Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Muss Notbetreuung bezahlt werden?
Bad Wurzacher Stadträtin ist gegen Gebühren für systemrelevante Berufe
BAD WURZACH - Auch für den Monat Mai setzt die Stadt Bad Wurzach die Kindergartengebühren aus. Das gab Dezernatsleiter Frank Högerle am Montagabend im Gemeinderat bekannt. Gebühren verlangt wird aber von den Eltern, die ihr Kind in der Notbetreuung hatten oder haben.
Derzeit befinden sich laut Högerle 44 Mädchen und Jungen in der erweiterten Notbetreuung der städtischen und kirchlichen Kindergärten. Nur in Dietmanns werde dies bislang nicht nachgefragt. Der Bedarf wachse aber überall im Gemeindegebiet kontinuierlich.
Nachdem vom 17. März an eine Notbetreuung in den Kindergärten nur für Alleinstehende sowie Eltern, die beide in systemrelevanten Berufen arbeiten, angeboten worden war, ist diese seit dem 27. April auf Berufstätige mit Präsenzpflicht am Arbeitsplatz erweitert worden. Ab dem 18. Mai soll nun die Betreuung in den Kitas „in Richtung eines reduzierten Regelbetriebs in Absprache mit den Trägern schrittweise auf bis zu 50 Prozent der Kinder“ausgeweitet werden. So wurde vom Kultusministerium des Landes verfügt.
„Sehnsüchtig warten wir auf weitere Informationen, vor allem darüber, wer nun wieder kommen darf“, sagte Högerle am Montagabend. Zu klären ist auch die Frage, wer die betroffenen Eltern informiert. Die Stadt und die kirchlichen Träger gingen dabei nicht davon aus, dass sofort wieder die Hälfte der Kinder betreut werden müssen. Angesichts der Abstandsgebote und der Hygienevorschriften sei dies ja auch eine Frage der Personalanzahl und der räumlichen Gegebenheiten in den einzelnen Einrichtungen. In den städtischen Kindergärten gebe es bei 50prozentiger Belegung etwa 170 Plätze.
Bürgermeisterin Alexandra Scherer (CDU) ergänzte, man werde sich auch einen „Puffer für Notfälle“freihalten, so dass sie von einer maximal 45-prozentigen Auslastung ausgehe. „Wenn wir mit Anfragen überschwemmt werden, müssen wir schauen, wie wir’s machen.“
Auch Kultusministerin Susanne Eisenmann kennt das Personalproblem: „Von den Trägern der Kitas haben wir die Rückmeldung, dass an den Einrichtungen nicht so viel Personal zur Verfügung steht wie an den Schulen. Die Risikogruppe unter den
Erzieherinnen und Erziehern scheint größer zu sein. Deshalb wollen wir den Trägern Spielräume vor Ort lassen, dass sie im Rahmen ihrer räumlichen und personellen Kapazitäten individuelle Lösungen finden können – zum Beispiel durch ein rollierendes System, das ermöglicht, dass Kinder in festen Gruppen abwechselnd an einzelnen Wochentagen in die Kita kommen können.“So heißt es in einer Mitteilung ihres Ministeriums. Högerle kündigte unterdessen an, dass, wie schon im April, auch im Mai in Absprache mit den kirchlichen Trägern die Kindergartengebühren ausgesetzt werden. Dafür gebe es für die Kommune vom Land „eine gewisse Entschädigung“. Wer freilich sein Kind in der Notbetreuung hatte, muss trotzdem bezahlen. Die Gebühren dafür werden laut dem Dezernatsleiter auf den Tag genau abgerechnet und Sozialabschläge berücksichtigt. Der Aufwand, dies zu berechnen, sei nicht allzu hoch, so Högerle auf Anfrage von Stadtrat Hermann Müller (CDU).
Bei Stadträtin Gisela Brodd (Freie Wähler) trifft indes diese Gebührenerhebung für eine Notbetreuung auf wenig Verständnis; zumindest soweit sie die erste Phase von Mitte März bis Ende April betrifft. „Wir können doch keine Gebühren verlangen von den Leuten, die unser Leben geschafft haben“, sagte sie. Nachdem sie dabei zunächst nur die Menschen in Pflegeberufen im Blick hatte, erweiterte sie dies kurz darauf auf alle Betroffenen mit „systemrelevanten“Berufen.
Einen entsprechenden Antrag werde sie in der Verwaltung einreichen, kündigte Brodd an. Während der Sitzung am Montagabend wollte Bürgermeisterin Scherer nicht darüber abstimmen lassen, da das Thema nur als Information der Stadtverwaltung unter dem Tagesordnungspunkt „Bericht der Bürgermeisterin“angesetzt war.
Grundsätzlich stand Scherer Brodds Idee eher kritisch gegenüber. Sie sieht die Erstattung des Landes in Gefahr, wenn die Stadt auf Gebühren verzichtet. „Und wir werden auch noch mehr über Erlässe und ähnliches reden müssen“, kündigte sie weitere Einnahmeausfälle der Stadt an und nannte als Beispiele die Jugendmusikschule und die Volkshochschule.
Die Stadt sei daher „sehr bemüht“, nicht mehr zu bieten, als die Ministerien empfehlen.