Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Was Söder verstanden hat
Was ist mit Markus Söder los? Jahrelang hat er – erst als bayerischer Landesminister, dann als Ministerpräsident – mit plumpen Parolen wie „Asyltourismus“und „Weltsozialamt“gezündelt. Seit knapp anderthalb Jahren aber spricht der CSU-Chef unablässig über Umwelt- und Klimaschutz, betont den Wert von Vielfalt und Toleranz. Was mit Söder los ist? Er hat eine Ahnung davon, wie moderner Konservatismus aussehen sollte.
Ja, Konservatismus sollte sich auch im Jahr 2020 vor allem an die Wähler richten, denen Digitalisierung, ökologische Transformation oder die Abwanderung in die Städte mehr oder minder große Angst machen. Moderner Konservatismus sollte aber nie vorgaukeln, dass alles bleiben kann, wie es ist – und schon gar nicht ins Reaktionäre abdriften, in die unerfüllbare Sehnsucht nach einer mythisch überhöhten Vergangenheit. Söder versucht diesen Spagat in Bayern – durch Programme wie die Förderung von Dorfwirtshäusern einerseits und eine Digitalisierungsoffensive andererseits.
Moderner Konservatismus muss außerdem integrieren. Er darf Menschen nie pauschal ausschließen: nicht wegen Herkunft, Hautfarbe oder Religion, nicht wegen ihrer sozialen Stellung. Söder scheint auch das begriffen zu haben: Er grenzt sich scharf ab von der zunehmend völkischen AfD, findet klare Worte gegen Antisemitismus und Rassismus.
Die andere Frage ist, ob Markus Söder wirklich auf Dauer modernkonservative Politik umsetzt. Momentan wirkt er auch deshalb so staatsmännisch-gelassen, weil die Umfragewerte seiner CSU in Ordnung und seine persönlichen Beliebtheitswerte gut sind – und seine Partei ihm loyal ist. Wer sich aber daran erinnert, wie Söder damals, als er noch gerne zündelte, seinen Erzrivalen Horst Seehofer aus der Macht bugsiert hat, der weiß: Dieser Mann kann ganz anders.
Immerhin, schon heute beweist Söder, mit Blick auf die Zukunft des Konservatismus: Ich habe verstanden. Das muss ihm sein künftiger Konterpart an der Spitze der CDU erst mal nachmachen.