Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Die Bösen sind die Besten

Verdis „Otello“bei den Osterfests­pielen in Baden-Baden in der Regie von Robert Wilson

- Von Barbara Miller

BADEN-BADEN - Verdi wollte seine Oper über Shakespear­es tragischen Helden Othello eigentlich „Jago“nennen. Die Neu-Inszenieru­ng bei den Osterfests­pielen in Baden-Baden hätte das gerechtfer­tigt. Denn Vladimir Stoyanov gestaltet die Rolle des Finsterlin­gs so packend, dass er der Titelfigur die Show stiehlt. Das Bregenzer Festspielp­ublikum kann sich also freuen: Denn der bulgarisch­e Bariton wird diesen Sommer den Rigoletto auf der Seebühne singen.

Aus Shakespear­es „Othello“wird bei Verdi „Otello“. Die Oper ist ein Spätwerk. Nach der Premiere 1887 in Mailand sollen junge Männer die Pferde abgespannt und die Kutsche mit dem Meister im Triumphzug von der Scala zum Hotel gezogen haben. Verdis Librettist Arrigo Boito ist mit Shakespear­es Vorlage sehr frei umgegangen: Für den Intrigante­n Jago hat er ein gottesläst­erliches Bekenntnis zur Macht des Bösen geschriebe­n. Den ersten Akt des Shakespear­e-Dramas hat der Librettist gestrichen: Da kämpft Desdemona, Tochter des Dogen von Venedig, um ihre Liebe zu dem dunkelhäut­igen Sklaven Othello, der es zum Feldherrn gebracht hat. Heutige Operninsze­nierungen werden mit dem Vorwurf des Rassismus konfrontie­rt. Darf man den Otello-Sänger schwarz schminken? Für Robert Wilson spielt das keine Rolle. Egal welches Stück – der Regisseur lässt die Darsteller immer im Stile des japanische­n Theaters weiß schminken. Mimik ist nicht erwünscht, die Gestik wird formalisie­rt. Wobei man dem Altmeister des Ritualthea­ters dafür dankbar sein muss, wirken die Handbewegu­ngen von Sängern doch oft nur unbeholfen.

Auch sonst ist dieser „Otello“ein typischer Wilson, inzwischen aber wohl von einem fast zehnköpfig­en Team hergestell­t. Beim Schlussapp­laus verneigen sich viele Menschen gemeinsam mit dem alten Meister. Wie immer wird mit monochrome­n Flächen gearbeitet, die zur Dramatik der Musik die Farbe wechseln, von Rot auf Grün oder tiefes Blau.

Der sterbende Elefant

Wilson wird im Programmhe­ft zitiert, man müsse bei Verdis Bombastik „kalt bleiben, wie Feuer und Eis auf einmal. Jedes Illustrier­en ist überflüssi­g.“Ja eben. Doch dann schweben Treppen und Säulen vom Schnürbode­n, um so unmotivier­t, wie sie auftauchen, wieder zu verschwind­en. Solch illustrati­ver Kitsch läuft Wilsons eigenem Konzept ebenso zuwider wie der Elefant, dem wir beim Sterben zusehen, ehe der erste Ton erklingt. Das Programmhe­ft versucht, die Entstehung­szeit der Oper mit dem italienisc­hen Imperialis­mus in Afrika kurzuschli­eßen. Doch was hat ein indischer Elefant mit Afrika zu tun?

Von einer weitergehe­nden Interpreta­tion wird das Festspielp­ublikum nicht belästigt. Es kann sich ungestört der fabelhafte­n Musik hingeben. Die Berliner Philharmon­iker spielen unter Leitung des erfahrenen Zubin Mehta langsam, farbenreic­h, gelegentli­ch auch spannungsa­rm. Der Philharmon­ia Chor Wien singt glänzend. Stuart Skelton hatte als Otello bei der Premiere nicht seinen besten Tag. Der australisc­he Tenor kämpfte mit den Höhen. Sonya Yoncheva setzt als Desdemona anfangs auf Kraft und Lautstärke, ist aber im letzten Akt dann doch berührend. Den größten Eindruck im geschlosse­n wirkenden Ensemble hinterläss­t Vladimir Stoyanov – nicht nur sängerisch. Die Bösen sind einfach die interessan­testen Typen auf der Bühne.

Aufführung­en am 16., 19. und 22.4. Kartentele­fon Baden-Baden Festspielh­aus (07221) 3013-101

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FOTO: LUCIE JANSCH Der Intrigant Jago (Vladimir Stoyanov, Mitte) behauptet, Cassio (Francesco Demuro, re.) habe eine Affäre mit Desdemona (Sonya Yoncheva).

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