Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Seehofers Plan für schnellere Abschiebungen
Druck bei der Identitätsklärung, Abschiebehaft in normalen Gefängnissen – Das anvisierte Gesetz im Überblick
BERLIN - Trotz teils heftigen Protests aus den Bundesländern bringt Innenminister Horst Seehofer (CSU) heute sein Gesetz zur konsequenteren Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern ins Kabinett ein. Wichtige Fragen und Antworten:
Was will Seehofer mit dem Gesetz erreichen?
Mit dem „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“will Seehofer Abschiebungen vereinfachen. Es ordnet sich ein in ein Bündel von Maßnahmen, die zum Teil schon beschlossen sind und die er mit seinem Prinzip von „Humanität und Ordnung“umschreibt.
Was plant der Innenminister?
Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass abgelehnte Asylbewerber künftig an der Beschaffung von Personalpapieren mitwirken müssen, wenn ihre Identität ungeklärt ist. Sie sind dann etwa verpflichtet, bei der Botschaft ihres Landes einen Pass zu beantragen. Wirken sie nicht mit, sind Strafen vorgesehen.
Mit welchen Strafen müssen Identitätsverweigerer rechnen?
Der Gesetzentwurf sieht Strafen vor, die von einer Kürzung der Sozialleistungen über ein Beschäftigungsverbot bis zur Abschiebehaft reichen. Dafür soll unter anderem das deutsche Aufenthaltsgesetz geändert werden. Zudem sollen Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EULand Leistungen erhalten – so genannte Dublin-Flüchtlinge –, nur noch eine zweiwöchige Übergangszahlung erhalten.
Warum ist das Problem der Identitätsfeststellung so drängend?
Etwa jeder zweite Asylbewerber kam im vergangenen Jahr ohne Papiere ins Land. Vor allem Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern, die eine geringe Anerkennungsquote bei Asylverfahren haben, kommen teilweise zu mehr als 90 Prozent ohne Pass in Deutschland an. Bei Syrern, die wegen des andauernden Bürgerkriegs fast alle in Deutschland bleiben dürfen, sind es hingegen weniger als 25 Prozent.
Weshalb ist die Identität für Abschiebungen so wichtig?
Man kann Menschen nur in ihre Herkunftsländer zurückbringen, wenn diese sie auch zurücknehmen. Dafür sind gültige Papiere eine Voraussetzung. Im vergangenen Jahr scheiterten von den 56 594 geplanten Abschiebungen 30 921 – mehr als jede zweite. Es war das erste Mal, dass die Zahl der Fehlschläge diejenigen der gelungenen Abschiebungen überstieg. In den meisten Fällen waren die Betroffenen abgetaucht oder krank. Oft fehlten aber auch die notwendigen Papiere, damit sie in ihrem Herkunftsland einreisen konnten. Damit ein Abtauchen Abschiebepflichtiger nicht mehr möglich ist, plant Seehofer zum einen verschiedene Stufen einer vorbeugenden Haft. Zum anderen sind Strafen für Amtsträger vorgesehen, die Abschiebetermine vorab bekannt geben. Ihnen drohen beim Verrat einer solchen – künftig als Dienstgeheimnis eingestuften – Information bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe.
In den Beratungen mit den Bundesländern zu dem Gesetz gab es heftigen Streit mit den Ländern. Worum ging es da?
Sämtliche Justizminister der Bundesländer haben Bedenken gegen die Erweiterung der Abschiebehaft angemeldet. Diese soll für eine Übergangszeit von drei Jahren auch in normalen Haftanstalten eingerichtet werden können. Das ist wegen des sogenannten Trennungsgebotes in der Europäischen Union bislang untersagt, weil Abschiebehäftlinge – meistens – keine Straftäter sind. Ein Aussetzen dieser Regelung ist nur in einer Notlage gestattet, etwa wenn nicht genügend Abschiebehaft-Plätze zur Verfügung stehen – deutschlandweit gibt es 479. Als politisches Ziel hat Minister Seehofer ausgegeben, in den kommenden Jahren 500 weitere Plätze für Abschiebehäftlinge zu schaffen.
Warum sind die Länder gegen eine Abschiebehaft in Justizvollzugsanstalten?
Mehrere Justizministerien kritisierten den Gesetzentwurf, weil ihre Haftanstalten ohnehin ausgelastet seien. Peter Biesenbach, CDU-Justizminister von Nordrhein-Westfalen, meldete „erhebliche rechtliche und tatsächliche Bedenken“an. Die von Seehofer ins Feld geführte Notlage sei selbst verschuldet – etwa, weil Abschiebehaftanstalten geschlossen worden seien. So musste zum Beispiel das Brandenburger Abschiebegefängnis vor zwei Jahren wegen Mängeln unter anderem beim Brandschutz dichtmachen. Biesenbach kritisierte auch langwierige Asylverfahren und unzureichende Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern. In Baden-Württemberg gibt es sogar Streit zwischen CDU-Parteifreunden. Justizminister Guido Wolf will Abschiebehäftlinge nicht in Strafanstalten unterbringen, Innenminister Thomas Strobl hingegen schon. Außerdem kritisierten die Länder die geringe Zeit, die sie für eine Stellungnahme hatten: Sie betrug zwei Werktage. Schleswig-Holsteins grüner Justizminister sprach daher von einer „Farce“.
Warum drückt Innenminister Seehofer so aufs Tempo?
Er will seinen Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause durch Bundestag und Bundesrat bringen. Die Kabinettssitzung am Mittwoch ist die letzte, bei der das noch gelingen kann. Das parlamentarische Verfahren mit mehreren Lesungen könnte dann Ende Juni abgeschlossen sein und das Gesetz in Kraft treten. Hinzu kommt, dass die Union darauf drängt, das Abschiebegesetz gemeinsam mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz im Bundestag zu verhandeln. Dieses liegt seit seinem Kabinettsbeschluss im Dezember 2018 auf Eis.