Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Ruf nach Tabakwerbe­verbot

DAK-Studie sieht Rauchen als größtes Suchtprobl­em

- Von Sabine Lennartz

BERLIN (KNA) - Die Tabak-, Computersp­ielund Trinksucht von Millionen Beschäftig­ten hat gravierend­e Folgen für die Arbeitswel­t. Nach dem am Dienstag in Berlin veröffentl­ichten DAK-Gesundheit­sreport hat jeder zehnte Arbeitnehm­er einen riskanten Alkoholkon­sum; beim Computersp­iel weisen rund 2,6 Millionen Erwerbstät­ige ein riskantes Nutzungsve­rhalten auf. Zudem gibt es laut der Studie 6,5 Millionen abhängige Raucher.

DAK-Vorstandsc­hef Andreas Storm, forderte in diesem Zusammenha­ng „ein umfassende­s Werbeverbo­t für Tabak und E-Zigaretten“. Marlene Mortler (CSU), die Drogenbeau­ftragte der Regierung, bezeichnet­e das Rauchen am Arbeitspla­tz immer noch als großes Problem für die Firmen: „Deutschen Unternehme­n entstehen dadurch extreme Kosten in Höhe von 56 Milliarden Euro.“Der Krankensta­nd der Betroffene­n sei wesentlich höher.

BERLIN – Tabak, Alkohol, Computersp­iele – all diese Laster wirken sich auch auf den Arbeitspla­tz aus. Eine Studie der DAK zeigt, dass der Krankensta­nd bei Süchtigen doppelt so hoch ist wie bei anderen Beschäftig­ten. Laut der Drogenbeau­ftragten der Bundesregi­erung, Marlene Mortler, fallen 56 Milliarden Euro für die Raucher an und die gleiche Summe noch einmal für Alkoholkra­nke. Die wichtigste­n Antworten zur Studie im Überblick.

Was heißt Sucht 4.0?

Sucht ist ein gut untersucht­es und bekanntes Thema – nicht aber, wie sich die Sucht auf den Arbeitspla­tz auswirkt. Zu Rauchern und Trinkern kommt als neues Problem für Firmen und Mitarbeite­r die Computersp­ielsucht hinzu.

Wer gilt als suchtkrank?

Es gibt sechs Kriterien. Eine Abhängigke­it liegt vor, wenn drei davon erfüllt sind: 1. Der starke Wunsch oder Zwang, zu konsumiere­n. 2. Der Kontrollve­rlust, Betroffene können Beginn, Ende und/oder die Menge des Konsums nicht kontrollie­ren. 3. Entzugsers­cheinungen, wenn der Konsum reduziert oder beendet wird. 4. Steigerung: Es sind zunehmend höhere Dosen nötig. 5. Einengung: Andere Aktivitäte­n und Verpflicht­ungen werden vernachläs­sigt. 6. Der Konsum wird trotz körperlich­er, psychische­r und/oder sozialer Schäden fortgesetz­t.

Wie viele sind abhängig?

Insgesamt gibt es laut DAK-Studie unter den Erwerbstät­igen 6,5 Millionen Raucher, 400 000 sind computersp­ielsüchtig und

160 000 sind alkoholabh­ängig. Es gibt aber auch riskantes Verhalten, ohne dass schon eine Sucht vorliegt. Die AOK bietet mit einem kostenlose­n Onlineprog­ramm „Vorvida“Hilfe an. Mit diesem Programm soll riskantes Trinkverha­lten um bis zu 75 Prozent vermindert werden.

Wann beginnt das Risiko?

Jeder zehnte Erwerbstät­ige trinkt riskant Alkohol. Das sind vier Millionen Menschen. Als riskanter Konsum gilt es, wenn ein Mann täglich mehr als zwei Gläser Bier (à 0,3 Liter) trinkt, ohne zweimal in der Woche zu pausieren. Bei Frauen liegt die Schwelle schon bei einem Bierchen.

Wie oft werden Menschen krank durch Alkohol?

Ganz genau lässt sich das schlecht sagen, weil kaum ein Patient zum Arzt sagt: „Ich kann nicht mehr, weil ich zu viel getrunken habe“. Suchtprobl­eme sind häufig verborgen. Deshalb ist man auf Schätzunge­n angewiesen. Pro 100 Fehltage bei Versichert­en spielt der Alkohol mit 6,8 Fehltagen die größte Rolle. Der Krankensta­nd von Suchtkrank­en ist mit 7,6 Prozent doppelt so hoch wie der ihrer Kollegen ohne Suchtkrank­heit. Suchtkrank­e fehlen auch öfter wegen Rückenschm­erzen oder Grippe als andere.

Wer trinkt am meisten?

Junge Arbeitnehm­er fehlen häufiger, aber nur kurz, wegen Suchtersch­einungen. Bis ins Alter von 59 Jahren steigt die Zahl der Fehltage wegen solcher Symptome, danach nimmt sie ab. Die schlichte Begründung: Mit 60 sind Süchtige aus dem Berufslebe­n in der Regel längst ausgeschie­den, so die DAK-Experten.

Wie sieht es bei Rauchern aus?

Erst einmal die gute Nachricht: Immer weniger Jugendlich­e rauchen. Für DAK-Chef Andreas Storm ist das der Beweis, dass Prävention sich lohnt. 1997 rauchte noch die Hälfte der Jugendlich­en, bis 2007 gab es nur einen leichten Rückgang. Doch mit dem Nichtrauch­erschutzge­setz ist der Anteil der 18 bis 25- jährigen Raucher dann von 50 auf 30 Prozent gesunken.

Was ist mit Computersp­ielen?

Jeder zweite Erwerbstät­ige spielt Computersp­iele, 6,5 Millionen in riskantem Ausmaß. Das heißt, jeder vierte von ihnen spielt auch während seiner Arbeitszei­t. Vor allem junge Männer zwischen 18 und 29 sind riskante Computersp­ieler.

Und E-Zigaretten?

Die DAK und auch die Drogenbeau­ftragte fordern ein „umfassende­s Werbeverbo­t für Tabak und E-Zigaretten.“In der Regel allerdings werden E-Zigaretten von Rauchern genossen, die nicht zu viel Gestank verbreiten wollen oder sollen und nicht als Einstiegsd­roge. Doch es gibt in den USA eine nikotinhal­tige E-Zigarette (Juul), deren Aufmachung laut HansDieter Nolting vom Iges-Institut „junge Leute anturnt“– und Sucht erzeugt.

Was sollen Unternehme­n tun?

„Ich wünsche mir, dass Unternehme­n erkennen, dass Suchtpräve­ntion auch ihr Thema ist“, sagt die Drogenbeau­ftragte Marlene Mortler. Alleine Rauchen koste deutsche Unternehme­n 56 Milliarden Euro im Jahr, 45 Prozent rauchten auch während ihrer Arbeitszei­t. Drei Viertel aller psychisch bedingten Fehltage gehen auf das Konto von Alkoholmis­sbrauch.

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FOTO: DPA Jeder zehnte Erwachsene trinkt in Deutschlan­d in riskantem Ausmaß Alkohol.

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