Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Die Jugend lädt, die Politik folgt
Hunderte begleiten in Leutkirch die Demonstration zum Klimaschutz
LEUTKIRCH - Weltweit ist am Freitag für besseren Klimaschutz protestiert worden. In Leutkirch riefen die lokalen Organisatoren der Fridaysfor-Future-Bewegung zu einem Demonstrationszug durch die Stadt mit anschließender Podiumsdiskussion am Marktplatz auf. Hunderte folgten dem Aufruf.
In Leutkirch begann der Klimaprotest mit einem Demonstrationszug vom Bahnhof durch die Innenstadt bis zum Kornhausplatz. Nach Schätzungen der Polizei setzten sich ab 11.30 Uhr rund 300 Menschen mit ihren Protestschildern, Trillerpfeifen blasend und Parolen skandierend, in Bewegung. Auffällig war dabei die große Anzahl an Erwachsenen. „Die Firmen Elobau und Härle haben ihren Mitarbeitern gestattet, an der Demonstration teilzunehmen“, freute sich Mitorganisatorin Maja Ege.
„Für meine Lebenspanne reicht diese Welt, aber ich habe mittlerweile Enkelkinder und ich möchte, dass auch sie in einer gesunden Welt aufwachsen können. Ich habe Angst, dass das Klima künftig noch viel extremer wird“, erklärte Jutta Veser, die mit Tochter und Enkelkind an der Fridays-for-Future-Demonstration teilnahm. Und auch Wolfgang Müller, ebenfalls bereits seit vielen Jahren über das Schüleralter hinaus, sieht die Zeit gekommen, die Bewegung aktiv zu unterstützen. „Die Fridays-for-Future-Bewegung macht einen Schritt in die richtige Richtung, um das Klima auch für unsere Kinder und Enkel zu erhalten. Wenn nicht jetzt, wann dann?, stellt er die rhetorische Frage, bevor sich der Zug unter Rufen wie „Ob Leutkirch, Delhi oder Lima, wir brauchen ein gesundes Klima“in Bewegung setzte.
„Das Menschheitsthema Nummer eins“
Auf dem Kornhausplatz hatten die Organisatoren dann zu einer Podiumsdiskussion geladen. Der Fraktionsvorsitzende der Leutkircher CDU, Waldemar Westermayer, Petra Krebs, Mitglied des baden-württembergischen Landtags für die Grünen, Korbinian Sekul von der Linken, Thomas Bergmann von der ÖDP und Markus Helfenstein von der FDP stellten sich den Fragen der beiden Moderatoren Luisa Schmidt und Janek Schick. Ziel der Runde sei es, die Fragen der Schüler zu beantworten und die Positionen der jeweiligen Parteien vorzustellen, erklärte Schick. Und so ging es dann auch schnell in die Diskussion.
Die Grünen-Landtagsabgeordnete Krebs bezeichnete den Klimawandel als „das Menschheitsthema Nummer eins“, das sicher nicht umsonst gelöst werden könne, bei dem sich aber jede heute gemachte Investition in der Zukunft auszahlen werde. Im Bereich der Mobilität plädierte sie für einen stärkeren Ausbau des Radwegnetzes samt Parkplätzen und brach eine Lanze für die Forschung an autonom fahrenden Autos, die zukünftig das Mobilitätsproblem im ländlichen Raum entschärfen würden. Beim Verbot von Massentierhaltung nahm sie die Verbraucher in die Pflicht, „die mit ihrem Konsum jeden Tag mitentscheiden, was produziert wird.“Außerdem sprach sie sich für das 365-Euro-Ticket für den ÖPNV sowie dessen „intelligenten Ausbau im ländlichen Raum“aus.
Korbinian Sekul von der Linken stellte den Klimaschutz in den großen Zusammenhang mit anderen drängenden Themen der Zeit, wie der Flüchtlingsproblematik oder Artenund Naturschutz, die sich alle im Klimaschutz wiederfänden. Er plädierte außerdem für ein generelles Verbot von Inlandsflügen, sprach sich für das 365-Euro-Ticket sowie mittelfristig für einen kostenfreien ÖPNV aus und forderte im Rahmen des schnellen Rückzugs aus der Braunkohle eine stärkere Kommunalisierung der Energiewirtschaft vor Ort durch Wind-, Wasser- und Solarenergie.
