Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Klimapaket kommt nicht gut an
Opposition und Verbände kritisieren Beschlüsse – Hunderttausende Aktivisten protestieren
BERLIN - In den Augen der Großen Koalition ist es ein großer Wurf, die Opposition spricht von einer herben Enttäuschung, Verbände und Umweltschützer sind empört: Die Bundesregierung hat am Freitag unter dem Druck erneuter Massenproteste nach einem Verhandlungsmarathon das Klimaschutzprogramm 2030 vorgestellt. „Wenn es bei diesem Paket bleibt, besteht keine Chance, die Klimaziele 2030 zu erreichen“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte die Beschlüsse gegen die massive Kritik: „Das Klimapaket ist das, was möglich ist.“Sie glaube, dass man damit die Ziele für 2030 erreichen könne.
Die wichtigsten Punkte: Der CO2Ausstoß im Bereich Verkehr und Wärme soll durch Zertifikate begrenzt werden. Unternehmen, die Heiz- und Kraftstoffe in den Verkehr bringen, müssen die Zertifikate kaufen, die ab 2021 für zehn Euro pro Tonne abgegeben werden, ab 2024 für 30 Euro. Ziel ist, dass immer weniger Zertifikate ausgegeben werden und so der CO2-Ausstoß sinkt. Benzinund Heizölpreise werden langsam ansteigen, im Gegenzug soll die Pendlerpauschale erhöht werden. Die Strompreise sollen sinken. Flugtickets sollen durch erhöhte Ticketabgaben teurer werden, Bahnfahren billiger. Dazu wird die Mehrwertsteuer auf Bahntickets gesenkt. Die Kfz-Steuer soll für Autos steigen, die viel Kraftstoff verbrauchen. Auch die Lkw-Maut soll teurer werden. Windkraft solle ausgebaut, Elektroautos gefördert werden. Beim Ersetzen alter Ölheizungen soll es bis zu 40 Prozent Förderung geben.
Für Michael Theurer, den stellvertretenden FDP-Fraktionschef, ist das Paket „eine Mogelpackung“. „Durch staatlich festgesetzte Preise bis mindestens 2026 handelt es sich beim vorgeschlagenen sogenannten Emissionshandel nicht um Marktwirtschaft, sondern um Planwirtschaft“, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“. Offenbar sei die Union vor der SPD eingeknickt. AfD-Fraktionschefin Alice Weidel nannte das Klimapaket „verheerend für den Wirtschaftsstandort Deutschland“. Weidel erklärte weiter: „Permanent werden neue Steuern erfunden, letztendlich führt es zu einer Mehrbelastung der Verbraucher.“
Auch in breiten Teilen der Wirtschaft stieß das Klimapaket auf Kritik. Zwar sprachen Branchenverbände von wichtigen Beschlüssen, das 50-Milliarden-Euro-Paket sei aber auch unausgewogen, ineffektiv und schädlich für den Standort Deutschland. Die Spitzenverbände DIHK und BDI mahnten Detailarbeit und schnelle Klarheit für Firmen an.
Aus anderen Gründen enttäuscht waren die Umweltverbände. Greenpeace warf der Bundesregierung vor, sie „kann keinen Klimaschutz“. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sprach von einem „desaströsen“Programm, der WWF von einer „Mischung aus Verzagen, Vertagen und Versagen“, der BUND von einem „Stückwerk mit halbgaren Maßnahmen, Ankündigungen und Absichtserklärungen“. BUND-Chef Hubert Weiger erklärte: „Das Klima kippt und die Uhr tickt.“Das Ermutigende seien „die vielen Menschen, die auf die Straße gegangen sind“.
Weltweit gingen Hunderttausende bei den „Fridays for Future“-Protesten auf die Straße. Der Zulauf in Deutschland war groß: In Berlin kamen nach Angaben der Aktivisten 270 000 Menschen, die Polizei ging von 100 000 aus. In München beteiligten sich gut 25 000 Menschen, in Freiburg waren es 20 000. Auch in vielen kleineren Städten, etwa im Südwesten, wurde demonstriert.