Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Bewertungsportal darf nach eigenem Gutdünken filtern
BGH weist Klage von Fitnessstudiobetreiberin ab
BERLIN - Die Bewertungen im Netz entscheiden heute oft über den Erfolg eines Ladens oder eines Produkts. Gerade weil sie für Geschäftsleute so wichtig sind, blüht jedoch ein Geschäft mit gekauften Bewertungen. Zugleich nutzen unzufriedene Kunden das Instrument gnadenlos, um Dienstleister abzustrafen. Dieses Spannungsfeld beschäftigt mehr und mehr die Rechtsprechung. Am Dienstag hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe eine wichtige Entscheidung zu Klagemöglichkeiten von Gewerbetreibenden gegen Internetportale verkündet (Az. VI ZR 495/18).
Der BGH hat der Webseite Yelp Recht gegeben: Sie darf die Bewertungen automatisch aussieben lassen, bevor das Programm einen Durchschnittswert berechnet. Geschäftsinhaber müssen auch Kritik hinnehmen, sagte Richter Stephan Seiters. Geklagt hatte eine Fitnessstudiobetreiberin aus München. Die durchschnittliche Bewertung auf Yelp war eher mäßig, was die Betreiberin unfair fand. Zahlreiche positive Bewertungen waren nicht berücksichtigt, weil die Programme im Hintergrund der Website sie als wenig vertrauenswürdig eingestuft hatte. Ein Gericht in München hatte das zunächst als unfaire Vorgehensweise eingestuft. Dort hatte das örtliche Fitnessstudio also gegen das weltweit operierende Unternehmen aus San Francisco gewonnen. Doch nun hat der BGH dieses Urteil kassiert. Er stärkt damit die Freiheit der Internetwirtschaft.
Eine Gewichtung der Bewertungen bietet sich aus Sicht von Yelp an, weil nicht alle Beurteilungen ehrlich zustande kommen. Dienstleister in Indien können für kleines Geld ganze Armeen von scheinbaren Nutzern in Bewegung setzen, die Bewertungen abgeben. Und auch manch echter Kunde ist vielleicht nicht repräsentativ. Die Informatiker haben sich daher Kriterien ausgedacht, nach denen sie die Bewertungen filtern. Dass auch dieses Verfahren letztlich Fehler produziert, war abzusehen. Es landet ganz sicher auch manche komplett berechtigte Einschätzung im Keller der Seite, wo in grau ein Hinweis auf „nicht empfohlene“Bewertungen steht. Yelp zufolge ist es aber besser als gar keine Gewichtung.
Doch die Vorwürfe gegen Yelp gingen in den vergangenen Jahren noch weiter. Das Portal soll positive Einschätzungen gewissermaßen als Geisel genommen haben. Diese wurden nur dann in die Bewertung aufgenommen, wenn der Gewerbetreibende zugleich bezahlte Werbung kauft, lautet die Unterstellung. Yelp leugnet das. Doch viele Geschäftsinhaber hassen Yelp von ganzem Herzen für die intransparente Bewertungspolitik. Ob zu Recht oder nicht, wird vermutlich auch nach dem BGH-Urteil vom Dienstag noch weltweit Gerichte beschäftigen.
Fest steht aber, dass die kleinen gelben Sternchen und die kurzen Texte erfolgsentscheidend geworden sind. Mehr als jeder zweite OnlineShopper gibt an, sich an den Bewertungen zu orientieren, hat der Digitalverband Bitkom in einer Befragung herausgefunden. Von den 16- bis 29Jährigen, die erst in den kommenden Jahren in die zahlungskräftigste Käufergruppe aufrücken, halten sogar zwei Drittel die Einschätzungen der anderen Nutzer für auschlaggebend.
Der Verband sieht die Bewertungssysteme grundsätzlich positiv. „Unabhängige Bewertungen können eine gute Entscheidungshilfe vor einem Online-Kauf sein“, sagt Expertin Rebekka Weiß von der BitkomSparte Vertrauen und Sicherheit. „Davon profitieren auch die Händler.“Wer viele gute Bewertungen erhalte, könne damit auf die Qualität seines Angebotes hinweisen.