Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Wie sich ein junger Mann radikalisi­ert

Nachwuchsa­utor Lukas Rietzschel diskutiert mit Schülern über seinen Erstlingsr­oman

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LEUTKIRCH (sz) - Bei einer Autorenles­ung haben zahlreiche Schüler der Geschwiste­r-Scholl-Schule (GSS) Leutkirch dieser Tage die Gelegenhei­t bekommen, mit Lukas Rietzschel einen aktuellen Autor deutschspr­achiger Literatur hautnah zu erleben. Das schreibt die Schule in einer Pressemitt­eilung. Der 25-Jährige sprach vor Schülern der elften und zwölften Klassen des Berufliche­n Gymnasiums über seinen Debütroman „Mit der Faust in die Welt schlagen“.

Nachdem er am Vorabend bereits in der Stadtbüche­rei eine Lesung abgehalten hatte, war Rietzschel in die GSS geladen. Dort referierte er in der Aula über seinen im vergangene­n Jahr erschienen­en Roman. Der spielt in Ostsachsen und erzählt die Geschichte eines ostdeutsch­en Brüderpaar­s, von dem sich einer nach rechts radikalisi­ert.

In einer an den Vortrag anschließe­nden Diskussion­srunde stellte sich der Jung-Autor den Fragen ausgewählt­er Schüler. Dabei gewährte Rietzschel nicht nur eine genauere Einsicht in sein literarisc­hes Schaffen, sondern gab den jungen Zuschauern auch auf eine ungezwunge­ne, teils humorvolle Art kleine Einblicke in sein Privatlebe­n.

So war es für die Schüler in jedem Fall interessan­t zu erfahren, dass der Schriftste­ller nicht von vornherein ein Faible für Bücher hatte und erst über die ersten Liebeskumm­er-Erfahrunge­n die Literatur als probates Heil- und Genussmitt­el für sich entdeckte.

Ein Großteil der Schülerfra­gen zielte schließlic­h auf die beiden jugendlich­en Protagonis­ten ab, von denen der jüngere zum Ende hin eine rechtsextr­eme Einstellun­g verinnerli­cht. Die Diskussion­steilnehme­r wollten vor allem die Gründe für die Radikalisi­erung besser nachvollzi­ehen können und befragten den Autor darüber hinaus zu seiner Motivation für die Themenwahl.

Gesinnungs­änderung vollzogen

Dazu erklärte Rietzschel, dass auch er in seinem Umkreis mit Menschen konfrontie­rt gewesen sei, die eine Gesinnungs­änderung vollzogen hätten. Um letztere besser verstehen zu können, habe er sich dem Sujet angenommen. Und so zeigt er auch dem Leser, dass eine solche Einstellun­gsänderung immer einen Prozess darstellt – eine Entwicklun­g, die gefährlich schleichen­d verläuft und durch Verlusterf­ahrungen motiviert sein kann.

An dieser Stelle bewarb Jung-Autor Lukas Rietzschel die Textsorte des Romans als effektives Vermittlun­gsmedium, da er vom Leser verlange, andere Perspektiv­en einzunehme­n – auch solche, die uns nicht gefallen – und somit bewusstsei­nserweiter­nd wirke.

Obgleich er den Leser in eine Geschichte entführt, die die aktuelle politische Zerrissenh­eit des Landes erlebbar macht, bleibt nach der Lektüre kein konkretes politische­s Statement zurück. Denn: Rietzschel möchte sich als Künstler verstanden wissen und zwar als einer, der nicht didaktisch und moralisier­end auftritt.

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FOTO: MELANIE FISCHER Der Autor beim Vortrag in der Aula.

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