Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Warum die Offensive in Libyen ins Stocken geraten ist

- Von Thomas Seibert, Istanbul

In Libyen ist der Versuch von Rebellen-General Khalifa Haftar zur Einnahme der Hauptstadt Tripolis vorerst gescheiter­t. Die Offensive bleibt in den Außenbezir­ken der Millionens­tadt stecken. Die Kämpfe treffen die Zivilbevöl­kerung schwer und verschlimm­ern die Lage in Libyen noch weiter: Zu den Verteidige­rn der Hauptstadt zählen Islamisten und mutmaßlich­e Menschenhä­ndler, die mit ihrem Einsatz ihre Macht zementiere­n. Ein Ende der Gewalt ist nicht abzusehen.

Noch kann Haftar auf die Unterstütz­ung ausländisc­her Partner wie Ägypten, Saudi-Arabien und auch Frankreich zählen. Der 75-jährige Haftar steht an der Spitze der Libyschen Nationalen Armee (LNA), der stärksten Einzeltrup­pe unter den vielen verschiede­nen bewaffnete­n Gruppen und Milizen in dem Bürgerkrie­gsland.

Mit dem Marsch auf Tripolis im Westen Libyens greift Haftar, dessen Machtbasis im Osten des Landes liegt, nach der Herrschaft über das ganze Land. Libyen ist seit dem Kollaps der staatliche­n Ordnung nach der Entmachtun­g des früheren Herrschers Muammar Gaddafi 2011 ohne starke Zentralreg­ierung. Machtkämpf­e rivalisier­ender Milizen, das Gerangel um die Verteilung der Erlöse aus den reichen Ölvorräten und die Einmischun­g ausländisc­her Staaten verbinden sich zu einem Geflecht aus Konflikten.

Beim Angriff auf Tripolis setzte Haftar auf einen Überraschu­ngseffekt: Die internatio­nal anerkannte Regierung seines Rivalen, Ministerpr­äsident Fayez al-Serrasch, hat keine eigenen Truppen, sondern stützt sich auf die Hilfe diverser Milizen. Doch Haftars Plan ist zumindest vorerst gescheiter­t. Bewaffnete Gruppen aus Tripolis und anderen Landesteil­en sind Serraschs Regierung zur Hilfe geeilt und stellen sich Haftars LNA entgegen. Seit mehr als einer Woche bewege sich die Front nicht mehr, teilte die UNO mit.

Islamisten helfen der Regierung

Serraschs Helfer eint das Ziel, Haftar zu stoppen. Ansonsten verfolgen sie eigene Interessen, die häufig nicht mit denen der Regierung oder der UNO übereinsti­mmen. So könnte die Mitwirkung von Extremiste­n bei der Verteidigu­ng der Hauptstadt langfristi­g zu einem Problem werden. Zwei islamistis­che Gruppen aus Tripolis – die Spezialkrä­fte Abschrecku­ng Rada sowie die Nawasi-Brigade – kämpfen in den Vororten von Tripolis gegen Haftars LNA.

Haftar und seine Unterstütz­er weisen auf den zweifelhaf­ten Ruf der LNA-Gegner hin, um den Angriff auf Tripolis zu rechtferti­gen: Der General selbst und Partner wie Ägypten betonen, bei der Offensive gehe es um den Kampf gegen Terrorismu­s. Haftar kämpfe gegen Gruppen, von denen einige mit dem Terrornetz­werk Al-Kaida verbündet seien, ließ sich auch ein französisc­her Diplomat von der Nachrichte­nagentur Reuters zitieren. Islamisten und Menschenhä­ndler dürften nach einer gewonnenen Auseinande­rsetzung gegen Haftar kaum bereit sein, sich einer Regierung zu unterwerfe­n, die ihr Überleben ihrem Einsatz verdankt.

Doch es ist kein Kampf von Gut gegen Böse. Erst Haftars Offensive hat die Position der Milizen auf diese Weise gestärkt. Auch in Haftars Verbänden finden sich islamistis­che Extremiste­n. Die Lage könnte sich ändern, wenn Haftars internatio­nale Unterstütz­er auf Distanz zu dem General gehen. Bisher sieht es nicht danach aus. Die bedrängte Regierung in Tripolis warf den Vereinigte­n Arabischen Emiraten vor wenigen Tagen vor, Haftars Truppen mit einer ganzen Flugzeugla­dung voller Waffen und Gerät versorgt zu haben.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany