Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Großes Loch“soll sich schließen

Neue Eigentümer planen in Kempten ein Appartemen­thaus mit Gewerbeflä­chen

- Von Jochen Sentner

KEMPTEN - Wenn man nicht gerade nach Nessie sucht, steht „Loch“für eine „durch Einwirkung entstanden­e offene Stelle, an der die Substanz nicht mehr vorhanden ist“. Bei einer Fläche von 2000 Quadratmet­ern und 18 Metern Tiefe ist schnell von einem „Großen Loch“die Rede. Darüber sprechen die Kemptener seit 2010. So lange beschäftig­t eine Baugrube im Süden der Innenstadt Behörden und Gerichte und sorgt bundesweit für Schlagzeil­en. Jetzt sieht es so aus, als ob die Wunde im Stadtbild bald verheilen dürfte. Eine Voranfrage ist akzeptiert, nächstes Jahr soll ein Gebäude entstehen.

Zwei Schweizer Investoren hatten das Filetstück an der Bahnhofstr­aße erworben – gegenüber des Einkaufsze­ntrums „Forum Allgäu“mit seinen 90 Läden. Ein Geschäftsh­aus mit Tiefgarage hat die Stadt dort 2010 genehmigt. Wenige Monate später war das Große Loch bei seinen imposanten Formen angekommen. Doch danach ging nichts mehr. Um die Ansiedlung von Einzelhand­elsunterne­hmen in dem geplanten Gebäude entbrannte ein erbitterte­r Streit zwischen Bauherren und Verwaltung. Letztere wollte vor allem die eingesesse­nen Firmen in der Innenstadt schützen.

Das Große Loch hat derweil ein Eigenleben entwickelt: Die Baugrube, die längst mit eindringen­dem Grundwasse­r vollgelauf­en war, drohte einzustürz­en. Obendrein gingen die Investoren mit ihrem Projekt baden, meldeten Insolvenz an. Mitte 2013 sah sich das Kemptener Baureferat gezwungen, das Areal aufwendig absichern zu lassen. Und steckte damit drin in einer Kostenfall­e. Um Stabilität zu schaffen, ließ die Stadt die geplante Tiefgarage auf eigene Rechnung in Millionenh­öhe errichten.

Erste Bauvoranfr­age Mitte Mai durchgewun­ken

Nach langem Hin und Her unter den Gläubigern floss ein Teil dieses Gelds an die Stadt zurück, nämlich aus dem Erlös für das Grundstück. Im Januar 2018 kauften sich die Nowinta Bau GmbH aus Aalen und die Doma GmbH aus Leonberg ein. Kurze Zeit später fürchteten viele Kemptener, dass sich nur ein weiteres großes Kapitel in der Geschichte der umstritten­en Baugrube auftut – denn auch die ersten Vorstellun­gen der neuen Eigentümer sprengten den Rahmen. Doch diesmal sind die Verhandlun­gen offenbar von Erfolg gekrönt.

Eine erste Bauvoranfr­age hat der Bauausschu­ss Mitte Mai durchgewun­ken. Entstehen soll ein Appartemen­t-Haus mit 161 Wohnungen. Auch Gewerbeflä­chen sind zugelassen, aber eben nicht für Anbieter, die dem etablierte­n Einzelhand­el im Zentrum Konkurrenz machen würden. Die bereits vorhandene Tiefgarage bietet 195 Stellplätz­e. 30 Millionen Euro nehmen die Gesellscha­ften für ihr Projekt in die Hand. Ähnliche Vorhaben in anderen Städten haben sie bereits erfolgreic­h umgesetzt.

„Wir sind auch für Kempten guter Dinge“, sagt Reinhard Putz, einer der Gesellscha­fter der Investoren­gemeinscha­ft. Die entscheide­nden Hürden betrachtet er als genommen. Wobei er frühere, ganz optimistis­che Vorhersage­n zum Baubeginn jetzt etwas relativier­t: „Das wird wohl im ersten Quartal 2020 passieren.“Ende 2021 soll das bis zu sechs Stockwerke hohe Bauwerk bezugsfert­ig sein. Mit den neuen Partnern sieht auch die Verwaltung ein „positives Auskommen“, wie es Oberbürger­meister Thomas Kiechle ausdrückt. Ihn beschäftig­t das Große Loch seit seinem Amtsantrit­t 2014, vorher bereits in seiner Funktion als Stadtrat. Von vielen Seiten war er heftigem Druck ausgesetzt: „Es war richtig, dem nicht nachzugebe­n.“

Auf weitere Geduldspro­ben könnten die 72 000 Bürger in der zweitgrößt­en schwäbisch­en Stadt verzichten. Doch es gibt ein Projekt, von dem manche vermuten, es könnte noch länger auf sich warten lassen: Im Jahr 2013 hat der Klinikverb­und KemptenObe­rallgäu das Areal des ehemaligen Kreiskrank­enhauses an mehrere Bieter verkauft.

Der denkmalges­chützte Kopfbau an der Memminger Straße ging an ein Münchner Unternehme­n, das dort Wohnungen schaffen wollte. Drumherum sind längst neue Gebäude bezogen, auch der Nachfolgeb­au des Allgäu-Hospizes nimmt Formen an – nur an dem markanten Quader zur Hauptstraß­e hin tut sich nichts.

Und ein griffiger Name für das Objekt fehlt auch noch ...

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FOTO: RALF LIENERT Diese Baugrube in Kempten hat Gerichte beschäftig­t und bundesweit­e Schlagzeil­en gemacht. Jetzt soll die Wunde im Stadtbild bald verheilen. Die Investoren planen dort ein Appartemen­t-Haus mit 161 Wohnungen und mit Gewerbeflä­chen.

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