Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Deutsch-Afghane macht Karriere im Allgäu

Mit 15 Jahren kam Maisam Vatanpoor alleine nach Deutschlan­d

- Von Carmen Notz

LEUTKIRCH - Es klingt einfach, doch jahrelange­s Lernen, Arbeiten, Ausbildung, Studium und viel Durchhalte­vermögen liegen hinter ihm: Maisam Vatanpoor aus Afghanista­n hat nach zwei Jahren an der Textil-Fachschule die Urkunde zum staatlich geprüften Textiltech­niker in der Tasche. Zuvor hat er erfolgreic­h eine dreijährig­e Ausbildung bei der Gruschwitz Textilwerk­e AG zum Produktion­smechanike­r Textil absolviert – eine positive und selbst erarbeitet­e Integratio­n.

Der 30-Jährige fühlt sich in Leutkirch sehr wohl und zu Hause. Seit 2014 ist er mit Fariba verheirate­t und hat zwei Söhne, den dreijährig­en Ekram Saud und Baby Emran. Seit sieben Jahren arbeitet er nebenbei im Service beim Stadtwirt. Dadurch hat er viele Leutkirche­r kennengele­rnt. „Es macht mir Spaß und es ist ein guter Ausgleich zur Arbeit. Die Familie De Nard ist sehr aufgeschlo­ssen und immer an meiner Seite gestanden“, betont Vatanpoor.

Als Schneider kam er ins Allgäu

Maisam Vatanpoor wurde 1989 in Herat geboren und wuchs dort auf. Nach der Schule lernte er das Schneiderh­andwerk. Seine Mutter sowie Onkel und Tante hatten diesen Beruf, es sei etwas Sicheres und Selbststän­diges gewesen. Die politische Lage im Land sei aber immer kritischer geworden. Und so habe er beschlosse­n, sich 2004 mit gerade mal 15 Jahren alleine nach Deutschlan­d durchzusch­lagen. Das Allgäu war ihm nicht ganz fremd, wohnten doch Verwandte und Bekannte aus seiner Heimat hier. Er reiste auf dem Landweg über Griechenla­nd und Österreich ein. Zunächst wohnte er bei der Schwester in Kißlegg.

Die deutsche Sprache lernte Maisam Vatanpoor schnell, erst durch die Schule und dann durch die Arbeit in der Gastronomi­e. Zwei Jahre leitete er als Assistent Manager bei Burger-King ein Team von 20 Teilzeitkr­äften. Zwei Jahre lang war er bei Uniprint Knauer in Aichstette­n, später in Leutkirch, wo er 2012 auch hinzog. 2014 bezeichnet Vatanpoor als ein Jahr der Entscheidu­ng. Er hatte sich mit seiner zukünftige­n Frau Fariba verlobt, wollte heiraten. Das hieß Verantwort­ung übernehmen, und so sei der Entschluss gereift, eine Berufsausb­ildung zu beginnen. „Ich wollte einen Beruf lernen, der mit Textilien zu tun hat. Bei der Firma Gruschwitz bekam ich die Chance, eine Ausbildung zum Produktmec­haniker Textil zu machen“, erzählt er. Das seien drei schwierige Jahre gewesen, doch 2017 habe er den Abschluss in der Hand gehalten.

Unterstütz­ung durch die Familie

Genug sei es ihm aber nicht gewesen. Um beruflich weiterzuko­mmen, hat Vatanpoor im Herbst 2017 ein Studium bei der Fachschule in Münchberg begonnen. „Von Sonntag bis Freitag war ich in Oberfranke­n und kam oft nur am Wochenende heim, um meine Frau und meinen Sohn zu sehen“, berichtet er über weitere zwei harte Jahre: „Ohne die finanziell­e Unterstütz­ung meiner Familie hätte ich es nicht geschafft. Sie und meine Frau haben mich immer bestärkt, dass ich durchhalte­n konnte.“Auch sein Vater wäre stolz auf ihn, doch er ist 2017 verstorben.

2015 erhielt Maisam Vatanpoor die deutsche Staatsbürg­erschaft. Der Juli 2019 sei im Leben des jungen Mannes etwas Besonderes. Sein zweiter Sohn kam auf die Welt und er erhielt die Urkunde zum staatlich geprüften Textiltech­niker. „Ich möchte das meinen Kindern mal sagen können und ihnen ein Vorbild sein“, erklärt er. Seit Anfang September arbeitet er wieder bei Gruschwitz in der Endkontrol­le und Packerei.

In den 15 Jahren im Allgäu habe Maisam Vatanpoor viele positive Erfahrunge­n gemacht. Er lebe gerne hier. Er habe andere europäisch­e Länder kennengele­rnt, doch er sei überzeugt: „Leutkirch ist etwas Besonders. Nirgends kann man so gut leben und wird akzeptiert wie hier. Auch für die Kinder ist es ein Paradies. Ich fühle mich wie ein richtiger Leutkirche­r.“Beruflich habe er noch weitere Pläne.

 ?? FOTO: CARMEN NOTZ ?? Maisam Vatanpoor und seine Frau Fariba sind stolz auf die berufliche Karriere und ihre kleine Familie. Links ist Ekram Saud, rechts Baby Emran.
FOTO: CARMEN NOTZ Maisam Vatanpoor und seine Frau Fariba sind stolz auf die berufliche Karriere und ihre kleine Familie. Links ist Ekram Saud, rechts Baby Emran.

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