Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Sogar den Seriensieger langweilt die Formel 1
Dass die Königsklasse „spannend wie eine Schafherde auf der Weide“sei, liege aber nicht an den Fahrern
LE CASTELLET (SID/dpa) - Lewis Hamilton hatte keine guten Nachrichten für Sebastian Vettel und seinen Sport. „Ich weiß, dass die Leute es nicht hören wollen. Aber von hier an wird es nur noch stärker“, sagte der enteilte WM-Spitzenreiter, nachdem er in Frankreich bei seinem vierten Formel-1-Sieg in Serie die Konkurrenz deklassiert hatte. Schon vor dem neunten der 21 Saisonrennen am nächsten Sonntag (15.10/RTL und Sky) in Österreich scheint aus der Weltmeisterschaft fast alle Spannung entwichen. Die erdrückende Übermacht von Mercedes-Pilot Hamilton und die Dauerkrise von Vettels Ferrari-Team versprechen wenig Unterhaltung für den Rest des Jahres.
Doch wenn sogar Siege langweilig werden, dann hat die Formel 1 ein ernsthaftes Problem. Und Lewis Hamilton machte nach seinem nie gefährdeten Start-Ziel-Sieg in Le Catsellet nicht gerade den Eindruck, die Formel 1 selbst noch sonderlich spannend zu finden. „Ich hoffe“, sagte der Weltmeister, „dass es irgendwann wieder enger wird. Dass Ferrari ein bisschen Geschwindigkeit in den Kurven findet. Dann können wir wieder Rennen fahren.“
Dabei war Hamiltons Dominanz am Sonntag in Le Castellet der auffälligste, aber nicht der einzige Grund für die Langeweile. Der Abstand des Mittelfelds auf die Spitze war ebenfalls riesengroß, Überholmanöver waren Mangelware.
Sicher, Hamiltons Hunger nach immer noch mehr Erfolg, nach Rekorden und Perfektion ist ebenso noch da wie bemerkenswert. „Wir erschaffen hier zusammen Historisches, ich bin stolz, Teil dieses Teams zu sein“, schwärmte der fünfmalige Weltmeister.
Jedoch zeigte Hamilton auch Verständnis für die Kritik an der ermüdenden Eintönigkeit an der Formel-1Spitze. Aber: „Die Leute müssen verstehen, dass die Fahrer daran keine Schuld tragen, zeigt nicht mit dem Finger auf sie“, sagte der 34-Jährige: „Wir machen nicht die Regeln, wir entscheiden nicht, wie die Gelder verteilt werden. Die Leute an der Spitze sollten den Druck spüren, damit sie ihren Job machen.“
Denn, da traf Hamilton den Kern, die Formel 1 ist seit Jahren gefangen in ihrem Reglement und in ihrem Rahmenvertrag. Die großen Rennställe bekommen das meiste Geld, investieren mehr und mehr in den Kampf um Siege und Titel, der Abstand nach hinten wird immer größer, und sogar Mittelfeldteams müssen ums wirtschaftliche Überleben kämpfen. Eine sportliche Chance auf das Podium haben ohnehin nur noch Mercedes, Ferrari und das mit Energy-Drink-Millionen aufgepumpte Red-Bull-Team.
„Ich sehe den Schlamassel, in dem wir stecken“, räumte Hamilton ein und riet dem Weltverband, vor den Entscheidungen über weitere Regelreformen die Fahrer anzuhören.
„Die Formel 1 muss sich verändern, oder sie wird sterben“, schrieb der englische „Telegraph“schon, und auch in Italien fand man wenig Erfreuliches am achten Rennen des Jahres. „Nur Hamilton hat Spaß, das ist das Ende der Formel 1“, schrieb der „Corriere dello Sport“. „Verheerend“sei das – und „spannend wie eine Schafherde auf einer Weide.“