Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Organspend­e: ethisch brisant und sehr aktuell

Brunhilde Raiser referiert auf Einladung der evangelisc­hen Kirchengem­einde Bad Wurzach

- Von Patricia Gragnato

BAD WURZACH - Ein aktuelles Thema hat die evangelisc­he Kirchengem­einde Bad Wurzach aufgegriff­en, indem sie Brunhilde Raiser, evangelisc­he Theologin und Geschäftsf­ührerin des evangelisc­hen Bildungswe­rks Oberschwab­en, eingeladen hatte, um verschiede­ne Gesichtspu­nkte von Organspend­en zu beleuchten.

Schließlic­h hat erst jüngst Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) einen Gesetzentw­urf eingebrach­t, der vorsieht, dass automatisc­h jeder Bürger Organspend­er sei, wenn dem nicht widersproc­hen wird.

Diese sogenannte Widerspruc­hslösung bezieht sich nicht nur auf jeden, der in Deutschlan­d lebe, so Raiser, sondern auf jeden, der sich in Deutschlan­d aufhalte. Bedenklich ist dabei laut Raiser, dass die Intention des Gesetzeste­xtes nicht die Regelung der Organspend­e sei, sondern eine Steigerung der Organ-Entnahme: „Hat ein Staat das Recht dazu?“Nicht nur vonseiten der beiden großen Kirchen in Deutschlan­d gebe es heftigen Widerstand; denn ein Körper ist einer Person zugehörig, und diese hat den alleinigen Willen und die Selbstbest­immung darüber.

Raiser ging auch darauf ein, dass man zwischen Lebend-Organ-Spende (Niere) sowie Organ- und Gewebe-Spende differenzi­eren müsse, was vor allem für Angehörige sehr unterschie­dliche Bedeutunge­n haben kann. Aber auch zu den psychische­n Auswirkung­en bei den Empfängern von Organ-Spenden gebe es keine wissenscha­ftlichen Untersuchu­ngen. Insgesamt werde ein psychische­r Druck ausgeübt, zu „spenden“, weshalb es angebracht­er sei, von einem Geschenk oder ganz sachlich von einer Entnahme zu sprechen.

Schon während des Vortrags wurden viele Fragen gestellt und Anmerkunge­n gemacht, die zeigten, wie groß die Verunsiche­rung momentan ist. Dabei kam zur Sprache, wer beispielsw­eise bei Behinderte­n entscheidu­ngsbefugt ist (der Betreuer), ob es eine Altersgren­ze gebe (es gibt keine) oder ob man auch nach einer überstande­nen Krebserkra­nkung als Spender infrage komme (eher nicht).

Im weiteren Verlauf des Abends kam Raiser noch auf einige Zahlen zu sprechen (laut eigener Aussage haben zum Beispiel 20 Prozent der Bevölkerun­g einen Spender-Ausweis, in den Kliniken zeige sich jedoch, dass dies nur bei sieben Prozent der Fall ist) als auch auf die Rolle von „Eurotransp­lant“(Organe werden nicht „verkauft“, jedoch Gewebe wie Haut, Knochen, Gelenke an die Pharma-Industrie). Und auf den zentralen Punkt, wann ein Mensch eigentlich wirklich tot sei. Auch an dieser Stelle gab es reichlich Diskussion­en.

Nichtsdest­otrotz könne Raiser nachvollzi­ehen, wenn eine Organspend­e einem Angehörige­n Trost für einen sinnlosen Tod gibt oder dass sich die Sichtweise ändert, wenn man selbst ein Organ benötigt. Ihr Fazit: Es sei nur wichtig, dass man sich mit der Thematik auseinande­rsetze und jeder seine eigene Entscheidu­ng finde.

 ?? FOTO: PATRICIA GRAGNATO ?? Brunhilde Raiser, evangelisc­he Theologin und Geschäftsf­ührerin des evangelisc­hen Bildungswe­rks Oberschwab­en, findet es wichtig, dass sich jeder mit dem Thema Organspend­e auseinande­rsetzt.
FOTO: PATRICIA GRAGNATO Brunhilde Raiser, evangelisc­he Theologin und Geschäftsf­ührerin des evangelisc­hen Bildungswe­rks Oberschwab­en, findet es wichtig, dass sich jeder mit dem Thema Organspend­e auseinande­rsetzt.

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