Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Seehofers Plan für schnellere Abschiebun­gen

Druck bei der Identitäts­klärung, Abschiebeh­aft in normalen Gefängniss­en – Das anvisierte Gesetz im Überblick

- Von Stefan Kegel

BERLIN - Trotz teils heftigen Protests aus den Bundesländ­ern bringt Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) heute sein Gesetz zur konsequent­eren Abschiebun­g von abgelehnte­n Asylbewerb­ern ins Kabinett ein. Wichtige Fragen und Antworten:

Was will Seehofer mit dem Gesetz erreichen?

Mit dem „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“will Seehofer Abschiebun­gen vereinfach­en. Es ordnet sich ein in ein Bündel von Maßnahmen, die zum Teil schon beschlosse­n sind und die er mit seinem Prinzip von „Humanität und Ordnung“umschreibt.

Was plant der Innenminis­ter?

Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass abgelehnte Asylbewerb­er künftig an der Beschaffun­g von Personalpa­pieren mitwirken müssen, wenn ihre Identität ungeklärt ist. Sie sind dann etwa verpflicht­et, bei der Botschaft ihres Landes einen Pass zu beantragen. Wirken sie nicht mit, sind Strafen vorgesehen.

Mit welchen Strafen müssen Identitäts­verweigere­r rechnen?

Der Gesetzentw­urf sieht Strafen vor, die von einer Kürzung der Sozialleis­tungen über ein Beschäftig­ungsverbot bis zur Abschiebeh­aft reichen. Dafür soll unter anderem das deutsche Aufenthalt­sgesetz geändert werden. Zudem sollen Flüchtling­e, die bereits in einem anderen EULand Leistungen erhalten – so genannte Dublin-Flüchtling­e –, nur noch eine zweiwöchig­e Übergangsz­ahlung erhalten.

Warum ist das Problem der Identitäts­feststellu­ng so drängend?

Etwa jeder zweite Asylbewerb­er kam im vergangene­n Jahr ohne Papiere ins Land. Vor allem Flüchtling­e aus afrikanisc­hen Ländern, die eine geringe Anerkennun­gsquote bei Asylverfah­ren haben, kommen teilweise zu mehr als 90 Prozent ohne Pass in Deutschlan­d an. Bei Syrern, die wegen des andauernde­n Bürgerkrie­gs fast alle in Deutschlan­d bleiben dürfen, sind es hingegen weniger als 25 Prozent.

Weshalb ist die Identität für Abschiebun­gen so wichtig?

Man kann Menschen nur in ihre Herkunftsl­änder zurückbrin­gen, wenn diese sie auch zurücknehm­en. Dafür sind gültige Papiere eine Voraussetz­ung. Im vergangene­n Jahr scheiterte­n von den 56 594 geplanten Abschiebun­gen 30 921 – mehr als jede zweite. Es war das erste Mal, dass die Zahl der Fehlschläg­e diejenigen der gelungenen Abschiebun­gen überstieg. In den meisten Fällen waren die Betroffene­n abgetaucht oder krank. Oft fehlten aber auch die notwendige­n Papiere, damit sie in ihrem Herkunftsl­and einreisen konnten. Damit ein Abtauchen Abschiebep­flichtiger nicht mehr möglich ist, plant Seehofer zum einen verschiede­ne Stufen einer vorbeugend­en Haft. Zum anderen sind Strafen für Amtsträger vorgesehen, die Abschiebet­ermine vorab bekannt geben. Ihnen drohen beim Verrat einer solchen – künftig als Dienstgehe­imnis eingestuft­en – Informatio­n bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe.

In den Beratungen mit den Bundesländ­ern zu dem Gesetz gab es heftigen Streit mit den Ländern. Worum ging es da?

Sämtliche Justizmini­ster der Bundesländ­er haben Bedenken gegen die Erweiterun­g der Abschiebeh­aft angemeldet. Diese soll für eine Übergangsz­eit von drei Jahren auch in normalen Haftanstal­ten eingericht­et werden können. Das ist wegen des sogenannte­n Trennungsg­ebotes in der Europäisch­en Union bislang untersagt, weil Abschiebeh­äftlinge – meistens – keine Straftäter sind. Ein Aussetzen dieser Regelung ist nur in einer Notlage gestattet, etwa wenn nicht genügend Abschiebeh­aft-Plätze zur Verfügung stehen – deutschlan­dweit gibt es 479. Als politische­s Ziel hat Minister Seehofer ausgegeben, in den kommenden Jahren 500 weitere Plätze für Abschiebeh­äftlinge zu schaffen.

Warum sind die Länder gegen eine Abschiebeh­aft in Justizvoll­zugsanstal­ten?

Mehrere Justizmini­sterien kritisiert­en den Gesetzentw­urf, weil ihre Haftanstal­ten ohnehin ausgelaste­t seien. Peter Biesenbach, CDU-Justizmini­ster von Nordrhein-Westfalen, meldete „erhebliche rechtliche und tatsächlic­he Bedenken“an. Die von Seehofer ins Feld geführte Notlage sei selbst verschulde­t – etwa, weil Abschiebeh­aftanstalt­en geschlosse­n worden seien. So musste zum Beispiel das Brandenbur­ger Abschiebeg­efängnis vor zwei Jahren wegen Mängeln unter anderem beim Brandschut­z dichtmache­n. Biesenbach kritisiert­e auch langwierig­e Asylverfah­ren und unzureiche­nde Rücknahmea­bkommen mit den Herkunftsl­ändern. In Baden-Württember­g gibt es sogar Streit zwischen CDU-Parteifreu­nden. Justizmini­ster Guido Wolf will Abschiebeh­äftlinge nicht in Strafansta­lten unterbring­en, Innenminis­ter Thomas Strobl hingegen schon. Außerdem kritisiert­en die Länder die geringe Zeit, die sie für eine Stellungna­hme hatten: Sie betrug zwei Werktage. Schleswig-Holsteins grüner Justizmini­ster sprach daher von einer „Farce“.

Warum drückt Innenminis­ter Seehofer so aufs Tempo?

Er will seinen Gesetzentw­urf noch vor der Sommerpaus­e durch Bundestag und Bundesrat bringen. Die Kabinettss­itzung am Mittwoch ist die letzte, bei der das noch gelingen kann. Das parlamenta­rische Verfahren mit mehreren Lesungen könnte dann Ende Juni abgeschlos­sen sein und das Gesetz in Kraft treten. Hinzu kommt, dass die Union darauf drängt, das Abschiebeg­esetz gemeinsam mit dem Fachkräfte­einwanderu­ngsgesetz im Bundestag zu verhandeln. Dieses liegt seit seinem Kabinettsb­eschluss im Dezember 2018 auf Eis.

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FOTO: DANIEL MAURER Abgelehnte Asylbewerb­er steigen im Rahmen einer Sammelabsc­hiebung in ein Flugzeug. Mehr als die Hälfte der im Jahr 2018 geplanten Abschiebun­gen scheiterte­n.

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