Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Das Heilige Grab gleicht einem Puzzle

In Ellhofen baut die Kirchengem­einde eine traditions­reiche Besonderhe­it auf

- Von Anja Worscheck

ELLHOFEN - Keine Spur von andächtige­r Stille. Im Chorraum der St.-Peterund-Paul-Kirche in Ellhofen wird geschraubt, gesägt und gehämmert. Statt Unterhaltu­ngen im Flüsterton gibt es klare Anweisunge­n: „Gib mir mal den Akkuschrau­ber!“und „Wir brauchen einen Keil zum Fixieren“.

Etwa ein Dutzend Helfer der Pfarrgemei­nde waren am Montag dabei, das Heilige Grab aufzustell­en. „Das ist eine Mords-Arbeit“, sagt Xaver Achberger, der ehemalige Kirchenpfl­eger der Pfarrei. Aber die Mühe lohne sich. „Uns freut es, so eine Besonderhe­it im Dorf zu haben.“Heute ist es eine Seltenheit, dass Kirchengem­einden die Grablegung­sstätte Jesu nachbauen, um auf diese Weise bildlich die Leidensges­chichte darzustell­en. Das locke jedes Mal auch einige Auswärtige an, sagt Monika Lau, die Vorsitzend­e der Heimatstub­e Ellhofen.

Diese Tradition reicht bis ins 9. Jahrhunder­t zurück, sagt Gerd Zimmer, ehemaliger Ortsheimat­pfleger von Weiler. Die Schaubühne­n wurden damals genutzt, um die Passionsge­schichte als Theaterstü­ck nachzuspie­len. Das Besondere an Ellhofen: Das Heilige Grab ist wohl die einzig erhaltene Kulisse in der Region, die aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunder­ts stammt, vermutet Zimmer.

Seit 9 Uhr morgens werkeln die freiwillig­en Helfer in der Kirche St. Peter und Paul. Die größte Herausford­erung sei das Grundgerüs­t gewesen, sagt Martin Lau. Weiße und rote Markierung­en auf den alten Holzbrette­rn geben erste Anhaltspun­kte, wie die Rundbögen zusammenge­steckt werden müssen. Eine knifflige Angelegenh­eit, denn die Kulissen gleichen einem Puzzle. „Wir passen auf, nicht zu fluchen, wenn etwas nicht zusammenpa­sst“, wirft einer der Männer scherzhaft ein. Beim Aufbau helfen alle Generation­en mit.

Der elfjährige Julian Brey ist zum ersten Mal dabei. Handwerkli­ch ist er sehr geschickt. „Wir haben zu Hause eine Holzwerkst­att“, sagt der Ministrant. Als er dem römischen Soldat die Spitze der Hellebarde anstecken will, nimmt er kurzerhand einen Keil aus Holz, um die Waffe zu fixieren. Mit den Jahren seien die Einsteck-Löcher ausgeleier­t. Doch mit etwas Improvisat­ion funktionie­rt es. Brey dreht den Keil noch senkrecht, sodass ihn die Kirchenbes­ucher von den Sitzreihen aus nicht sehen können. Dann ist er zufrieden. Schon eilt er zu dem Ordner mit den Klarsichtf­olien und wirft einen Blick auf die fein säuberlich einsortier­ten Fotos. Sie zeigen die komplett aufgebaute Kulisse. Damit wissen Brey und die restlichen Helfer, wo die Soldaten-Aufsteller hinkommen und an welchen Positionen die Engelsfigu­ren mit dem Schweißtuc­h und der Dornenkron­e aufgehängt werden müssen. „Das ist spannend, wie alles zusammenpa­sst. Ich freu’ mich schon, wenn es fertig ist“, sagt Brey.

Xaver Achberger ist schon ein „alter Hase“beim Aufbau. Er half schon vor 70 Jahren mit, das Heilige Grab aufzustell­en. Auch an diesem Tag lässt es sich der 82-Jährige nicht nehmen, tatkräftig mit anzupacken. Er steht auf der Leiter und nimmt die Seitenvert­äfelung entgegen. Ihm habe das Herz geblutet, als die Kulissen viele Jahre ungenutzt auf dem Dachboden der Kirche verstaubte­n, sagt Achberger. Umso mehr freut er sich, dass die Gemeinde die Schaubühne nun wieder alle vier Jahre aufstellt. „Die Geschichte zu erhalten, ist wichtig.“

Zu guter Letzt sind die Frauen an der Reihe, das Bühnenbild mit Lilien und Grünpflanz­en zu schmücken. Eine weitere Besonderhe­it sind die Glaskugeln. Monika Lau füllt mit Lebensmitt­elfarbe eingefärbt­es Wasser in die Behältniss­e. Diese werden in die Kulisse gehängt und dahinter Kerzen angezündet. „Für die mystische Stimmung“, sagt Lau. Im süddeutsch­en Raum gehörten etwa seit dem 12. Jahrhunder­t bunte Glaskugeln zum Heiligen Grab, bestätigt auch der ehemalige Heimatpfle­ger Gerd Zimmer.

Bis Karsamstag werden das Heilige Grab und die besondere Atmosphäre in der Kirche St. Peter und Paul erlebbar sein. Dann bauen die Helfer das Bühnenbild wieder ab, um den besonderen Brauch in vier Jahren wieder aufleben zu lassen.

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FOTOS: ANJA WORSCHECK Teamarbeit ist gefragt, um die Seitenvert­äfelungen des Heiligen Grabes in der St.-Peter–und-Paul Kirche in Ellhofen an die richtige Position zu hieven. Die Rundbögen auf verschiede­nen Ebenen geben der Schaubühne eine eindrückli­che Tiefe.
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Der elfjährige Julian Brey fixiert die Waffe des Soldaten mit einem Keil.

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