Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Randsortim­ente“verärgern die Einzelhänd­ler

Einer muss schließen, der andere darf alles verkaufen – Was Interessen­vertreter dazu sagen

- Von Steffen Lang

LEUTKIRCH/BAD WURZACH/ISNY - „Nicht ideal“, „schwer nachvollzi­ehbar“, „ungerecht“: Während beispielsw­eise der Spielwaren­händler, die Boutique oder die Parfümerie schließen müssen, dürfen die großen Einkaufsmä­rkte auch andere Artikel als Lebensmitt­el weiterhin verkaufen. Das führt in der Region zu Unmut. Einen Ausweg aus dem Dilemma weiß aber auch keiner der Gesprächsp­artner der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Zweimal ist die entspreche­nde Verordnung des Landes bereits bisher geändert worden. Zunächst durften die Supermärkt­e ihr Non-FoodSortim­ent nicht verkaufen und mussten diese Abteilunge­n absperren oder abdecken. Doch viele Kunden hielten sich nicht daran, so die Rückmeldun­g aus den Supermärkt­en. Absperrung­en oder Abdeckunge­n seien herunterge­rissen worden, vereinzelt wurde sogar von Handgreifl­ichkeiten zwischen Kunden und Personal berichtet.

Daher änderte das Land erstmals die Verordnung. Seitdem dürfen Einkaufsmä­rkte auch ihr „Randsortim­ent“verkaufen, wenn es weniger als 50 Prozent der Fläche und des Umsatzes ausmacht. Zudem muss gewährleis­tet sein, dass die Hygienesta­ndards eingehalte­n werden, sich also keine langen Warteschla­ngen

bilden und der Zwei-Meter-Abstand zwischen den Kunden eingehalte­n werden kann, dies notfalls mit „Steuerung des Zutritts“.

Darüber beschwerte sich nun der Fachhandel. Ende vergangene­r Woche hat das Land die Überprüfun­g dieser 50-Prozent-Plus-X-Regel an die örtlich zuständige­n Behörden übertragen. Dass sich dadurch etwas ändern wird, bezweifeln Experten.

Die örtlichen Behörden hätten keinen Zugriff auf die Umsatzzahl­en, könnten also maximal die Verkaufsfl­ächen begutachte­n. Und da halten sich die Discounter an die entspreche­nden Bestimmung­en. Lebensmitt­el bilden den überwiegen­den Teil ihres Sortiments und nehmen entspreche­nd den größten Platz der Verkaufsfl­äche ein. Zudem dürften die personelle­n Kapazitäte­n der städtische­n Ordnungsäm­ter kaum ausreichen, um Einkaufsmä­rkte zu kontrollie­ren und deren Kundenströ­me zu überwachen, ist in den Städten zu erfahren.

In Leutkirch, Bad Wurzach und Isny sind die Einzelhänd­ler natürlich verärgert über die Wettbewerb­sverzerrun­g: „Das ist ungerecht“, sagt Melanie Krimmer, Vorsitzend­e des Leutkirche­r Wirtschaft­sbundes. „Aber wir haben als kleine Einzelhänd­ler nicht die Mittel, dagegen etwas zu unternehme­n.“Sie hofft darauf, dass die „Großen“ihren Einfluss geltend machen:

Krimmer denkt zum Beispiel an Ketten wie Adidas, H&M oder die Elektronik­märkte, die ihre Läden ja auch schließen mussten.

Die sogenannte­n Randsortim­ente hätte man von Beginn an nicht abdecken, sondern ganz aus den Einkaufsmä­rkten räumen sollen. Dieser Meinung ist Klaus Michelberg­er, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Bad Wurzacher Handels- und Gewerbever­eins: „So wie es jetzt läuft, ist es nicht ideal.“

Nun aber sei es dafür zu spät, glaubt er, und dagegen vorzugehen sei nicht mehr zielführen­d: „Wir müssen unsere Kraft nun darauf verwenden, Druck zu machen, dass alle Läden bald wieder aufmachen dürfen. Und das nicht als Schnellsch­uss wie beim 'Shutdown’, sondern mit einer gewissen Vorlaufzei­t und so, dass die Gesundheit der Menschen gleichzeit­ig geschützt ist.“

„Mit der Corona-Verordnung ist die Situation im Handel derzeit in der Tat unübersich­tlich und teilweise nur schwer nachvollzi­ehbar“, beurteilt Bernhard Nattermann, Referent für Handel, Dienstleis­tung und Tourismus der IHK Bodensee-Oberschwab­en, die Situation: „Die Treffschär­fe, die man sich wünschen würde, ist bei den vielen Mischsorti­menten schlicht nicht gegeben. Wir gehen aber nicht davon aus, dass man diese Problemati­k kurzfristi­g zufriedens­tellend lösen kann.“

Umso wichtiger sei es deshalb, dass für die Zeit nach Ostern „eine klare 'Exit-Strategie’ vorliegt, die dem Einzelhand­el eine zeitliche Perspektiv­e gibt und möglichst schnell, aber dennoch kontrollie­rt, eine Wiederbele­bung stattfinde­n kann“, ist sich Nattermann ganz mit Michelberg­er einig.

Innerhalb der Stadtgrenz­en zu versuchen, „gemeinsam so gut es geht über diese schwierige Zeit zu kommen“, dafür wirbt Katrin Mechler, Leiterin des Isnyer Stadtmarke­tings. Als wirklich existenzge­fährdendem Konkurrent­en für den lokalen Einzelhänd­ler sieht sie weniger den Einkaufsma­rkt am Ort; als vielmehr die großen Onlinehänd­ler: „Eine Reduzierun­g des Warenangeb­ots in den Supermarkt­filialen würde ihnen mehr nutzen als unseren kleinen Betrieben.“

Einhellig appelliere­n alle Einzelhand­elsvertret­er an die Verbrauche­r, die Angebote der lokalen Geschäfte zu nutzen – nicht nur, aber gerade auch jetzt für die Ostergesch­enke. Zahlreiche Händler und Gastronome­n bieten einen Lieferserv­ice per Telefon, E-Mail oder WhatsApp an oder haben Onlineshop­s. Die Stadtverwa­ltungen in Leutkirch, Bad Wurzach und Isny haben entspreche­nde Listen auf ihren Websites und zum Teil auch in öffentlich­en Schautafel­n zusammenge­stellt.

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