Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Randsortimente“verärgern die Einzelhändler
Einer muss schließen, der andere darf alles verkaufen – Was Interessenvertreter dazu sagen
LEUTKIRCH/BAD WURZACH/ISNY - „Nicht ideal“, „schwer nachvollziehbar“, „ungerecht“: Während beispielsweise der Spielwarenhändler, die Boutique oder die Parfümerie schließen müssen, dürfen die großen Einkaufsmärkte auch andere Artikel als Lebensmittel weiterhin verkaufen. Das führt in der Region zu Unmut. Einen Ausweg aus dem Dilemma weiß aber auch keiner der Gesprächspartner der „Schwäbischen Zeitung“.
Zweimal ist die entsprechende Verordnung des Landes bereits bisher geändert worden. Zunächst durften die Supermärkte ihr Non-FoodSortiment nicht verkaufen und mussten diese Abteilungen absperren oder abdecken. Doch viele Kunden hielten sich nicht daran, so die Rückmeldung aus den Supermärkten. Absperrungen oder Abdeckungen seien heruntergerissen worden, vereinzelt wurde sogar von Handgreiflichkeiten zwischen Kunden und Personal berichtet.
Daher änderte das Land erstmals die Verordnung. Seitdem dürfen Einkaufsmärkte auch ihr „Randsortiment“verkaufen, wenn es weniger als 50 Prozent der Fläche und des Umsatzes ausmacht. Zudem muss gewährleistet sein, dass die Hygienestandards eingehalten werden, sich also keine langen Warteschlangen
bilden und der Zwei-Meter-Abstand zwischen den Kunden eingehalten werden kann, dies notfalls mit „Steuerung des Zutritts“.
Darüber beschwerte sich nun der Fachhandel. Ende vergangener Woche hat das Land die Überprüfung dieser 50-Prozent-Plus-X-Regel an die örtlich zuständigen Behörden übertragen. Dass sich dadurch etwas ändern wird, bezweifeln Experten.
Die örtlichen Behörden hätten keinen Zugriff auf die Umsatzzahlen, könnten also maximal die Verkaufsflächen begutachten. Und da halten sich die Discounter an die entsprechenden Bestimmungen. Lebensmittel bilden den überwiegenden Teil ihres Sortiments und nehmen entsprechend den größten Platz der Verkaufsfläche ein. Zudem dürften die personellen Kapazitäten der städtischen Ordnungsämter kaum ausreichen, um Einkaufsmärkte zu kontrollieren und deren Kundenströme zu überwachen, ist in den Städten zu erfahren.
In Leutkirch, Bad Wurzach und Isny sind die Einzelhändler natürlich verärgert über die Wettbewerbsverzerrung: „Das ist ungerecht“, sagt Melanie Krimmer, Vorsitzende des Leutkircher Wirtschaftsbundes. „Aber wir haben als kleine Einzelhändler nicht die Mittel, dagegen etwas zu unternehmen.“Sie hofft darauf, dass die „Großen“ihren Einfluss geltend machen:
Krimmer denkt zum Beispiel an Ketten wie Adidas, H&M oder die Elektronikmärkte, die ihre Läden ja auch schließen mussten.
Die sogenannten Randsortimente hätte man von Beginn an nicht abdecken, sondern ganz aus den Einkaufsmärkten räumen sollen. Dieser Meinung ist Klaus Michelberger, stellvertretender Vorsitzender des Bad Wurzacher Handels- und Gewerbevereins: „So wie es jetzt läuft, ist es nicht ideal.“
Nun aber sei es dafür zu spät, glaubt er, und dagegen vorzugehen sei nicht mehr zielführend: „Wir müssen unsere Kraft nun darauf verwenden, Druck zu machen, dass alle Läden bald wieder aufmachen dürfen. Und das nicht als Schnellschuss wie beim 'Shutdown’, sondern mit einer gewissen Vorlaufzeit und so, dass die Gesundheit der Menschen gleichzeitig geschützt ist.“
„Mit der Corona-Verordnung ist die Situation im Handel derzeit in der Tat unübersichtlich und teilweise nur schwer nachvollziehbar“, beurteilt Bernhard Nattermann, Referent für Handel, Dienstleistung und Tourismus der IHK Bodensee-Oberschwaben, die Situation: „Die Treffschärfe, die man sich wünschen würde, ist bei den vielen Mischsortimenten schlicht nicht gegeben. Wir gehen aber nicht davon aus, dass man diese Problematik kurzfristig zufriedenstellend lösen kann.“
Umso wichtiger sei es deshalb, dass für die Zeit nach Ostern „eine klare 'Exit-Strategie’ vorliegt, die dem Einzelhandel eine zeitliche Perspektive gibt und möglichst schnell, aber dennoch kontrolliert, eine Wiederbelebung stattfinden kann“, ist sich Nattermann ganz mit Michelberger einig.
Innerhalb der Stadtgrenzen zu versuchen, „gemeinsam so gut es geht über diese schwierige Zeit zu kommen“, dafür wirbt Katrin Mechler, Leiterin des Isnyer Stadtmarketings. Als wirklich existenzgefährdendem Konkurrenten für den lokalen Einzelhändler sieht sie weniger den Einkaufsmarkt am Ort; als vielmehr die großen Onlinehändler: „Eine Reduzierung des Warenangebots in den Supermarktfilialen würde ihnen mehr nutzen als unseren kleinen Betrieben.“
Einhellig appellieren alle Einzelhandelsvertreter an die Verbraucher, die Angebote der lokalen Geschäfte zu nutzen – nicht nur, aber gerade auch jetzt für die Ostergeschenke. Zahlreiche Händler und Gastronomen bieten einen Lieferservice per Telefon, E-Mail oder WhatsApp an oder haben Onlineshops. Die Stadtverwaltungen in Leutkirch, Bad Wurzach und Isny haben entsprechende Listen auf ihren Websites und zum Teil auch in öffentlichen Schautafeln zusammengestellt.