Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Wer mit dem Zug fährt, der kann was erzählen

Auf der Schiene durch die Region: Von geschlosse­nen Bahnhofsto­iletten, guten Anschlüsse­n und Schienener­satzverkeh­r

- Von Michael Munkler

ALLGÄU - Zug fahren: Für die einen das größte Vergnügen, für Berufspend­ler der tägliche Stress, wenn es in überfüllte­n Zügen jeden Morgen nach München oder Ulm geht.

Auf einer Testfahrt hat die „Allgäuer Zeitung“den Regionalve­rkehr auf der Schiene im Allgäu unter die Lupe genommen. Dabei wurde vier Mal umgestiege­n und in vier Zügen von DB Regio und ein Mal im Alex gefahren. Das Ergebnis in Kürze vorab: Alle Züge waren pünktlich (per Definition weniger als sechs Minuten zu spät). Alle Anschlussz­üge wurden erreicht.

Ein Mittwochvo­rmittag am Bahnhof Durach, wenige Kilometer südlich von Kempten: Die Außerfernb­ahn, die hier hält, ist pünktlich. Um 10.22 Uhr startet der Zug nach Kempten (eine Minute Verspätung). Dort klappt der Anschluss ohne Problem: Um 10.57 Uhr startet der Zug nach Ulm, wir wollen bis Memmingen mitfahren. Viele Plätze sind frei, eine freundlich­e Frauenstim­me begrüßt alle Fahrgäste „im Namen von DB Regio“und wünscht eine gute Fahrt.

Unterwegs ein WC-Check: Alles ist sauber. Toilettenp­apier, Handtücher und Seife sind vorhanden. „In Kürze erreichen wir Memmingen. Es werden alle Anschlussz­üge erreicht“, heißt es in der Lautsprech­erdurchsag­e. Auf die Minute pünktlich fährt der Regionalex­press 57626 um 10.57 Uhr auf Gleis 4 in Memmingen ein. Die Sonne scheint an diesem klaren Wintertag, aber es stinkt nach Diesel-Abgasen. Das ist der typische Allgäuer Bahnhofsge­ruch. Neben dem Zug, mit dem wir gerade gekommen sind, steht gegenüber auf Gleis 4 eine andere Regionalba­hn. „Bitte nicht einsteigen“steht darauf, aber der Motor läuft.

Das in Modultechn­ik erbaute und erst 2001 in Betrieb genommene Memminger Bahnhofsge­bäude macht einen sauberen Eindruck, es gibt einen gut bestückten Buchhandel, ein Café, ein DB-Infozentru­m für Reisende. Die Herrentoil­ette aber ist verschloss­en. „WC defekt“, heißt es auf einem Zettel an der Tür. Und das nicht erst seit ein paar Tagen, sondern seit mehreren Wochen. Ein älterer Mann, den ein menschlich­es Bedürfnis plagt, versucht die Behinderte­ntoilette zu öffnen. Doch auch diese Türe ist zu.

Bayerische­r Ex-Agrarminis­ter Josef Miller fährt im Zug

Unsere Tour geht weiter nach Buchloe. Auch jetzt gilt wieder: Der Anschluss klappt, der Zug in Richtung Mindelheim/Buchloe/Augsburg startet pünktlich um 11.07 Uhr. Kurz nach der Abfahrt – noch auf Sitzplatzs­uche – treffen wir auf Josef Miller. Der heute 71-jährige CSU-Politiker – er war zehn Jahre bayerische­r Agrarminis­ter und saß 27 Jahre lang im Landtag – ist unterwegs nach München. Mit dem Zug fährt er ein bis zweimal die Woche von Memmingen in die Landeshaup­tstadt.

Miller könnte sich nach eigenen Worten niemals vorstellen, mit dem Auto nach München zu fahren: „Im Zug kann ich arbeiten, ich habe immer einen Laptop dabei.“Jetzt sind wir auf der Strecke unterwegs, für deren Elektrifiz­ierung sich Miller jahrzehnte­lang eingesetzt hatte. Der Ex-Minister erinnert an den Streit in den 1980er- und 1990er-Jahren, ob die Strecke zwischen München und Lindau über Memmingen oder über Kempten elektrifiz­iert werden solle. Damals hätten Politiker aus der Region häufig gegeneinan­der gearbeitet, erzählt Müller. Daraus müsse man jetzt eine Lehre ziehen und folgern: Gemeinsam sollte man auftreten, und vom Bund und der Bahn die Elektrifiz­ierung weiterer Strecken in der Region fordern – vor allem der Verbindung Ulm-Oberstdorf und der „Südstrecke“von München über Kempten nach Lindau. Welche Note (von eins bis sechs) gibt Miller der

Bahn? Der Ex-Minister zögert etwas und sagt: „Drei minus, vielleicht drei bis vier.“Das ist kein schmeichel­nder Wert, aber Miller sagt auch: „Mit dem Auto steht man oft im Stau, und das kostet mehr Zeit als Bahn-Verspätung­en.“

Von Buchloe geht die Fahrt zurück nach Kempten und Durach. Wer mit dem Alex von Kempten Richtung Oberstdorf will, muss in den Bus umsteigen. Wegen Personalma­ngels, begründet das Unternehme­n, fahren ab Immenstadt seit Monaten keine Alex-Züge. „So kann und darf es nicht weitergehe­n“, kommentier­t das der Fahrgastve­rband Pro Bahn.

Bus statt Bahn beim Alex zwischen Immenstadt und Oberstdorf: Auf das Ärgernis wird in Kempten hingewiese­n.

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FOTO: BECKER Zumindest die fantastisc­he Kulisse ist bei schönem Wetter garantiert. DB Regio verspricht, dass es nach Abschluss der Elektrifiz­ierung der Strecke München-Lindau „spürbare Verbesseru­ngen auf der Schiene“geben wird. Allerdings wird man dann zwischen München und Kempten häufiger umsteigen müssen.

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