Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wie viele E-Bikes verträgt eine Alpe?
Mit Elektrofahrrädern ist es einfacher geworden, in den Bergen zu radeln
HALBLECH - Die auf 1140 Metern Höhe gelegene Alpe Wank steht mitten in den Ammergauer Alpen. Es ist kein großes Problem, zu der Alpe zu kommen. Vorausgesetzt man hat den Berechtigungsschein, die schmale Straße mit dem Auto befahren zu dürfen.
Martin Ott hat diesen Schein, schließlich ist er der Alpmeister. Seit 20 Jahren kümmert er sich um die Alpe südöstlich von Halblech im sogenannten Kenzengebiet (Ostallgäu). Insgesamt elf Landwirte, die sich in der Waldkörperschaft BuchingTrauchgau zusammengeschlossen haben, bringen im Sommer ihr Vieh in die Berge. Die Straße führt weiter bis zur Kenzenhütte, wo die Touristen mit Kleinbussen hingefahren werden.
So idyllisch es in den Ammergauer Alpen auch ist, es gibt ein Problem: Ott muss auf der engen Straße oft ins Kiesbett am Fahrbahnrand ausweichen, weil Radler entgegenkommen. „Bei Wanderern und Fahrradfahrern ist das ein gern genutzter Weg“, sagt Ott. „Es werden immer mehr Radfahrer“, sagt Thomas Singer, der seit 18 Jahren als Hirte auf der Alpe Wank tätig ist und den Großteil des Sommers dort verbringt. Mit den „normalen Radfahrern“, wie es die beiden ausdrücken, hätten sie kein Problem. Vielmehr mit einigen, die sich mit EBikes in die Berge wagen. Singer kann nicht verstehen, warum sich Menschen – darunter viele junge Leute – mit elektronischer Unterstützung auf eine solche Route begeben. „Denen reicht eine normale Radtour nicht mehr. Vor 30 oder 40 Jahren wollte keiner hierher“, erinnert sich der 48Jährige. Er hat auch schon beobachtet, wie Sportler ihr Rad getragen hätten, um dann auf steilen und gefährlichen Wegen herunterzufahren. „Das ist der Kick. Die werden von irgendwelchen Videos dazu herausgefordert“, sagt Singer.
Eine weitere Erschließung ist kaum noch Thema, seit in den 1970erJahren der Weg geteert wurde. „Seit damals gibt es auch die Buslinie an die Kenzenhütte“, sagt Alphirte Singer. Zuvor, so erinnern sich er und Martin Ott, sind die Landwirte mit dem Fahrrad oder zu Fuß auf die Alpe gekommen. Auch heute geht es teilweise nur zu Fuß weiter. Denn die Tiere sind in einem großen Gebiet unterwegs, oft hoch oben in den Bergen.
So stören Radfahrer das Jungvieh
Auch im Oberallgäu wird die Entwicklung mit immer noch sportlicheren Radmodellen kritisch gesehen. Deshalb hatte das „Zentrum Naturerlebnis Alpin“, das von Obermaiselstein aus agiert, im Sommer zu einem Erfahrungsaustausch in Gunzesried geladen. Bei dem Treffen waren unter anderem die Gemeinde, der Deutsche Alpenverein, die Deutsche Initiative Mountainbike, das Landratsamt sowie der alpwirtschaftliche Verein und Älpler vertreten.
Karin Feldkircher, die mit ihrem Mann die Alpe Höllritzer bewirtschaftet, berichtete damals von einigen Problemen: Eine beliebte Fahrrad-Strecke führe direkt durch Flächen, auf denen Vieh weidet. Durch die Biker werde das Jungvieh gestört und verletzt. Deshalb hätten die Älpler die Strecke im vergangenen Jahr gesperrt. Dies habe zu Unmut und Anfeindungen geführt. In diesem Jahr sprang deshalb der Naturpark Nagefluhkette zur Seite, der eine zeitliche Einschränkung auf freiwilliger Basis vereinbarte und ein offizielles Schild aufstellte.
Der Geschäftsführer des alpwirtschaftlichen Vereins, Michael Honisch, befürwortet im Gespräch mit der „Allgäuer Zeitung“grundsätzlich eine Erschließung der Alpen. „Ein Wegenetz ist die Voraussetzung für eine nachhaltige und erfolgreiche Bewirtschaftung.“Der Verein vertritt die Interessen von 696 Alpen im Allgäu. Honisch ist auch klar, dass es bewirtete Alpen gibt, die von den E-Bike-Fahrern profitierten und welche, die mit den „Auswirkungen des Tourismus zu kämpfen haben“. Der Verein arbeitet deshalb beispielsweise auch in der Arbeitsgemeinschaft Bergbauern mit. Gemeinsam mit Naturschutzverbänden werden laut Honisch Empfehlungen für die Politik erarbeitet. Zum Beispiel sollen Verhaltensregeln für den Besuch auf einer Alpe entstehen.
Für Singer und Ott aus dem Ammergebirge wäre eine Sperrung verschiedener Wege für die Radler eine Option. „Man müsste den Verkehr in eine Bahn lenken und verhindern, dass die Biker alle Wege befahren“, sind sie sich einig.