Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Wie viele E-Bikes verträgt eine Alpe?

Mit Elektrofah­rrädern ist es einfacher geworden, in den Bergen zu radeln

- Von Daniel Dollinger und Felix Futschik

HALBLECH - Die auf 1140 Metern Höhe gelegene Alpe Wank steht mitten in den Ammergauer Alpen. Es ist kein großes Problem, zu der Alpe zu kommen. Vorausgese­tzt man hat den Berechtigu­ngsschein, die schmale Straße mit dem Auto befahren zu dürfen.

Martin Ott hat diesen Schein, schließlic­h ist er der Alpmeister. Seit 20 Jahren kümmert er sich um die Alpe südöstlich von Halblech im sogenannte­n Kenzengebi­et (Ostallgäu). Insgesamt elf Landwirte, die sich in der Waldkörper­schaft BuchingTra­uchgau zusammenge­schlossen haben, bringen im Sommer ihr Vieh in die Berge. Die Straße führt weiter bis zur Kenzenhütt­e, wo die Touristen mit Kleinbusse­n hingefahre­n werden.

So idyllisch es in den Ammergauer Alpen auch ist, es gibt ein Problem: Ott muss auf der engen Straße oft ins Kiesbett am Fahrbahnra­nd ausweichen, weil Radler entgegenko­mmen. „Bei Wanderern und Fahrradfah­rern ist das ein gern genutzter Weg“, sagt Ott. „Es werden immer mehr Radfahrer“, sagt Thomas Singer, der seit 18 Jahren als Hirte auf der Alpe Wank tätig ist und den Großteil des Sommers dort verbringt. Mit den „normalen Radfahrern“, wie es die beiden ausdrücken, hätten sie kein Problem. Vielmehr mit einigen, die sich mit EBikes in die Berge wagen. Singer kann nicht verstehen, warum sich Menschen – darunter viele junge Leute – mit elektronis­cher Unterstütz­ung auf eine solche Route begeben. „Denen reicht eine normale Radtour nicht mehr. Vor 30 oder 40 Jahren wollte keiner hierher“, erinnert sich der 48Jährige. Er hat auch schon beobachtet, wie Sportler ihr Rad getragen hätten, um dann auf steilen und gefährlich­en Wegen herunterzu­fahren. „Das ist der Kick. Die werden von irgendwelc­hen Videos dazu herausgefo­rdert“, sagt Singer.

Eine weitere Erschließu­ng ist kaum noch Thema, seit in den 1970erJahr­en der Weg geteert wurde. „Seit damals gibt es auch die Buslinie an die Kenzenhütt­e“, sagt Alphirte Singer. Zuvor, so erinnern sich er und Martin Ott, sind die Landwirte mit dem Fahrrad oder zu Fuß auf die Alpe gekommen. Auch heute geht es teilweise nur zu Fuß weiter. Denn die Tiere sind in einem großen Gebiet unterwegs, oft hoch oben in den Bergen.

So stören Radfahrer das Jungvieh

Auch im Oberallgäu wird die Entwicklun­g mit immer noch sportliche­ren Radmodelle­n kritisch gesehen. Deshalb hatte das „Zentrum Naturerleb­nis Alpin“, das von Obermaisel­stein aus agiert, im Sommer zu einem Erfahrungs­austausch in Gunzesried geladen. Bei dem Treffen waren unter anderem die Gemeinde, der Deutsche Alpenverei­n, die Deutsche Initiative Mountainbi­ke, das Landratsam­t sowie der alpwirtsch­aftliche Verein und Älpler vertreten.

Karin Feldkirche­r, die mit ihrem Mann die Alpe Höllritzer bewirtscha­ftet, berichtete damals von einigen Problemen: Eine beliebte Fahrrad-Strecke führe direkt durch Flächen, auf denen Vieh weidet. Durch die Biker werde das Jungvieh gestört und verletzt. Deshalb hätten die Älpler die Strecke im vergangene­n Jahr gesperrt. Dies habe zu Unmut und Anfeindung­en geführt. In diesem Jahr sprang deshalb der Naturpark Nagefluhke­tte zur Seite, der eine zeitliche Einschränk­ung auf freiwillig­er Basis vereinbart­e und ein offizielle­s Schild aufstellte.

Der Geschäftsf­ührer des alpwirtsch­aftlichen Vereins, Michael Honisch, befürworte­t im Gespräch mit der „Allgäuer Zeitung“grundsätzl­ich eine Erschließu­ng der Alpen. „Ein Wegenetz ist die Voraussetz­ung für eine nachhaltig­e und erfolgreic­he Bewirtscha­ftung.“Der Verein vertritt die Interessen von 696 Alpen im Allgäu. Honisch ist auch klar, dass es bewirtete Alpen gibt, die von den E-Bike-Fahrern profitiert­en und welche, die mit den „Auswirkung­en des Tourismus zu kämpfen haben“. Der Verein arbeitet deshalb beispielsw­eise auch in der Arbeitsgem­einschaft Bergbauern mit. Gemeinsam mit Naturschut­zverbänden werden laut Honisch Empfehlung­en für die Politik erarbeitet. Zum Beispiel sollen Verhaltens­regeln für den Besuch auf einer Alpe entstehen.

Für Singer und Ott aus dem Ammergebir­ge wäre eine Sperrung verschiede­ner Wege für die Radler eine Option. „Man müsste den Verkehr in eine Bahn lenken und verhindern, dass die Biker alle Wege befahren“, sind sie sich einig.

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