Problem: Um 10.57 Uhr startet der Zug nach Ulm, wir wollen bis Memmingen mitfahren. Viele Plätze sind frei, eine freundliche Frauenstimme begrüßt alle Fahrgäste „im Namen von DB Regio“und wünscht eine gute Fahrt.
Unterwegs ein WC-Check: Alles ist sauber. Toilettenpapier, Handtücher und Seife sind vorhanden. „In Kürze erreichen wir Memmingen. Es werden alle Anschlusszüge erreicht“, heißt es in der Lautsprecherdurchsage. Auf die Minute pünktlich fährt der Regionalexpress 57626 um 10.57 Uhr auf Gleis 4 in Memmingen ein. Die Sonne scheint an diesem klaren Wintertag, aber es stinkt nach Diesel-Abgasen. Das ist der typische Allgäuer Bahnhofsgeruch. Neben dem Zug, mit dem wir gerade gekommen sind, steht gegenüber auf Gleis 4 eine andere Regionalbahn. „Bitte nicht einsteigen“steht darauf, aber der Motor läuft.
Das in Modultechnik erbaute und erst 2001 in Betrieb genommene Memminger Bahnhofsgebäude macht einen sauberen Eindruck, es gibt einen gut bestückten Buchhandel, ein Café, ein DB-Infozentrum für Reisende. Die Herrentoilette aber ist verschlossen. „WC defekt“, heißt es auf einem Zettel an der Tür. Und das nicht erst seit ein paar Tagen, sondern seit mehreren Wochen. Ein älterer Mann, den ein menschliches Bedürfnis plagt, versucht die Behindertentoilette zu öffnen. Doch auch diese Türe ist zu.
Bayerischer Ex-Agrarminister Josef Miller fährt im Zug
Unsere Tour geht weiter nach Buchloe. Auch jetzt gilt wieder: Der Anschluss klappt, der Zug in Richtung Mindelheim/Buchloe/Augsburg startet pünktlich um 11.07 Uhr. Kurz nach der Abfahrt – noch auf Sitzplatzsuche – treffen wir auf Josef Miller. Der heute 71-jährige CSU-Politiker – er war zehn Jahre bayerischer Agrarminister und saß 27 Jahre lang im Landtag – ist unterwegs nach München. Mit dem Zug fährt er ein bis zweimal die Woche von Memmingen in die Landeshauptstadt.
Miller könnte sich nach eigenen Worten niemals vorstellen, mit dem Auto nach München zu fahren: „Im Zug kann ich arbeiten, ich habe immer einen Laptop dabei.“Jetzt sind wir auf der Strecke unterwegs, für deren Elektrifizierung sich Miller jahrzehntelang eingesetzt hatte. Der Ex-Minister erinnert an den Streit in den 1980er- und 1990er-Jahren, ob die Strecke zwischen München und Lindau über Memmingen oder über Kempten elektrifiziert werden solle. Damals hätten Politiker aus der Region häufig gegeneinander gearbeitet, erzählt Müller. Daraus müsse man jetzt eine Lehre ziehen und folgern: Gemeinsam sollte man auftreten, und vom Bund und der Bahn die Elektrifizierung weiterer Strecken in der Region fordern – vor allem der Verbindung Ulm-Oberstdorf und der „Südstrecke“von München über Kempten nach Lindau. Welche Note (von eins bis sechs) gibt Miller der
Bahn? Der Ex-Minister zögert etwas und sagt: „Drei minus, vielleicht drei bis vier.“Das ist kein schmeichelnder Wert, aber Miller sagt auch: „Mit dem Auto steht man oft im Stau, und das kostet mehr Zeit als Bahn-Verspätungen.“
Von Buchloe geht die Fahrt zurück nach Kempten und Durach. Wer mit dem Alex von Kempten Richtung Oberstdorf will, muss in den Bus umsteigen. Wegen Personalmangels, begründet das Unternehmen, fahren ab Immenstadt seit Monaten keine Alex-Züge. „So kann und darf es nicht weitergehen“, kommentiert das der Fahrgastverband Pro Bahn.
Bus statt Bahn beim Alex zwischen Immenstadt und Oberstdorf: Auf das Ärgernis wird in Kempten hingewiesen.