Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Unsere Umwelt profitiert auf jeden Fall“
Diana Wertmann und Charlotte Florack von der Fridays-For-Future-Bewegung über Corona und das Klima
LEUTKIRCH - Das Coronavirus hat Auswirkungen auf nahezu alle Lebensbereiche. Ein Profiteur der Einschränkung des öffentlichen Lebens könnte das Klima sein. Diana Wertmann und Charlotte Florack von der Leutkircher Fridays-For-Future-Bewegung haben sich den Fragen des SZ-Redakteurs Simon Nill gestellt.
Profitiert Ihrer Einschätzung nach das Klima von der Corona-Krise?
Unsere Umwelt profitiert auf jeden Fall, direkt und indirekt. Wir fahren weniger Auto, konsumieren und produzieren weniger und der Flugverkehr ist deutlich eingeschränkt. Einige europäische Länder kommen so sogar dem Einhalten der Klimaziele für 2020 ein großes Stück näher. Dennoch sollten wir bedenken, dass das Zurückfahren des öffentlichen Lebens eine Strategie zur Lösung der Corona-Krise ist, nicht aber auf die gesamte Klimakrise übertragen werden darf. Indirekt kann die Pandemie aber trotzdem bewirken, dass wir als Gesellschaft diese umweltschonende Vorteile erkennen und auch danach unser Handeln – bezüglich erneuerbaren Energien, Konsum, ÖPNV et cetera – mehr überdenken.
Welche Effekte könnten dadurch entstehen?
Einige Effekte sind ja bereits sichtbar und wirken fast schon romantisch. Wir haben Bilder von den erholten Kanälen in Venedig gesehen, Delfine schwimmen näher an den Küsten, Smog in Metropolen löst sich auf. Unsere Umwelt profitiert von dem zurückgegangenen CO2-Ausstoß. Ob wir es auch nach der Krise schaffen diese Effekte aufrecht zu erhalten, ist noch fragwürdig und liegt auch viel bei uns selbst.
Könnten wir gerade jetzt, wo viele Menschen mehr Zeit haben, noch mehr fürs Klima tun?
Nicht alle haben mehr Zeit, immerhin haben viele Menschen durch Home-Schooling, Home-Office oder in systemrelevanten Berufen eine klare Mehrbelastung. Alle anderen realisieren womöglich nun mehr, was wir wirklich im Leben brauchen. Menschliche Interaktion, Zusammenhalt – nicht unbedingt Konsum. Sicherlich kann man diese unfreiwillige Zeit zu Hause teils dafür nutzen, Verhaltensmuster zu hinterfragen. Vielleicht einen fleischfreien Monat probieren? Oder Gemüsebeete im eigenen Garten anlegen? Schaut man sich aktuell auf den Websites von Umweltorganisationen um, gibt es dort viele kreative Vorschläge, oder man nutzt die Webinare von Fridays For Future.
Gibt es aktuelle Verhaltensmuster, die wir aus Klimaschutzgründen auch über die Corona-Zeit hinweg beibehalten sollten?
Ja! Grundsätzlich: „Check your privilege“. Das gilt sowohl in dieser Corona-Krise, als auch im Klimanotstand. Aber natürlich auch das Reduzieren des Flug- beziehungsweise Reiseverkehrs ist ein Punkt, den wir uns beibehalten sollten. Jetzt in der Krise fangen viele an, mehr selber zu machen, regionale Unternehmen zu unterstützen, mehr mit dem klarzukommen, was man hat oder gut bekommt. Wenn wir das im Nachhinein weiterführen, tut das ebenso unserer Umwelt gut. Auch die Solidarität,
die momentan bei der Thematik Corona vorhanden ist, bleibt hoffentlich erhalten. Ein negatives Verhaltensmuster sowohl bei Corona als auch in Bezug auf den Klimawandel sind die Leugner, die die Lage nicht ernst genug nehmen. In diese Richtung kann eigentlich gar nicht genug appelliert werden.
Was haben aus Ihrer Sicht die Fridays-for-Future Demonstrationen 2019 in Leutkirch bewirkt?
Sie haben die problematische Thematik auch zu uns in die „Provinz“geholt, was richtig ist, denn unser ländliches Leben schützt uns nicht dauerhaft vor den Konsequenzen des Klimawandels. Die Aufmerksamkeit darauf konnten wir sicherlich verstärken. Es ist gut, dass das
Thema auch in Klassenräumen oder an Stammtischen einen Platz findet.
Wird es weitere Demonstrationen nach der Corona-Krise geben?
Wir bleiben dran, doch wie allen fällt es uns schwer, jetzt zu überblicken, wie lange die Corona-Pandemie das öffentliche Leben einschränken wird. Aber auch jetzt finden sogenannte „Netzstreiks fürs Klima“, die von der Bundesebene von Fridays For Future organisiert werden, statt, an denen man teilnehmen kann. Zusätzlich werden verschiedenste Webinare zur Verfügung gestellt, bei denen je ein Experte über sein Fachgebiet aufklärt. Das ist mit sozialer Distanzierung vereinbar, wird per Livestream übertragen und wir möchten jeden motivieren, sich das mal anzuschauen.
Die momentane, dauerhafte Berichterstattung über das Coronavirus hat natürlich seine Berechtigung, trotzdem dürfen dabei andere relevante Themen wie die Klimakrise nicht völlig vergessen werden. Sicherlich ist es ein Stück weit auch unsere Aufgabe, dass die Thematik dabei nicht vom Tisch kommt. Wir können uns vorstellen, dass es nach Corona schwieriger wird, die klimapolitischen Ziele wieder ausreichend zu integrieren. Andererseits kann man auch hoffen, dass diese Pandemie allgemein ein größeres Krisenbewusstsein schafft: Nicht nur für die aktuelle Ausbreitung des Virus, sondern genauso danach für den Notstand unseres Klimas.