FDP-Mann Markus Helfenstein warnte davor, Klimaschutz zu einseitig zu betrachten. „Klimaschutz ist das wichtigste Thema, aber nicht das einzige“und erklärte, dass Umweltthemen mittlerweile auch in der FDP angekommen seien. Die Partei sei im Umbruch. In der Vergangenheit habe man sich bei diesen Themen nicht mit Ruhm bekleckert, es gäbe aber auch Strömungen, denen soziale und ökologische Themen sehr wichtig seien. Den ÖPNV wolle er wie alle anderen ausbauen, er solle aber nicht gratis sein, sondern günstiger und vor allem besser. Damit könne man der Bevölkerung Alternativen zum Autoverkehr anbieten. Bezüglich der Co2-Abgabe sprach sich Helfenstein, egal welche Lösung hier auch angestrebt werde, für eine Aufgabe der Blockadehaltung unter den Parteien aus. „Es ist ein Beispiel für ein Thema, bei dem wir schnell zusammenfinden sollten. Wir müssen es jetzt anpacken.“
100 Prozent erneuerbare Energien
Thomas Bergmann stellte gleich zu Beginn klar, dass es für die ÖDP kein vom Klimaschutz getrenntes Thema gebe. „Der Klimaschutz betrifft alle Themen und Menschen.“Gerade bei den Themenfeldern ÖPNV und erneuerbare Energien machte Bergmann klar, dass es seiner Meinung nach an der Politik liege, die Menschen auf den richtigen Weg zu führen. „Der ÖPNV muss günstiger werden und wir wollen 100 Prozent erneuerbare Energien. Was wir dafür brauchen, ist der politische Wille. Von der technischen Seite sind die Voraussetzungen gegeben“, so Bergmann. Dem Auto müsse man das Leben in der Stadt noch schwerer machen, als bisher. Die Landes- und Kommunalpolitik müssten weiter in die Alternativen zum Autoverkehr investieren. Beim Thema Massentierhaltung sieht Bergmann die Gesellschaft in der Pflicht. „Wir müssen den Menschen helfen, sich mehr als immer nur das Günstigste leisten zu können.“Insgesamt sieht Bergmann Deutschland aber immer noch in einer möglichen Vorbildfunktion für Europa und die Welt. „Die deutsche Wirtschaft und die deutsche Gesellschaft ist reif genug, hier im internationalen Vergleich vorweg gehen zu können.“
Waldemar Westermayer stellte klar, dass es für ihn gar nicht so sehr darauf ankäme, welcher politische Weg eingeschlagen werde (Beispiel Co2-Zertifikate oder Co2-Steuer), sondern darum, dass das Geld anschließend auch tatsächlich effektiv im Sinne des Klimaschutzes eingesetzt werde. „Wir brauchen hier intelligente Lösungen“, so Westermayer. Bezüglich der biologischen Landwirtschaft nahm der Betreiber eines biologisch geführten Milchbetriebs die Konsumenten in die Pflicht. „Wenn die Menschen biologische Produkte fordern, dann müssen sie sie auch kaufen. Sonst wird der Preisdruck für die kleinen Betriebe so groß, dass sie nicht überleben können.“Auch Westermayer sieht in einem günstigen ÖPNV einen Schritt in die richtige Richtung, dieser müsse allerdings auch attraktiver gemacht werden. Als Beispiel nannte er den Landbus in Vorarlberg, der ein ähnlich ländliches Gebiet wie das Allgäu stündlich abfahre.
Nach einer Stunde Podiumsdiskussion endete die, nach Meinung der Organisatoren, bislang politischste aller Fridays-for-Future-Demonstrationen. „Ich denke, es ist gut gelaufen. Wir hatten viele Zuhörer bei der Diskussion und ich hoffe, wir haben viele Menschen in Leutkirch zum Nachdenken angeregt“, fasst Organisator Janek Schick die zurückliegenden Stunden zusammen.